Das Corona-Reiseverbot trennte mit 17. März Familien und Liebespaare. Obwohl es nun Ehepartnern und Personen innerhalb der EU wieder möglich ist, sich zu besuchen, gilt das nicht für Partner aus sogenannten Drittstaaten. Sie dürfen nach wie vor nicht in die EU einreisen. Während sich die EU-Kommission für eine offenere Regelung einsetzt, schweigt die österreichische Bundesregierung. Gesellschaftlicher Druck formiert sich nun durch die Kampagne #Loveisnottourism (deutsch: Liebe ist nicht Tourismus). Kontrast.at hat mit der Österreicherin Claudia Z. gesprochen, die persönlich betroffen ist.
Nach dem Ende der Grenzschließungen während der Corona-Pandemie kann innerhalb der EU wieder gereist werden. Auch der Tourismus geht wieder in Saison: Sogar der Ballermann auf Mallorca ist gut besucht. Trotzdem gelten nach wie vor strenge Reisbeschränkungen für nicht verheiratete Paare. Aus sogenannten Drittstaaten ist es Personen weiterhin fast unmöglich, ihre Partner innerhalb der EU zu besuchen. Zu den Drittstaaten zählen alle Länder, die nicht in der EU oder im europäischen Wirtschaftsraum (EWR) sind. Nicht EU, aber EWR-Länder sind etwa Island, Norwegen oder Liechtenstein.
#Loveisnottourism: Liebe ≠ Tourismus
Anfang Juli war Dänemark das einzige EU-Land, das es auch unverheirateten Partnern aus anderen Ländern als der EU ermöglichte, sich zu besuchen. Natürlich nur wenn ein negativer Corona-Test vorlag. Kann also ein US-Bürger seine Beziehung mit einer Dänin nachweisen und ist Covid-negativ, darf er einreisen.
Will ein US-Bürger seine Partnerin oder seinen Partner in einem anderen EU-Land besuchen, ging das Anfang Juli nicht – zumindest nicht ohne Trauschein. Die Frage, die sich stellt: Ist eine Partnerschaft weniger wichtig, wenn man nicht verheiratet ist? Und hat Tourismus Vorrang vor dem Wiedersehen von Liebespaaren?
Protest formiert sich
Unter dem Hashtag #Loveisnottourism oder #Loveisessential – „Liebe ist nicht Tourismus“ bzw. „Liebe ist wesentlich“ – machten daher viele Betroffene in den sozialen Medien auf dieses Problem aufmerksam.
„Man denkt zunächst nicht daran, dass so viele in der gleichen Situation sind“, sagt die Österreicherin Claudia Z. Sie vernetzte sich Anfang Juli unter dem Hashtag #Loveisnottourism auf Instagram, sowie in der Facebook-Gruppe „Love Is Not Tourism“. Und Claudia Z. ist bei weitem nicht die einzige in dieser Situation: Die Gruppe zählt fast 13.500 Mitglieder und um die 200 Beiträge pro Tag! [Stand 29.07.2020]
Die Österreicherin Claudia Z. kennt ihren Partner Brendon aus Kalifornien bereits seit vier Jahren. Im Gespräch mit Kontrast.at erklärt sie, dass man “durch die Hölle geht”, wenn man nicht weiß, wann man den Partner wiedersehen kann.
Mitte Juli machte auch eine Userin namens Xristina S. auf das Problem mit der Einreise aus dem EU-Drittstaat USA aufmerksam und startete eine Online-Petition:
„Das Verbot für die EU aus den USA sollte nur 30 Tage betragen. Jetzt ist es der 12. Juli. Das Verbot ist immer noch in Kraft. Die EU hat auch ein Verbot für die USA erlassen (ein Enddatum ist nicht in Sicht). Binationale Paare [Anm.: Paare aus 2 unterschiedlichen Ländern] verdienen es, wieder vereint zu werden. Es ist weder fair noch human, dass Prominente und Sportler das Recht haben, zu reisen und Tourismus zu betreiben, aber binationale Paare können sich nicht wiedervereinigen? Ich dachte, wir leben im Jahr 2020, wenn uns unsere Menschenrechte nicht weggenommen werden.“
Unterstützung durch die EU
Unterstützung kommt auf europäischer Ebene: Die schwedische EU-Kommisarin für Inneres, Ylva Johansson setze ein starkes Zeichen für die Kampagne #Loveisnottourism. In einem Tweet fordert sie die 30 EU bzw. Schengen-Staaten auf, bei der Einreisekontrolle “eine möglichst weite Definition von Partnerschaften” anzuwenden. So sollen Ausnahmen von den geltenden Beschränkungen gewährt werden, um die Einreise von Partnern aus Drittstaaten in die EU zu ermöglichen. Die letzte Entscheidungsmacht liegt allerdings bei jedem Nationalstaat selbst.
Österreichische EU-Delegation unterstützt den Aufruf
Auch die SPÖ-Delegation im Europaparlament unterstützt die Kampagne #Loveisnottourism in den sozialen Medien.
Aber nicht nur auf Instagram: In einem offenen Brief wandte sich die EU-SPÖ Delegation an den österreichischen Außenminister Alexander Schallenberg und Innenminister Karl Nehammer. Österreich solle dem Vorbild Dänemarks folgen. Dieser blieb bis jetzt unbeantwortet.
„Viele binationale Paare, die nicht verheiratet sind oder deren gleichgeschlechtliche Heiratsurkunde nicht anerkannt wird, hatten monatelang keine Gelegenheit, einander zu sehen und auch jetzt bleibt diese Möglichkeit vielen verwehrt. Dies betrifft auch verheiratete Paare im Ausland, die nicht gemeinsam einreisen können”, sagt SPÖ-EU-Delegationsleiter Andreas Schieder.
Auch Claudia Z. ließ nichts unversucht: Sie kontaktierte das Sozialministerium, das Bundesministerium für Inneres und auch das Bürgerservice. Abgespeist wurde sie immer mit derselben Antwort: Es gibt jetzt eine neue Einreise-Verodnung und die ist auf der Website des Sozialministeriums einzusehen.
Österreichs neue Corona Einreise-Verordnung ist zahnlos
Die Rede ist hier von der Einreise-Verordnung, die seit Anfang Juli in Kraft ist. Durch einen Antrag der NEOS im Nationalrat soll nun Partnern aus Drittstaaten die Einreise ermöglicht werden.
„Als LebenspartnerInnen zählen für uns alle Menschen, die sich in einer fixen Beziehung befinden, unabhängig davon, ob sie den gleichen Wohnsitz teilen oder wie lange die Beziehung bereits dauert.“, so der Wortlaut auf der Seite des Sozialministeriums. Theoretisch gut, doch in der Praxis wird das nicht umgesetzt. Zahlreiche Erfahrungsberichte online belegen das Gegenteil.
Panne im Ministerium: Keine Englische Version verfügbar
Einerseits findet sich die vereinfachte Corona-Einreise-Verordnung in den FAQs des Sozialministeriums nur auf Deutsch. Das erschwert die Kommunikation mit internationalen Behörden zur Einreise erheblich, wie Claudia Z. erklärt. Der etwas kompliziertere und umfassende Gesetzestext, sowie die allgemeinen Einreisebestimmungen für das Land Österreich gibt es zwar auch auf Englisch. Diese online zu finden, ist aber nicht einfach.
Airlines wissen nicht Bescheid und verweigern Mitreise
Außerdem ist der schwer zu lesende österreichische Gesetzestext als Beweis zur Vorlage für das amerikanische Flughafenpersonal eher unpraktisch. Die Angestellten sind im Zweifelsfall unsicher, ob die Einreise gewährt werden soll, und verweigern dem Passagier die Mitreise.
Bundesregierung sieht sich nicht zuständig
Von offizieller Regierungsseite wurde dazu nicht Stellung bezogen. Im grün geführten Sozialministerium heißt es dazu, man sei nicht zuständig, das Problem liege bei den Airlines. Das türkise Innenministerium schweigt. Gibt es Kommunikationsprobleme zwischen den Ministerien?
Betroffene vergrößern Druck
Nach einem weiteren Aufruf einer Betroffenen via Twitter, meldete sich die Klubobfrau des Grünen Parlamentsklubs und Nationalratsabgeordnete Sigrid Mauerer zu Wort. Sie wies aber jede Verantwortung von sich, und suchte das Problem bei den Fluglinien.
Von Twitter-Usern wurde dies allerdings als Schuldabwälzung bezeichnet. Das tatsächliche Problem wird von der Regierung noch immer nicht angegangen – dabei gibt es eine einfache Lösung, denn in anderen EU-Ländern funktioniert es ja auch.
Vorzeigeland Dänemark
In Dänemark etwa gab es von Anfang an die Möglichkeit, sich durch den dänischen Staat eine eidesstattliche Erklärung zu holen. Diese versichert dann mittels offiziellem Stempel, dass der Partner oder die Partnerin einreisen darf.
„Es braucht eine klare Kommunikation der österreichischen Bundesregierung, sowie die Möglichkeit sich eine eidesstattliche Erklärung auch in Österreich zu holen. Und zwar nicht nur auf Deutsch, sondern auch auf Englisch!“, wie Claudia Z. betont. Schließlich soll diese ja auch international dem Flugpersonal vorgelegt werden können.
Geplant ist, dass Brendon nach monatelangem Warten nächste Woche nun endlich wieder nach Österreich einreisen darf. Claudia Z. berichtet, ihr Freund habe bereits zwei separate Mappen angelegt: Eine für den Abflug in den USA, und eine für die Einreise nach Österreich.
Bestätigungen von offizieller Seite, Nachweise über die Beziehung in Form von Fotos und Chat-Verläufen, persönliche Dokumente: Trotz all diesem Aufwand gibt es aber auch Paare, bei denen es letztendlich leider nicht klappt, so aktuelle Erfahrungsberichte in den sozialen Medien. Das ist nicht nur eine emotionale Achterbahnfahrt, sondern auch ein finanzielles Problem.
2,5 Tausend US-Dollar für ein Ticket ohne Mitfluggarantie
Die Ticketpreise sind durch die Corona-Pandemie enorm angestiegen. Claudias Freund Brendon musste für sein Ticket von Kalifornien nach Österreich rund 2.500 US Dollar bezahlen.
„Das Finanzielle ist viel, aber das nimmst du komplett in Kauf!“, gibt Claudia Z. sich von den Umständen geschlagen. Sie möchte ihren Freund nur endlich wieder sehen. Garantie gibt es allerdings keine. Es sei wie “Glückspiel” und hänge davon ab, wie das Personal am Flughafen die Lage bewertet.
Sollte Brendon den Flug nicht antreten dürfen, bleibt die Rückerstattung offen. Und das obwohl er offiziell gesehen jedes Recht dazu hat, Claudia in Österreich zu besuchen.
Die Kampagne #Loveisnottourism konnte nach Dänemark, auch Erfolge in Schweden, den Niederlanden, Tschechien, Island und Norwegen bekannt geben. Auch wenn sich Österreich ebenfalls auf der Liste wiederfindet: Die Wirklichkeit zeigt, das Problem ist nicht gelöst. Es bleibt zu hoffen, dass auch die Einreise nach Österreich zeitnah funktionieren wird.