Kleine Unternehmen trifft die Corona-Krise mit voller Härte. Unternehmerinnen und ihr Mitarbeiter stehen von heute auf morgen vor einer unsicheren Zukunft. Eine von ihnen ist meine Schwester. Die Konditorin Viola Bachmayr-Heyda ist Inhaberin des Café Viola und Chefin von drei Angestellten – und hofft, dass das so bleiben kann.
Bachmayr-Heyda ist eine von über 40.000 Restaurantbetreiberinnen und Kaffeehausbesitzern, die von den Maßnahmen der Regierung betroffen sind. Zuerst hat ihr die Schließung keine schlaflosen Nächte bereitet, erzählt sie uns. Wir besuchen sie am Samstag in ihrem Geschäft – natürlich mit Sicherheitsabstand. Bachmayr-Heyda hat nicht viel Zeit zum Plaudern, die Nachfrage nach ihren Süßspeisen ist groß, die Schlange hinter uns bildet sich mit Sicherheitsabstand bis auf die Straße.
Seit einer Woche hat ihr Geschäft wieder geöffnet. An drei Tagen die Woche versorgt sie ihre Gäste mit Süßigkeiten für zu Hause. “Die Nachfrage ist weitaus größer als erwartet. Am ersten Tag waren wir nach drei Stunden bis auf das letzte Stück Bananenbrot restlos ausverkauft”, freut sich Bachmayr-Heyda. Ihr ist es wichtig, auch jetzt für ihre Stammgäste da zu sein.
“Natürlich braucht man keinen Kuchen zum Überleben. Aber man hat richtig gemerkt, wie schön es für die Gäste ist, sich ein Stück Normalität mit nach Hause in die Isolation nehmen zu können.”
“Eigentlich wäre alles gut gegangen”
Natürlich ist sie – wie alle – zuerst einmal erschrocken, als sie von den Schließungen gehört hat. Aber sie musste sich eigentlich keine Sorgen machen. “Ich habe schon bei der Eröffnung eine Seuchenschutz-Versicherung abgeschlossen.” Das ist keine seltene Versicherung in der Gastronomie. Sie greift zum Beispiel dann, wenn es einen Fall von Salmonellen in einem Lokal gibt und dieses deswegen kurzfristig schließen muss. Die Versicherung springt ein und gleicht 30 Tage lang den Umsatz-Entgang aus. So wäre es auch mit Corona gewesen. Eigentlich.
“Ich musste mir keine Sorgen machen. Die Versicherung, die ich seit anderthalb Jahren zahle, hätte mich voll abgesichert.” Der Rahmen von 30.000 Euro hätte dafür gut gereicht. Zuerst sagt die Versicherung auch zu. Viola Bachmayr-Heyda ist froh. Das bedeutet, dass sie und ihre sechs Mitarbeiterinnen gut durch die Krise kommen. Zehn Tage später kommt das Schreiben: Keine behördliche Schließung, keine Versicherung.
Was in der Zwischenzeit passiert ist? Die Regierung hat das Epidemiegesetz am 15. März gekippt. Anstatt eine Schließung anzuordnen, sprachen Sebastian Kurz und Rudolf Anschober ein Betretungsverbot für Lokale aus. Auf den ersten Blick ist der Effekt der gleiche: Keine Gäste, kein Geschäft. Aber das Epidemiegesetz hätte einen rechtlichen Entschädigungsanspruch für Unternehmen garantiert, die aufgrund der Verordnungen einen finanziellen Schaden erlitten haben. Das neue Corona-Paket hebt diese Rechtssicherheit auf. Entschädigungsansprüche sind sogar ausdrücklich ausgeschlossen.
COVID-19-Gesetz: Verfassungswidrigkeit wird geprüft
Tags zuvor, nämlich am 14. März, wurden in Tirol Gaststätten nach dem (damals noch gültigen) Epidemiegesetz behördlich geschlossen. Nach Paragraph 32 steht allen eine “Vergütung für den Verdienstentgang” zu. Die Regierung sieht das anders. Sie will auch die Tiroler Gastwirte und Hotelbesitzerinnen nach dem COVID-19-Gesetz abwickeln. Man argumentiert, der Härtefallfonds decke die Entschädigungsansprüche ab. Eine Menge Wirte und deren Anwältinnen und Anwälte sehen das anders. Außerdem gibt es auf keine der Corona-Wirtschaftshilfen einen Rechtsanspruch. Die ersten Klagen werden bereits vorbereitet.
Neben den Tiroler Fällen herrscht die allgemeine Rechtsauffassung, dass die Betretungsverbote nach Corona-Gesetz bzw. die Abwicklung der Regierung bundesweit rechtlich nicht halten wird. Für Viola Bachmayr-Heyda ist das ein schwacher Trost: Denn hebt der Verfassungsgerichtshof die Bestimmungen auf, profitieren nur diejenigen, die noch vor Beschluss rechtzeitig gegen die neuen Maßnahmen geklagt haben – auf gut Glück sozusagen. Das heißt vor allem: Noch mehr Papierkram. Und davon hat die gelernte Konditorin bereits mehr als genug.
Aber bitte mit extra Bürokratie
“Nach zwei Tagen WKO-Formularen war ich war kurz davor, doch noch alle Angestellten abzumelden”, erzählt sie mit einem Augenzwinkern. “Das hätte ich natürlich nie getan; aber der Aufwand war kaum zu meistern für mich.” Bachmayr-Heyda organisiert ihr Büro alleine. Sie hat alles dafür getan, ihre Angestellten zu behalten. “Aber von der angekündigten unbürokratischen Hilfe kann nicht die Rede sein.”
“Meine drei fest Angestellten konnte ich durch die Kurzarbeit behalten. Die drei geringfügigen Samstags-Aushilfen musste ich leider abmelden. So können sie wenigstens Mindestsicherung beantragen.”
Dann erfährt sie von ihrer Steuerberaterin, dass keines der eilig geschnürten Hilfspakete für sie greifen wird. Wie es nun weitergehen soll, weiß sie selbst noch nicht. Dass es den Gassenverkauf an drei Tagen die Woche überhaupt gibt, hätte eine falsche Information der WKO fast verhindert, erzählt die Selbstständige. “Ein Herr von der WKO hat mich zwar freundlicherweise zurückgerufen, aber mir leider die falsche Information gegeben. Laut ihm müssten Konditoreien und auch Bäckereien mit einer saftigen Strafe rechnen, wenn sie ihre Geschäftslokale für den Gassenverkauf öffnen. Ich habe mich gewundert, weil Bäckerei-Ketten ja auch weiterhin ihre Filialen offen halten: Das muss doch für kleine Unternehmen auch gelten? Auf der Homepage der WKO habe ich dann zum Glück die richtige Antwort gefunden.” Seither macht sie mit dem Gassenverkauf zumindest ein bisschen Umsatz.
Ein schwacher Trost
Dass die Regierung keine staatliche Schließung angeordnet hat, kann sie sogar verstehen. Nicht nur die privaten Versicherungen wären dann zur Kasse gebeten worden, auch der Bund hätte gehaftet. Auf der anderen Seite hat sie allerdings kein Verständnis dafür, dass Kanzler Kurz sich mit den milliardenschwerden Paketen als Retter in der Not inszeniert.
“Ich hätte kein Geld vom Bund gebraucht! Ich hätte das Geld von meiner privaten Versicherung gekriegt.”
Wie viele kleine, neu eröffnete Geschäfte hat sie keinen Anspruch auf den Härtefallfonds der Regierung, wie sie uns erklärt. Die Zahlungen daraus erfolgen nach dem Einkommen aus 2017. Damals war Bachmayr-Heyda noch angestellt und nicht selbstständig – sie fällt durchs Raster. Auch für den Fixkostenzuschuss kommt sie nicht infrage: Die Voraussetzung hierfür wäre ein Umsatzverlust von 40 Prozent für 2020 im Gegensatz zum Vorjahr. “Mit 40 Prozent weniger Umsatz müsste ich schließen, da brauch ich dann auch keine Wirtschaftshilfe mehr.”
Dass sich die Kriterien für die Wirtschaftshilfen noch ändern, glaubt sie momentan nicht. Auch wenn die Regeln ständig geändert werden. “Der Drops ist gelutscht. Ich werde kein Geld mehr sehen. Das Geld geht an andere. Saison-Betriebe und die Event-Branche zum Beispiel.” Auch das kann sie verstehen. Aber:
“Uns fehlt das Geld, das wir jetzt nicht verdienen, auch langfristig. Da helfen auch keine Kredite und keine Stundungen. Ich werde das Geld, das ich jetzt nicht verdiene, auch in drei Monaten nicht haben”
Denn den Hauptumsatz macht sie als Konditorin im Frühling und im Herbst. Im Sommer wollen die Menschen Eis und Pommes, im Winter wollen sie am liebsten nicht aus dem Haus gehen. “Ich muss das ganze Jahr über gut wirtschaften und von dem leben, was ich im Frühling und Herbst verdiene. Das fällt jetzt weg. Ich will nicht undankbar klingen, aber daran ändern auch 1.000 Euro Akuthilfe nichts.”
Was ihr und den vielen kleinen Unternehmen wirklich helfen würde? “Eine Senkung der Kosten auf Zeit. Ein Erlass der Lohnkosten bis zum Jahresende würde uns kleinen Unternehmen jetzt mehr helfen als Haftungen für große Kredite, die niemand zurückzahlen können wird. Die Gäste werden den nicht gegessenen Kuchen nicht im Juli nachholen.” Man kann nicht alle per Soforthilfe retten, so viel ist klar. “Ich wünsche mir vor allem, dass nicht nur die große Hotellerie und die Reisebüros profitieren. Aber wenn ich mir die Vorgaben so anschaue, dann wird das wohl passieren.”
Viola Bachmayr-Heyda hat vor anderthalb Jahren ihr Café Viola in der Strozzigasse 42 eröffnet. Nach der Matura hat die gebürtige Vorarlbergerin die Lehre zur Konditorin im Café Central absolviert. Sie war Chefpâtissier bei Joseph Brot und Rien und hat sich 2018 mit dem kleinen Unternehmen im achten Wiener Bezirk den Traum von einem eigenen Kaffeehaus erfüllt. Corona bedroht diesen Traum nun.
Nicht nur Unternehmerinnen, sondern auch Unternehmer sind von den Schließungen betroffen.