Die Leitkultur-Debatte der ÖVP ist gescheitert, bevor sie begonnen hat. Gut so, denn sie war nur auf die Instrumentalisierung der Integrationsprobleme gerichtet, nicht auf ihre Lösung. Auf linker Seite sollte man sich aber nicht mit Kritik oder Häme daran aufhalten, sondern den Aufschlag als Chance sehen, die eigene Programmatik weiterzuentwickeln. Die Leitkultur-Debatte stellt im Kern die Frage nach Identität und Zugehörigkeit in einer modernen Migrationsgesellschaft. Eine Frage, die auch die Linke nicht befriedigend beantworten kann.
Bisherige Integrationsansätze ausbaufähig
In der politischen Linken wird Integration traditionell als soziale Integration verstanden. Migranten sollen faire Lebens- und Arbeitsbedingungen vorfinden, um schnell eine eigene Existenz aufbauen zu können. Auf der identitären Ebene soll die Klammer über die soziale Identität geschlagen werden, als Arbeitskollegen, Klassenkameraden usw. Diese Ansätze sind richtig und wichtig, aber nicht ausreichend, weil moderne Identitäten hybride sind und die soziale Identität die nationale nicht ersetzen kann. Das zeigen 150 Jahre Erfahrung der Linken mit der „nationalen Frage“. Solange sich die Beschäftigten mit unterschiedlichen Nationalitäten identifizieren, können destruktive rechte Kräfte dies für Spaltereien missbrauchen.
Auch die Debatte über die Öffnung der Staatsbürgerschaft – so wichtig sie ist – wird wenig Erfolg haben, solange ignoriert wird, dass die nationale Identität und Zugehörigkeit eine normative Dimension besitzt, die nicht durch einen rechtlichen Status ersetzt werden kann. Solange sich viele Österreicher mit Migrationshintergrund (teilweise, selbst wenn sie hier geboren sind) nicht als Österreicher fühlen und von wesentlichen Teilen der autochthonen Bevölkerung auch nicht als solche anerkannt werden (Stichwort: „die Ausländer“), werden wir a) weder eine politische Mehrheit für die Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts zustande bringen noch b) mit irgendwelchen rechtlichen Anpassungen Integrationsprobleme lösen.
Eine progressive Integrationspolitik, die die rechte Hegemonie auf das Thema beenden will, muss an den Kern des Problems: Was bedeutet Österreicher-Sein im 21. Jahrhundert und wie können wir unsere nationale Identität so gestalten, dass sie in der Lage ist eine multikulturelle Migrationsgesellschaft zusammenzuhalten – also offen ist für neue Mitglieder und Einflüsse, ohne, dass dadurch die nationale Bindungswirkung verloren geht.
Nationale Frage schwierig für die politische Linke
Die Frage nationaler Identität und Zugehörigkeit ist ein schwieriges Terrain, vor allem für die Linke. In linken Debatten – egal ob marxistisch oder liberal geprägt – herrscht das Bewusstsein vor, dass Nation und Nationalstaat überkommene Relikte einer vergangenen Zeit darstellen, die keine politische Perspektive mehr bieten. Progressive Kräfte müssten sich auf Europa oder Systemfragen konzentrieren, so die Einschätzung. In der Konsequenz wird das Thema kampflos den rechten Parteien überlassen.
Dabei werden zwei wesentliche Fakten übersehen: a) Die nationale Identität ist auch im 21. Jahrhundert nach allen einschlägigen Umfragen und Erhebungen (nicht nur für Österreich) von ungebrochener Bedeutung für die Bevölkerung. Die Globalisierung und Europäisierung der letzten Jahrzehnte hat daran nichts geändert. Und b), es gibt kein monolithisches und schon gar kein rechtes monolithisches Verständnis von nationaler Identität. So finden z. B. über 90 % der Bevölkerung, dass die Achtung der nationalen Gesetze und der Erwerb der deutschen Sprache zum Österreicher-Sein dazugehören, aber nur etwa ein Drittel findet, dass man dafür auch „österreichische“ Eltern haben muss. Ein Wert, der langsam, aber beständig abnimmt.
Für die Linke folgt daraus: Anstatt die nationale Identität auf die Seite zu stellen, sollte man sie im Sinne eines progressiven Patriotismus neu besetzen und ins Zentrum der integrationspolitischen Überlegungen rücken. Im Kern geht es darum, ein weltoffenes und niederschwelliges Österreich-Bewusstsein zu propagieren, das Migrantinnen und Migranten einlädt, ein Teil davon zu werden. Wie könnte das nun konkret aussehen?
Ein neuer Integrationsvertrag
Der Leitkultur-Ansatz der ÖVP missversteht Integration als Assimilation, als Anpassung der Migranten an die Kultur der Mehrheitsbevölkerung. Tatsächlich bedeutet Integration aber nicht nur Anpassung, sondern auch die Akzeptanz von kulturellen Unterschieden, und zwar durchaus auch im Sinne von Statusgarantien und Sonderrechten für Minderheiten, die es ihnen einfacher machen in Österreich und der (neuen) österreichischen Identität anzukommen.
In dieser Kombination liegt die Chance für eine Erneuerung des österreichischen Integrationsvertrages: Selbstverständlich verlangt auch ein progressiver Patriotismus die Akzeptanz von Staat und Gesetzen, den Erwerb der Landessprache und die Achtung der liberalen Grundwerte wie Gleichberechtigung, Toleranz, säkularer Staat usw. Das Einfordern dieser Grundwerte verlangt durchaus auch „republikanische Militanz“ (wie Brigitte Ederer das einmal genannt hat) in Zukunft wahrscheinlich mehr noch als bisher.
Zusätzlich braucht es aber auch Angebote an die Minderheiten. Und zwar nicht nur in der Form von Hilfestellungen für die nötigen Anpassungsleistungen durch Deutsch- und Wertekurse (wie bisher), sondern auch in der Form von Erleichterungen im Staatsbürgerschaftsrecht, durch sozioökonomische Verbesserungen z. B. bei der Anrechnung von ausländischen Bildungstitel, durch einen Rechtsanspruch auf Zweitsprachenunterricht in den Schulen oder die Anerkennung der großen Minderheiten als autochthone Volksgruppen im Sinne des Volksgruppengesetzes.
Auch wenn man die dortigen Gruppenrechte wie Amtssprache oder Ortsbezeichnung nicht sinnvoll auf die neuen Minderheiten umlegen kann, kann der symbolische Akt der gesetzlichen Anerkennung als Österreicher mit besonderem kulturellem Erbe eine wichtige Brücke schlagen, die eine emotionale Annäherung erleichtert. Gerade auch vor dem Hintergrund der historischen Versäumnisse gegenüber der Gastarbeiter-Generation bieten sich dafür insbesondere die Minderheiten mit Verbindung zu Türkei und Ex-Jugoslawien an. Warum sollte es neben den Burgenland-Kroaten oder den Kärntner-Slowenen nicht auch Austro-Kroaten oder Austro-Slowenen ganz generell geben?
Das nötige integrationspolitische Gesamtpaket könnte in einem Integrationskonvent unter Beteiligung aller wesentlichen Stakeholder, der Parteien, der Kulturvereine, Kirchen und Religionsgemeinschaften erarbeitet und dem Parlament zur Beschlussfassung vorgelegt werden.
Keine Garantie auf Gelingen
Eine Garantie auf Gelingen gibt es nicht, das zeigt das aktuelle Beispiel aus Australien. Dennoch wäre es einen Versuch wert, den rechten Spaltereien einen Plan zur Einigung der Nation entgegenzustellen. Nicht nur, weil er klare Spielregeln für alle Beteiligten schafft, ohne die Integration nicht erfolgreich funktionieren kann, sondern auch weil er die ÖVP unter Druck setzen wird, endlich Farbe zu bekennen: Will sie mit dem rechten Populismus weitermachen oder staatspolitische Verantwortung übernehmen. Ein großer Teil der ÖVP-WählerInnen hat einen konstruktiven Zugang beim Thema Integration, ist also ansprechbar für einen progressiven Patriotismus. Wenn die Linke hier ein vernünftiges Angebot macht, wird es für die ÖVP schwierig werden, sich weiter als „vernünftiger“ Pol zwischen einer xenophoben Rechten und einer „weltfremden“ Linken zu präsentieren. Es ist diese integrationspolitische Bruchlinie innerhalb der ÖVP, die die Chance auf eine neue Hegemonie beim Integrationsthema birgt. Und es ist ein neuer Integrationsvertrag auf Grundlage eines progressiven Patriotismus, der das Zeug dazu hat, diese Bruchlinie offenzulegen.
Der Umgang mit der Staatsbürgerschaft wird zu einem Paradoxon.
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Wie will man sich integrieren, wenn einem gleichzeitig die Staatsbürgerschaft verwehrt bleibt? Um sich integrieren zu können muss man auch die Chance haben, sich integrieren zu können, und die hat man nicht.
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Demokratisch könnte in absehbar Zeit der Fall eintreten das niemand mehr gewählt werden kann, weil es niemanden gibt der noch wählen könnte. Das wäre dann das Ende der Demokratie.
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Gelöst werden könnten all die Problem mit einer Wohnbürgerschaft die dann auch den Demokratischen Zugang erlauben würde. Im Idealfall wäre der einzige reale unterschied zwischen Staatsbürgerschaft und Wohnbürgerschaft jener das es leichter möglich sein sollte, diese abzuerkennen. Damit würde das Hauptargument gegen die Staatsbürgerschaft wegfallen, die von den konservativen und rechten Politik als Einwand dagegen verwendet wird.
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Mit der Wohnbürgerschaft sollte auch die Problematik der Doppelstaatsbürgerschaft erledigt sein. Österreich zählt zu den restriktivsten Ländern der Welt. Mit allen Nachteilen die sich daraus ergeben sowohl für die Betroffenen als auch die Gesellschaft.