Portugal wählt kommenden Sonntag. Die Sozialisten unter António Costa liegen in den Umfragen weit vorne. Die Wähler sind zufrieden mit seiner Regierung und wollen eine Neuauflage.
Portugals Wahlen am Sonntag bringen wenig Spannung mit sich: Die Sozialistische Partei (PS), mit ihrem Vorsitzenden António Costa, wird gewinnen. Costa hat vier Jahre lang die Minderheitsregierung geführt. Unterstützt wurde seine Partei vom Linksblock und einer Koalition aus der Kommunistisch-Grünen Partei.
Die einzige offene Frag bei dieser Wahl ist: Wie hoch werden Costas Sozialisten gewinnen?
Wird Costa durch eine klare Mehrheit belohnt, sodass die Sozialisten eine Alleinregierung bilden könnten? Oder wird Costa erneut die Unterstützung anderer Parteien suchen müssen, um eine Minderheitsregierung bilden zu können?
Die Meinungsumfragen der letzten Monate deuten darauf hin, dass die portugiesischen Wähler der PS die absolute Mehrheit im Parlament verweigern könnten – um ein paar wenige Sitze. In den jüngsten Umfragen stehen die Sozialisten bei 35,5 Prozent. Die größte Oppositionspartei, die Mitte-Rechts Partei, liegt bei 28,9 Prozent.
Viel Zuspruch für vorherige linke Minderheitsregierung
Wenn die Wahlen am Sonntag tatsächlich so ausgehen, wird die PS enttäuscht sein, weil sie nicht alleine regieren kann. Aber das ist nicht unbedingt ein Zeichen von mangelndem Zuspruch. In Wahrheit stehen die Portugiesen Alleinregierungen sehr skeptisch gegenüber. Außerdem hat sich das Parteien-System in den letzten zehn Jahren stark fragmentiert.
Wichtiger ist, dass den Wählern das Ergebnis von Costas Mitte-Links Regierung sehr bewusst ist:
Portugal ist politisch stabil und der Lebensstandard ist in den letzten vier Jahren gestiegen. Das heißt: Die Portugiesen wollen sicher gehen, dass die innovative Minderheitsregierung aus den vier Parteien weiter geht – auch darum geben sie der PS keine absolute Mehrheit.
Als Costa im Herbst 2015 seine Minderheitsregierung mit Unterstützung von Links vorstellte, glaubten weniger Beobachter daran, dass die Regierung auch nur ihr erstes Budget überleben würde. Die Erwartungen waren niedrig, die Opposition nannte die Regierung abwertend geringonça (Flickwerk) – und rechnete mit dem baldigen Ende.
Sozialisten in Portugal wurden zum Vorbild für europäische Sozialdemokraten
Doch Costas Regierung hat sich als sehr widerstandsfähig erwiesen. Berlin und Brüssel versuchten, Portugal wieder auf Austeritäts-Kurs zu bringen. Doch die Regierung konnte das verhindern. Portugal hat es geschafft, dass die Europäischen Kommission vier Bugdets zustimmt. Das Parlament hielt für die gesamte Periode und die portugiesischen Sozialisten wurden zum Vorbild für die Sozialdemokraten in ganz Europa. Premierminister Costa formuliert es so: “Es ist vielleicht ein Flickwerk, aber es funktioniert!”.
Die Regierung hatte auch Glück und ein gutes Timing. Aber hauptsächlich war es das Regierungsprogramm, das die Sozialisten verhandelt haben – samt dem politischen Stil. Diese Regierung war keine typische Koalition, aber auch keine klassische Minderheitsregierung.
Die “Quasi-Koalition” angeführt von der PS hat es allen Parteien ermöglicht, politisch viel umzusetzen und ihre eigene Identität zu wahren. Die Sozialisten haben alle Regierungsämter besetzt, die Budgets mit der Europäischen Kommission verhandelt und die Rolle der “Erwachsenen im Raum” gespielt – sie sorgten dafür, dass die Budgetdisziplin eingehalten wird.
Diese Rolle hat der Linksblock nicht eingenommen. Und die Grünen? Die waren gleichzeitig Regierung und Opposition: Sie brüsten sich mit Erfolgen wie dem höheren Mindestlohn, höheren Pensionen und anderen populären Maßnahmen wie gratis Schulbüchern. Bei anderen Themen hingegen haben sie die Sozialisten von António Costa scharf kritisiert. Beispielsweise wenn die PS in Infrastruktur und öffentliche Dienstleistungen investiert, aber Lehrergehälter nicht erhöht hat.
Hinter den Kulissen war die Zusammenarbeit zwischen den vier Parteien eng und routiniert. Tatsächlich hatte diese Regierung sehr viel von einer klassischen Koalition. Der Unterschied: Die unterstützenden Parteien stellten keine Minister und Ministerinnen. Beim Budget und anderen wichtigen Gesetzen hingegen haben sie dafür detailliert mitgearbeitet.
Alles eine Frage von Ambition und Verhandlungsgeschick
Um das Funktionieren der Regierung und vor allem das Absegnen von vier Haushaltsplänen zu gewährleisten, traf sich der sozialistische Minister für parlamentarische Angelegenheiten, Pedro Nuno Santos, täglich mit den Sprechern der anderen Parteien. Und wenn es zwischen dem Linksblock und den Kommunisten grobe Differenzen gab, traf man sich separat, um gut zu verhandeln. Auch die sozialistischen Abgeordneten wurden ständig am Laufenden gehalten, um über die Vorhaben Bescheid zu wissen. Ergänzt wurde das alles mit regelmäßigen Gesprächen mit Ministern und Ministerinnen in den Parlamentsausschüssen – und Treffen zwischen Premierminister und Partei-Obleuten.
Dass das “Flickwerk” so flüssig funktioniert hat, erforderte also einen neuen Politikstil. Dabei ging es nicht um Führung allein, sondern um Dialoge, Geduld, Verhandeln und Konsensfindung. Also alles eher unglamouröse Faktoren.
Natürlich war das arbeitsintensiv und hat den Beteiligten viel Zeit und Geduld abverlangt. Und die Sozialisten hat es auf Trab gehalten. Aus diesem Grund führt die PS einen kämpferischen Wahlkampf – in der Hoffnung, eine Neuauflage eines so aufwendigen „Flickwerks“ vermeiden zu können.
Komischerweise deuten die Umfragen jedoch darauf hin, dass genau dieses Ergebnis von den meisten Wählern befürwortet wird – die Sozialisten blieben an der Macht, würden aber weiter auf Trab gehalten.
Der Artikel ist zuerst auf der Seite Social Europe erschienen. Kontrast.at hat ihn ins Deutsche übersetzt.
Eunice Goes ist Professorin für Politik an der Richmond American International University in London.