Überreichtum und Vermögensungleichheit stehen für den Ökonomen Hendrik Theine der Klimapolitik im Weg. Der Lebensstil der Reichen verursacht einen enormen CO2-Ausstoß und über ihren politischen Einfluss verhindern die Reichsten Veränderungen. “Da ihr Reichtum oft direkt mit fossiler Energie und CO2-Emissionen verknüpft ist, werden sie daran häufig nichts ändern wollen”, so Theine. Der Ökonom schlägt Vermögensobergrenzen und mehr Demokratie bei wirtschaftlichen Entscheidungen vor.
Reiche sind ein großes Problem für die Bekämpfung der Klimakrise. Wie hängen Vermögensungleichheit und Klimawandel zusammen?
Hendrik Theine: Seit ein paar Jahren reden wir verstärkt über das Problem der Ungleichheit. Einkommens- und Vermögensungleichheit stehen stärker im Fokus als noch vor 10 bis 15 Jahren. Diese Diskussion sollten wir noch mehr mit dem Problem der Klimakrise zusammenbringen, weil Vermögensungleichheit auch viel mit der Klimakrise zu tun hat.
Reiche Menschen mit unglaublich hohem Vermögen verursachen einen viel größeren Ausstoß an CO2 als der Rest der Bevölkerung. Bei diesen Personen geht es um Luxusgüter im Überfluss, die jenseits des alltäglichen Bedarfs sind. Das reicht von der Luxus-Yacht von Abramowitsch, über Privatjets bis hin zu riesigen Villen – all das verursacht so viel mehr CO2-Emissionen als der Lebensstil vom Rest der Bevölkerung. Was Superreiche als alltäglichen Konsum ansehen, ist sehr anders als das, was sich durchschnittliche Haushalte leisten können und wollen. Braucht jemand drei SUVs vor der Tür oder eine Privatjacht mit eigenem Hubschrauberlandeplatz?
Aber Reichtum bedeutet nicht nur Luxus und Konsum. Mit dem Reichtum steigt auch die wirtschaftliche und politische Macht von Menschen. Wer über großes Aktien-, Finanz- oder Unternehmensvermögen verfügt, kann viel stärker mitentscheiden, in welche Richtung unsere Gesellschaft politisch und ökonomisch steuert. Und da die meisten Reichen viel Geld mit CO2-Emissionen verdient haben und ihr Reichtum oft direkt mit fossiler Energie und CO2-Emissionen verknüpft ist, werden sie daran häufig nichts ändern wollen.
Der Vermögensforscher Martin Schürz hat sehr anschaulich gezeigt, wie mit zunehmendem Vermögen die Möglichkeiten steigen, was man mit diesem Vermögen anstellen kann. Mit kleinen Vermögen sorgt man für Notfälle vor oder für das Alter. Mit hohen Vermögen übt man wirtschaftliche, kulturelle und politische Macht aus – über Finanzvermögen, Stiftungen, Lobbying oder Korruption, was bei uns in den letzten Monaten ein großes Thema geworden ist.
Reiche haben viele Möglichkeiten, um dafür zu sorgen, dass die Politik, die Wirtschaft und die Gesellschaft so strukturiert sind, dass sie ihren Interessen entsprechen.
US-Wissenschaftler haben berechnet, dass der CO2-Ausstoß der 20 reichsten Menschen 8.200 Tonnen pro Person und Jahr beträgt – ein durchschnittlicher US-Amerikaner hat einen Ausstoß von 15 Tonnen im Jahr. Muss Klimapolitik also ganz oben ansetzen?
Theine: Die Tatsache, dass mit großen Vermögen auch ein höherer Ausstoß von CO2 einhergeht, bringt neue Argumente in die Verteilungsdiskussion. Vermögenssteuern bringen nicht nur mehr soziale Gleichheit, sondern helfen auch gegen die Klimakrise.
Die enormen Luxus-Emissionen sind ein Zusatzargument für höhere Vermögenssteuern.
Aber aus meiner Sicht reicht es nicht, dass wir uns von den hohen Vermögen ein paar Prozent holen – sozusagen: “Hier ist euer Beitrag für eure Klimakrise.” Wir sollten auch über Vermögensobergrenzen diskutieren. Es gibt aktuell kaum politische oder ökonomische Diskussionen über die Frage, ob es Vermögen gibt, die einfach zu hoch sind und dadurch problematisch für eine Gesellschaft werden – sowohl aufgrund der hohen CO2-Emissionen als auch der enormen politischen und ökonomischen Macht.
Hängt die ungleiche Verteilung von Vermögen nicht ganz grundsätzlich mit der Ausbeutung von Mensch und Natur zusammen …?
Theine: Im aktuellen Kapitalismus steht das Profitinteresse so stark im Zentrum, dass die Ausbeutung von Mensch und Natur immer ein zentraler Bestandteil ist. Das könnte natürlich auch anders laufen, aber das tut es aktuell nicht. Das sieht man an Standortverlagerungen in Ländern mit niedrigen Umwelt- und Sozialstandards. Das hat systematischen Charakter.
Um die Ausbeutung von Mensch und Natur abzuschwächen und die Macht der Reichen zu begrenzen, helfen Einkommens- und Vermögensobergrenzen, Vermögensabgaben, aber auch demokratische Mitbestimmung in den Unternehmen. Warum sollen nur die Eigentümer:innen mit ihren Profitinteressen darüber entscheiden, in welche Richtung ein Unternehmen geht? Was und wo produziert wird, kann auch breiter entschieden werden – gemeinsam mit den Arbeitnehmer:innen und Umweltverbänden zum Beispiel. Statt durch Lobbying öffentliche Entscheidungen in Richtung privater Einzelinteressen zu beeinflussen, können öffentliche Interessen auch wirtschaftliche Entscheidungen beeinflussen.
Für eine zukunftsfähige Ökonomie des 21. Jahrhunderts braucht es insgesamt eine tiefgreifende Veränderung der aktuellen Produktions- und Lebensbedingungen, wie dies zum Beispiel Eva von Redecker in ihrem wunderbaren Buch „Revolution für das Leben“ vorschlägt.
Dieser Fokus auf die Überreichen beim Klimawandel – müssen alle anderen dann gar nichts mehr tun?
Theine: Natürlich können wir uns nicht alle zurücklehnen und sagen: “Wir besteuern jetzt die Yacht von Abramowitsch und damit ist es erledigt”. Ich würde das nicht gegeneinander ausspielen wollen: Weniger Konsum, mehr öffentlicher Verkehr und weniger Autos – das bleibt relevant. Aber mit hohem Vermögen steigt der Einfluss auf die Politik und damit auch die Verantwortung.
Wenn man die Bekämpfung der Vermögensungleichheit und der Klimakrise zusammenbringt, ist die Chance schon größer, dass die Bereitschaft, etwas beizutragen, bei jedem steigt. Wenn man ganz oben angefangen hätte, wären Proteste wie die Gelbwesten in Frankreich vielleicht ganz anders verlaufen. Weil die Leute gemerkt hätten, dass bei den Reichen viel stärker angesetzt wird als bei ihnen. Man kippt weniger leicht in eine totale Oppositionshaltung, wenn man das Gefühl hat, dass es gerechter zugeht.
Sie beschäftigen sich viel mit der medialen Berichterstattung über Vermögensungleichheit. Wie sieht die aus?
Theine: In den Medien gibt es in den letzten Jahren mehr Berichte über Einkommens- und Vermögensungleichheit, das hat unter anderem mit der Debatte rund um den Ungleichheits-Ökonomen Piketty zu tun. Aber wenn man fragt, was konkrete Schritte gegen die starke Vermögenskonzentration und die Ungleichheit sein können, dann gibt es ein großes Schweigen. Die Probleme werden zwar diagnostiziert, aber man möchte eigentlich bei der Darstellung des Problems stehen bleiben. Was man dagegen tun kann, wird kaum zum Thema.
Schon ganz kleine Veränderungen wie Vermögenssteuern werden in den Medien mehrheitlich abgelehnt und als radikal abgetan. Das wird oft von Anfang an delegitimiert, um keine große Debatte aufkommen zu lassen.
Fragen wie die Demokratisierung der Wirtschaft werden nur ganz selten thematisiert. Dabei ist ja auch das keine dramatische Forderung. Erst letztes Jahr hat eine Studie des Momentum-Instituts gezeigt, dass die Stimmung in österreichischen Zeitungen eindeutig gegen Vermögens- und Erbschaftssteuern ist. 69 Prozent der untersuchten Kommentare von Journalistinnen und Journalisten waren ablehnend gegenüber Vermögenssteuern. Das ist besonders interessant in einem Land wie Österreich, in dem das Vermögen sehr ungleich verteilt ist und es kaum Steuern auf Vermögen gibt.
Zur Person
Hendrik Theine ist Ökonom am Institut für Heterodoxe Ökonomie an der WU Wien. Theine ist im Herausgeber-Team des Buches “Klimasoziale Politik”. In verschiedenen Beiträgen widmet sich das Buch der Frage, wie man den Klimawandel beenden und dabei die Gesellschaft gerechter machen kann. Herausgegeben von der Armutskonferenz, Attac und Beigewum sollen Vorschläge zur Gesundheits- oder Wohnpolitik zeigen, wie Klimapolitik auch eine radikale Verbesserung der Lebensverhältnisse für die allermeisten bringen kann. Theine argumentiert in seinem Beitrag gemeinsam mit Mario Taschwer, dass Vermögensungleichheit und Überreichtum wirksamer Klimapolitik im Weg stehen.