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Kontrast
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„Wir können uns bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege leisten, nur der politische Wille fehlt“

Patricia Huber Patricia Huber
in Politik
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12. November 2021
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Die Gesundheitsberufe sind am Limit. Am Mittwoch zu Mittag haben sie in ganz Österreich mit einer Protestaktion auf ihre Lage aufmerksam gemacht und bessere Arbeitsbedingungen eingefordert. „5 nach 12“ nennt sich der verzweifelte Aufschrei der überlasteten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Silvia Rosoli, Leiterin der Abteilung Gesundheitsberufe und Pflegepolitik der Arbeiterkammer, erklärt im Gespräch mit Kontrast, warum es endlich mehr Geld für die Pflegeberufe braucht. Und warum die Gesundheitsberufe körperlich und psychisch am Ende sind.  

Diese Woche haben die Gesundheitsberufe in Österreich protestiert. „5 nach 12“ nannten sie ihren Hilfeschrei. Was ist da los?

Rosoli: Mit der Pandemie sind die Probleme im Pflegebereich unbeschreibbar geworden – in den Krankenhäuser sowie in der stationären und mobilen Langzeitpflege. Zu wenig Pflegepersonal hat es schon vorher gegeben, darauf haben wir auch schon seit Jahren aufmerksam gemacht, aber durch Corona hat sich das so verschlimmert, dass viele in den Gesundheitsberufen wirklich am Ende sind.

Die Betriebsrätinnen erzählen mir, wie Pflegekräfte weinend bei ihnen sitzen, weil sie es  nicht mehr aushalten. Weil die ohnehin schon hohe Arbeitsbelastung durch ständige, kaum planbare Mehrarbeit zunimmt. Mehr als sechs von zehn Befragten arbeiten regelmäßig mehr, als in ihrem Arbeitsvertrag vereinbart ist. Die Gründe dafür liegen in Corona-bedingten Zusatzaufgaben, aber auch in Krankenständen und Kündigungen von Kolleginnen und Kollegen.

Und angesichts dieser Entwicklungen denken immer mehr ans Aufhören?

Rosoli: Die Ergebnissen unserer letzten Umfrage sind erschreckend. Von 7.000 TeilnehmerInnen haben uns 1.600 Textantworten geschickt, aus denen die pure Verzweiflung spricht. Jede zweite Pflegekraft denkt darüber nach, den Job zu wechseln. Und viele machen es auch, sie wechseln den Job oder schlittern ins Burnout und fallen lange aus. Das sieht man an geschlossenen Stationen in den Pflegeheimen und den Krankenhäusern.

Die können den Betrieb nicht mehr aufrechterhalten, weil ihnen schlicht und einfach die Pflegekräfte fehlen, die die Arbeit machen.

In der Pflege arbeiten über 80 Prozent Frauen. Sie sind harte Arbeitsbedingungen gewohnt und beschweren sich wenig, weil sie ein hohes Verantwortungsbewusstsein haben. Aber irgendwann geht es nicht mehr. Sie müssen ständig einspringen, es hält kein Dienstplan mehr, die haben kaum Freizeit zum Verschnaufen und es gibt keine Aussicht auf Verbesserung. Die Lage ist besorgniserregend, denn wenn es den Beschäftigten im Gesundheitsbereich und der Langzeitpflege schlecht geht, dann geht es auch den Patienten und Patientinnen nicht gut.

Dabei ist gerade die Pflege doch ein sehr angesehener Beruf …

Rosoli: Das Besondere ist, dass Gesundheitsberufe wie die Pflege sehr schöne Berufe sind und die Beschäftigten ihre Arbeit eigentlich sehr gerne machen und sehr sinnvoll finden. Aber die Arbeitsbedingungen sind so schlecht, dass die Beschäftigten das Gefühl haben, den Ansprüchen an ihre eigene Arbeit nicht mehr gerecht zu werden.

Dieses ständige Arbeiten unter Zeitdruck – sie können die Pflege nicht mehr so leisten, wie sie das gerne würden. So wie sie es gelernt haben, dass man pflegt – dafür haben sie in der Regel keine Zeit, weil dafür das Personal fehlt.

Was hat sich in den letzten beiden Jahren getan?

Rosoli: Seit Jahren gibt es viele Forderungen um die Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen der Pflege zu verbessern.  Gewerkschaften, Arbeiterkammer und Ärztekammer haben dem Gesundheitsminister 2020 einen umfassende Forderungskatalog übergeben, der auch Sofortmaßnahmen zur unmittelbaren Entlastung der Beschäftigten enthält. Eine Allianz mit den Arbeitgebern, großen Trägern und Arbeitnehmervertretungen hat zuletzt im Sommer einen offenen Brief und Ende Oktober in einer Pressekonferenz auf die dramatischen Umstände hingewiesen. Immer wieder sind wir vertröstet worden – wegen Corona. Aber das hängt ja ganz eng zusammen: Die Krise des Gesundheitspersonal kann man nicht irgendwann nach Corona lösen, die ist jetzt akut.

Das macht mich schon fassungslos. Es braucht so viel mehr Druck auf die politische Ebene, damit sie ins Tun kommen. Vorschläge gibt es zu Hauf, aber es braucht endlich Verhandlungen und Geld seitens des Finanzministers. Im Budget für 2022 sind jedenfalls nicht genug Mittel vorgesehen. Das ist nicht einmal der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein. Für den dringend notwendigen Ausbau von Pflegeleistungen braucht es im Pflegefonds viel mehr Geld. Dafür braucht es aber auch viel mehr Personal, das nur mit guten Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen gewonnen und gehalten werden kann.

Es braucht also viel mehr Geld?

Rosoli: Angesichts der demografischen Entwicklungen ist schon allen klar, dass es mehr Pflegedienstleistungen braucht. Aber diese müssen auf finanziert werden. Und diese Investitionen lohnen sich auch, da sie nicht nur gute Pflege für die Menschen bringt, sondern auch sinnstiftende und sichere Arbeitsplätze schafft. Vor allem in ländlichen Regionen stärkt das auch die Wirtschaft. Studien von WIFO und IHS bestätigen die Sinnhaftigkeit der Investitionen in die Pflege. Auch die Pandemie führt uns das gerade drastisch wieder vor Augen. Ohne gute Gesundheitsversorgung ist keine gute Wirtschaft möglich.

Wie müssten sich die Arbeitsbedingungen konkret verbessern?

Rosoli: Als Beispiel: In einem Pflegeheim ist eine Pflegeassistentin im Nachtdienst für 80 pflegebedürftige Menschen verantwortlich. Wenn eine Bewohnerin läutet und Unterstützung beim Klogehen braucht, ein anderer Bewohner mit demenziellen Veränderungen gerade sein Zimmer verlässt und die Nachbarin ohne ersichtlichen Grund aufweckt und damit erschreckt, eine dritte Bewohnerin läutet, weil sie Schmerzen hat und so weiter und sofort. Welchem Druck und Stress man da allein ausgesetzt ist, kann man sich an diesem Beispiel gut vorstellen. Das darf nicht sein. Es darf keine Nachtdienste allein geben.

Insgesamt braucht es bessere Personalschlüssel, mehr Zeit für die PatientInnen und stabile Dienstpläne. Dafür muss es seitens des Finanzministers ausreichend Geld geben, damit pflege- und betreuungsbedürftige Personen menschenwürdig versorgt werden können. Das kann sich unsere Gesellschaft leisten – und ich glaube, das will sie auch. Was fehlt, ist der politische Wille dafür.

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In keinem Land der Eurozone ist Vermögen so ungleich verteilt wie in Österreich. Die reichsten 1 Prozent besitzen 41 Prozent des gesamten Vermögens, während die ärmere Hälfte Österreichs zusammen nur 3 Prozent des Vermögens besitzt. Der Großteil der Superreichen ist nicht durch harte Arbeit oder kluge Geschäftsideen zu Reichtum gekommen, sondern hat sein Vermögen geerbt. Auf diese gigantischen Erbschaften zahlen sie außerdem keinen Cent Steuern. Der Sozialökonom Stephan Pühringer argumentiert, dass diese Ungleichheit Gift für unsere Gesellschaft ist. Immer mehr Geld und Macht sind in der Hand von einigen wenigen konzentriert, während der Rest der Bevölkerung durch eigene Arbeit kaum mehr zu bescheidenem Wohlstand kommt. Zitat: Das Verhältnis zwischen Superreichen und dem Rest der Bevölkerung ist komplett aus dem Lot geraten. Gigantische Vermögen werden ohne jegliche Leistung oder Besteuerung vererbt. Das gefährdet den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Stephan Pühringer

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