Der Wiener Friseur mit inkludiertem Café „I.N. rothen“ hat vor knapp einem Jahr auf die 4-Tage-Woche umgestellt. Die rund 15 Mitarbeiter:innen arbeiten im Schnitt nur noch 36 Stunden in der Woche und bekommen dafür das gleiche Gehalt wie zuvor für 40 Stunden. Die Öffnungszeiten sind gleich geblieben, die Beschäftigten motivierter – sogar der Umsatz ist gestiegen. Für den Betreiber Werner Rothen ist es ein Erfolgsmodell, das sich überall durchsetzen wird.
Angefangen hat alles vor drei Jahren, als Werner Rothen mit einer langjährigen, älteren Mitarbeiterin vereinbart hat, ihre Stunden zu kürzen – bei gleichbleibendem Gehalt. Weil die Erfahrungen so positiv waren, haben sie dieses Modell für den ganzen Betrieb umgestellt. Die meisten haben drei Tage in der Woche frei, manche verteilen die kürzere Arbeitszeit aber auch auf fünf Tage. „Zum Beispiel, weil sie Kinder oder andere Verpflichtungen haben“, erklärt Rothen. Für neue Mitarbeiter:innen sei das Angebot ein großer Anreiz. Vor allem junge Friseure seien begeistert.
Widerstände gab es in der Belegschaft keine – im Gegenteil: „Als wir das mit den Mitarbeiter:innen besprochen haben, gab es sofort Freude und eine gute Stimmung“, so Rothen. Seitdem sind seine Angestellten motivierter und erholter: „Wenn sie drei Tage frei haben, können sie ihre privaten Dinge und Verpflichtungen auch leichter erledigen und kommen dementsprechend erholter in den Betrieb.“ Das wäre seiner Meinung auch der Fall, wenn die wöchentliche Arbeitszeit nicht reduziert werden würde – und an vier Tagen verdichtet wäre.
Friseur mit 4-Tage-Woche: Positivere Arbeitseinstellung und höherer Umsatz
Zwar weiß er nicht, wie es sich ohne diese Änderung entwickelt hätte, aber im Vergleich zu den letzten 25 Jahren im Betrieb hat sich die Arbeitseinstellung sehr positiv verändert, so der Eigentümer. Das schlägt sich auch im Umsatz nieder, der im letzten Jahr gestiegen ist.
„Ich führe das darauf zurück, dass es weniger Durchhängerphasen gibt. An den vier Tagen haben die Mitarbeiter mehr Energie und bringen dementsprechend auch viel mehr weiter“, erzählt Rothen.
Sie sind gelassener, freundlicher zu den Gästen und eher bereit, zusätzliche Dienstleistungen zu erbringen, einen speziellen Wunsch vom Kunden zu erfüllen oder Aufgaben gleichzeitig zu machen.
4-Tage-Woche: „Dieser Trend lässt sich nicht mehr stoppen“
Rothen ist davon überzeugt, dass die 4-Tage-Woche auch in den meisten anderen Unternehmen funktionieren würde. „Das wird auch kommen, meines Erachtens. Ich glaube nicht, dass das ein Trend ist, der noch zu stoppen ist. Die 4-Tage-Woche wird sich sicher im Großteil der Branchen durchsetzen“, ist Rothen überzeugt. Er rät anderen, die 4-Tage-Woche testweise einfach einmal auszuprobieren – oder es einfach umzusetzen. Denn er sehe keine Probleme:
„Ich kenne nicht jede Branche und jede Problematik dort, aber ich traue mich zu sagen, dass es für 95 Prozent aller Branchen kein Problem sein wird, auf die 4-Tage-Woche umzustellen – auch wenn es natürlich Ausnahmen geben wird. Denn die Leistung der Mitarbeiter wird eher steigen, die Freude an der Arbeit wird zunehmen. Und wer die Arbeit mit Freude macht, macht sie in der Regel besser. Das kann sich nur positiv auswirken.“
Natürlich macht auch die Unternehmensgröße einen Unterschied, wie einfach die Umstellung umgesetzt werden kann. Während im Rothen Haarstudio die Arbeitszeitverkürzung lediglich mit dem Steuerberater abgeklärt werden musste, kann es bei größeren Firmen komplizierter sein. Für das Pet-Tech-Unternehmen Tractive beispielsweise waren die rechtlichen Fragen für ihre 170 Mitarbeiter so umfangreich, dass es nicht ohne Anwalt ging.
Mehr Flexibilität für Kleinbetriebe
Von der Regierung wünscht sich Rothen, dass es für Klein- und Mittelbetriebe leichter wird, auf die individuellen Wünsche der Angestellten eingehen zu können. Denn während große Unternehmen die Möglichkeiten von Betriebsküchen, Betriebskindergarten oder einer Betriebspension haben, müssten kleinere Unternehmen andere Anreize finden, um gutes Personal zu finden und zu halten. So sollte zum Beispiel die Gestaltung der Arbeitszeit – etwa an Samstagen oder für Lehrlinge – flexibler möglich sein, meint Rothen. „Natürlich ohne dass man Konzernen die Freiheit gibt, ihre Mitarbeiter auszubeuten.“ Das müsste entsprechend geregelt und eingeschränkt sein, ergänzt Rothen.