Für viele Menschen in Österreich gehört der Besuch im Freibad zum Sommeralltag – etwa in Niederösterreich, wo es rund 130 davon gibt. Doch die Zukunft vieler dieser Freibäder steht auf der Kippe, wie die Recherche der Crowdfunding-Plattform Kollektor berichtet. Steigende Kosten, Personalmangel und leere Gemeindekassen bedrohen die Einrichtungen – und damit auch einen wichtigen sozialen Treffpunkt. Die Gemeinden brauchen dringend finanzielle Unterstützung seitens des Landes.
Insgesamt gibt es in Niederösterreich rund 130 Freibäder. Doch viele Gemeinden stehen finanziell mit dem Rücken zur Wand. „Seit Jahren haben nahezu alle Freibäder einen Personalmangel. Dazu kommen enorm gestiegene Energiekosten. Die Finanzierung über Eintrittspreise wird immer schwieriger“, sagt Harald Gölles, Sprecher der Bäderbetriebe in der Wirtschaftskammer NÖ. Das zeigt sich auch in den Zahlen: Die Bürgermeisterinnen von Mödling (SPÖ) und Perchtoldsdorf (ÖVP) weisen in einem gemeinsamen Hilferuf aus, dass sie jährlich über 4,5 Millionen Euro zuschießen müssen, um ihre Freibäder zu erhalten. Die SPÖ Niederösterreich fordert finanzielle Hilfen durch die Landesregierung.
Erste Schließungen schon Realität
Manche Freibäder mussten in dieser Saison bereits zusperren: Etwa das Bergbad Hainburg (Personalmangel), das Freibad Schönberg am Kamp (Hochwasserschäden) oder das Mandlgupfbad Pöggstall, das dauerhaft geschlossen bleibt. Andere Freibäder in Niederösterreich kündigten bereits drastische Preiserhöhungen an – laut Harald Gölles um 15 bis 20 Prozent. Betroffen sind unter anderem Bäder in Aggsbach, Himberg, Mödling und Tulln. Eine Anfrage beim Aubad in Tulln bestätigt die Aussage:
„Die Stadtgemeinde Tulln befindet sich wie fast alle Gemeinden mitten in einem Budgetkonsolidierungsprozess. Eine von vielen Auswirkungen ist, dass die Eintrittspreise mit 2026 um 25 Prozent erhöht werden“, sagt Christian Holzschuh, Abteilungsleiter Sport, Freizeitbetriebe und Veranstaltungsmanagement der Gemeinde Tulln.
Höhere Ticketpreise sind keine Lösung
Eine Preisanalyse der Arbeiterkammer Niederösterreich zeigt: Ein Freibadbesuch kostet derzeit zwischen 3 Euro und 21,50 Euro. Eine Erhöhung um 20 Prozent würde in kleinen Orten wie Aggsbach nur 60 Cent mehr bedeuten, im Solebad Göstling aber 4,30 Euro. Doch selbst mit höheren Einnahmen bleibt das Defizit hoch. Mehmed Alajbeg, Leiter des Stadtbads Mödling, rechnet vor:
„Bei einem Ticketpreis von 10 Euro bringt eine Erhöhung um 20 Prozent rund 100.000 Euro mehr Einnahmen. Aber wir haben trotzdem noch einen Abgang von 1,6 Millionen Euro. Das bringt nichts.“
Ohne Bäder lernen Kinder seltener schwimmen
Das Freibad ist für viele Familien ein unverzichtbarer Treffpunkt. „Die Leute, die Bäder zusperren wollen, haben oft Pools zu Hause. Für Menschen ohne Balkon oder Garten ist das Freibad aber ein wichtiger sozialer Ort. Sollen Kinder dann im Bach schwimmen lernen?“, sagt Mehmed Alajbeg.
Die Folgen sind spürbar: Laut der Schwimmstudie des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KFV) können 10 Prozent der 5- bis 19-Jährigen in Österreich nicht schwimmen. Rund 76.000 Kinder können nur unsicher schwimmen – fehlende Infrastruktur ist ein zentraler Grund dafür.
Die SPÖ fordert finanzielle Hilfe durch das Land Niederösterreich
Die niederösterreichische SPÖ fordert im Landtag umfassende Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen, um die Freibäder zu retten. „Freibäder sind kein Luxus der Bürgermeister:innen, sondern Orte des sozialen Miteinanders“, betont SPÖ-Klubobmann Hannes Weninger. Ziel sei es, die rund 130 Frei- und Sommerbäder der 573 Gemeinden vor Schließungen zu bewahren. Denn schon jetzt bleiben einzelne Bäder geschlossen, andere schreiben tiefrote Zahlen.
Besonders dramatisch sei die Auswirkung auf Kinder, legt Kontroll-Landesrat Sven Hergovich dar: „Dass mittlerweile jedes zehnte Kind zwischen 5 und 19 Jahren nicht schwimmen kann, ist ein Alarmsignal. Und jeder verlorene Badestandort verschärft das Problem.“ Zudem fordert Hergovich ein Rettungspaket für Niederösterreichs Bäder:
„Denn Bäder sind so viel mehr als nur ein Becken. Hier lernen Kinder schwimmen und Familien treffen sich. Jeder verlorene Badestandort verschärft das Problem.“ Da die Gemeinden derzeit allein für den Betrieb zuständig sind, sieht die SPÖ nur eine Lösung: Das Land müsse die Bäder finanziell unterstützen, um ihre Zukunft zu sichern.
Tirol zeigt einen möglichen Ausweg
In Tirol wurde 2024 ein „Bädertopf“ von 75 Millionen Euro eingerichtet, finanziert von Land, Gemeinden und Tourismusverbänden. Damit sollen Sanierungen, Betriebskosten und Neubauten gestützt werden – inklusive Förderung von Schwimmkursen für Kinder. Ein ähnliches Modell wird nun auch in Niederösterreich gefordert.
„Die Finanzierung über Eintrittspreise wird immer schwieriger. Eine Förderung für Energiepreise oder Steuererleichterungen wäre sinnvoll – auch für Hallenbäder, die noch mehr Energie brauchen“, sagt Harald Gölles.
Die gesamte Recherche zu den Freibädern in Niederösterreich kann man hier downloaden.
Sie können maximal 4 Forderungen auswählen und ihre Abstimmung im Nachhinein ändern.
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