Die ÖVP-geführte Bundesregierung verwendet viel Energie und Geld darauf, sich als Krisenmanager zu verkaufen. Große Versprechen landen – am liebsten verkündet vom Kanzler persönlich – auf den Titelseiten der Tageszeitungen. Wenn diese jedoch im Nichts versickern, lesen wir nichts mehr darüber. Hinzu kommen teure Pandemie-Projekte ohne Wirkung, verschleppte Entscheidungen und Gesetze – und schlicht peinliche Fehler bei deren Umsetzung. Wir haben all das zusammengefasst. Es ist eine lange Liste an Kardinalfehlern, die die Regierung am liebsten unter den Tisch kehren würde.
Keine Konsequenzen trotz grober politischer Fehler
- März 2020: Am 13. März 2020 trägt die Flucht von Tourist:innen aus Ischgl und anderen Ski-Regionen in Tirol dazu bei, dass sich das Corona-Virus in ganz Europa verbreitet. Die Regierung kündigt zwar massenwirksam per Pressekonferenz eine Quarantäne für Regionen an, doch der Tiroler Krisenstab ist nicht rechtzeitig informiert, um diese vorzubereiten. Öffentlich bekannt wird das im August 2021 nach der Einvernahme des Tiroler Landeshauptmanns Günther Platter (ÖVP) durch ermittelnde Staatsanwält:innen.
- November 2020: Ein islamistischer Terrorist erschoss vier Menschen und verletzte 23 teils. Der Mann war schon vor dem Anschlag amtsbekannt und saß wegen Mitgliedschaft in der Terrororganisation IS in Haft. Nachdem er auf Bewährung aus dem Gefängnis entlassen wurde, kamen Innenministerium und Polizei nicht auf die Idee den Mann zu beobachten.
Als er sich im Juli 2020 in der Slowakei Munition für seine Kalashnikov besorgen wollte, informierten die Behörden des Nachbarlandes die österreichische Polizei wenige Tage später über den Vorfall.
Im Oktober 2020 erging von den slowakischen Behörden ein umfassender Bericht über den Terroristen an die österreichische Europol-Dienststelle, wie der Standard berichtete.
Seitens Nehammers Innenministerium und seiner Beamten erfolgte keinerlei Reaktion, der Mann konnte das Attentat ungestört vorbereiten und durchführen.
Die Regierung lässt Zeit verstreichen – obwohl sie schnell handeln müsste
- September 2020: Um den Corona-Fixkostenzuschuss an Unternehmen auszahlen zu können, braucht es eine Genehmigung von Seiten der EU. So regelt es das Beihilfenrecht. Doch der Antrag, den Finanzminister Blümel und seine Beamten nach Brüssel schicken, ist mangelhaft. Folglich lässt die Genehmigung auf sich warten. Hunderte Betriebe warten Monate auf die Auszahlung des Zuschusses.
- März 2021: Ansteckungen am Arbeitsplatz spielten vor dem Zugang zu Corona-Impfstoffen eine große Rolle in der Pandemie. Home Office war und ist eine Möglichkeit, Ansteckungen zu vermeiden. Das zeigt auch eine Studie der Universität Mannheim. Eine einheitliche Home-Office-Regelung, die allen Beschäftigten und Arbeitgeber:innen Sicherheit gibt, legt die Regierung erst im März 2021 vor. Ein Recht auf Home-Office gibt es weiterhin nicht. Auch während Corona müssen die Arbeitgeber:innen zustimmen, wenn jemand von zu Hause arbeiten möchte.
- August 2021: Die Sicherheitskonzepte an Schulen sind holprig – das empfohlene Stoßlüften während des Unterrichts führte im Winter 2020 mitunter dazu, dass Volksschüler:innen mit Jacken und Hauben an den Tischen saßen. Dass Luftfilter eine gute ergänzende Schutzeinrichtung sind, ist bekannt. Vor Beginn des 3. Corona-Schuljahres sind diese jedoch immer noch nicht breit beschafft. Im August 2021 – 4 Wochen vor Schulstart – beginnt das Bildungsministerium eine Bedarfserhebung an den Schulen. Als Rahmen macht das Faßmann-Ministerium 10 Millionen Euro Ausgaben für maximal 40.000 Stück aus. Die Probleme: Im August sind die Schulbüros häufig nicht besetzt, um ihren Bedarf anzumelden. Weiters bedeutet das festgesetzte Budget, dass ein Gerät maximal 250 Euro kosten darf – was die Luftfilter-Hersteller als unrealistisch niedrigen Preis bezeichnen.
- September 2021: Im Juli 2021 lässt die Regierung die Sonderbetreuungszeit für Eltern auslaufen, für das neue Schuljahr ist keine bezahlte Freistellung für Eltern von Quarantäne-Kindern geplant. Wie im Jahr zuvor machen Arbeitnehmervertreter:innen Druck und die Regierung lenkt ein. Drei Wochen Sonderbetreuungszeit soll es geben – doch erst ab Oktober 2021. Das Problem: Schon im September gibt es Quarantäne-Fälle. 8.000 Kinder betrifft es insgesamt. Die Eltern sind gezwungen, Urlaubstage zu verbrauchen, um ihre Kinder zu betreuen – sofern Arbeitgeber:innen es erlauben.
Schlechte Entscheidungen – mit hohen Kosten
- März 2020: Mit der “Stopp Corona App” sollen Bürger:innen ihre Begegnungen mit anderen dokumentieren. Das soll das sogenannte Contact Tracing verbessern – um Infektionsketten zu unterbrechen. Die App kostet, so wird angekündigt, zwei Millionen Euro. Die technische Weiterentwicklung stockt. Mit Stand September 2020 haben weniger als eine Million User:innen die App installiert. Wie viel sie auch tatsächlich nutzen, weiß man aber auch nicht.
- Juni 2020: Die Bundesregierung hat der AUA, einer Tochter des deutschen Luftfahrtkonzerns Lufthansa, 450 Millionen Euro Staatshilfen zugesprochen. Eine Staatsbeteiligung oder eine Jobgarantie als Bedingung gab es nicht. Nun werden 1.350 Vollzeit-Stellen abgebaut. In Deutschland hat sich der Staat in der Krise an Lufthansa-Group beteiligt und verkauft nun die Anteile wieder. Der Gewinn, der sich daraus für die Steuerzahler ergibt, ist im dreistelligen Millionenbereich.
- November 2020: Am 30. November 2020 startete das Wirtschaftsministerium die Online-Plattform “Kaufhaus Österreich”. Man würde, so das Versprechen, heimische Online-Shops unterstützen – indem man sie auf der Seite zusammenführt. Kund:innen würden so einfach österreichische Produkte bestellen können. Doch das „Kaufhaus“ hat Macken: So funktioniert die Suchfunktion nach Produkten nicht, Produkt-Kategorien zeigen falsche Ergebnisse an. Gekostet hat das Ganze jedoch 627.000 Euro plus 200.000 Euro Werbeausgaben. 70 Tage nach dem Online-Start, schließt die Regierung das „Kaufhaus Österreich“ wieder.
- November 2020: In mehreren Tageszeitungen wie der Krone, dem Kurier oder Österreich schaltete die Regierung ganzseitige Inserate auf den Titelseiten mit dem Text „schau auf dich – schau auf mich. Teste dich jetzt.“ Und bewirbt damit die ersten Corona-Massentests. Das alles dürfte insgesamt mehre hunderttausend Euro gekostet haben. Das Problem: Der Informationskampagne fehlen die Informationen. Auf den Inseraten findet sich lediglich der Vermerk: „Weitere Informationen finden Sie auf www.oesterreich.gv.at.“ Geht man aber auf die Seite, merkt man: Zu den Massentests gibt es schlicht keine Information auf der Seite.
Die Regierung inseriert heute großflächig zu den Massentests. Die “weiteren Informationen” hat man aber anscheinend vergessen. pic.twitter.com/NA8mmLWj9l
— Martin Thür (@MartinThuer) November 29, 2020
Versprechen, die nie eingehalten werden
- Februar 2020: “Airbus wird mich noch kennenlernen“, verkündet Verteidigungsministerin Klaudia Tanner am 13. Februar 2020 bei einer Pressekonferenz. Zuvor hat der Eurofighter-Hersteller politische Zuwendungen im Zuge des Eurofighter-Kaufs unter Wolfgang Schüssel (ÖVP) eingeräumt. Tanner fordert eine “Wiedergutmachung” und stellt sogar einen Vertragsausstieg in den Raum. Doch das Kennenlernen bleibt aus, denn: Airbus hat kein Interesse an einem Gespräch.
- April 2020: Bundeskanzler Sebastian Kurz verkündet die Einführung von Schlüsselanhängern, der das “Contact Tracing” mittels Bluetooth ermöglichen soll. Denn: Die “Stopp Corona App” wird von der Bevölkerung nicht verwendet. Kurz spricht von zwei Millionen Schlüsselanhängern, die es geben soll – und dass die Österreicher:innen das wollen. Beauftragt wurden die Schlüsselanhänger jedoch nie.
- Mai 2020: Tourismusministerin Elisabeth Köstinger kündigt an, ab Juli jede Woche 65.000 Corona-Tests bei Mitarbeiter:innen der Gastro- und Tourismusbetriebe durchzuführen. Österreich soll so zum sichersten Urlaubsland werden. Tatsächlich wird nur ein Bruchteil der Tests durchgeführt: Bis zum Stichtag 22. Juli wurden gerade einmal 10.200 Tests in diesem Bereich durchgeführt. Zudem wird Kritik laut, dass viele Tourismus-Beschäftigte von den Tests ausgeschlossen werden. 370 Mitarbeiter:innen des Österreichischen Jugendherbergsverbandes (ÖJHV) und 41.000 privaten Beherbergungsbetrieben wird der Zugang zu den Tests verwehrt. Der Grund: Die Betriebe sind keine WKÖ-Mitglieder.
- Oktober 2020: Am 21. Oktober verkündet die Regierung, dass ab dem Folgetag Antigentests bei niedergelassenen Ärzt:innen möglich sind. Nach telefonischer Terminvereinbarung können Patient:innen mit Symptomen einen Abstrich beim Hausarzt abnehmen lassen. Doch es gibt nicht genügend Test-Kits und die räumlichen Voraussetzungen, die von der Regierung vorgegeben wurden, sind in vielen Praxen nicht erfüllt. Das kritisiert auch die Ärztekammer – sie wurde in den Prozess hierzu nicht involviert.
- November 2020: Innerhalb der Regierung einigt man sich darauf, allen Menschen über 65 je zehn gratis FFP2-Masken zuzuschicken. Am 25. November 2020 fällt der Beschluss im Ministerrat. Die Regierung kündigt an, dass die Masken im Jänner zugeschickt werden. Tatsächlich kommen sie erst im März 2021 an. Bei manchen Senioren gar nicht.
- Februar 2021: Bundeskanzler Sebastian Kurz verkündet, dass es “noch im Frühling” den Grünen Pass geben wird. Nicht nur Geimpfte, auch Genesene und frisch Getestete sollen mit dem Grünen Pass wieder Freiheiten bekommen. Im März erklärt Kurz, dass die Umsetzung des Passes im April startet. Im April heißt es, ab Mitte Mai soll der Pass in Österreich fertig sein. Am 19. Mai, dem Tag der großen Öffnungen, revidiert man abermals: Der 4. Juni soll es werden. Doch auch dieser Termin hält nicht. Bis Geimpfte und Genesene (mit einer Impfung) den Grünen Pass schlussendlich voll nutzen können, dauet es bis zum 15. August 2021.
- März 2021: Ab 2. März 2021 werden in Apotheken Gratis-Selbsttests für zu Hause ausgegeben. Pro Person und Monat gibt es 5 Stück der „Wohnzimmer-Tests“. Doch es gibt viel zu wenige Testkits. Statt der geplanten 13 Millionen Tests stehen mit Start der Aktion nur 3 Millionen zur Verfügung. Drei Tage nach dem Start der Ausgabe sind die Tests in 3 von 4 Apotheken vergriffen.
- März 2021: Bundeskanzler Sebastian Kurz verkündet, dass Österreich den russischen Impfstoff Sputnik V ankaufen will und behauptet, bei den Verhandlungen “auf den letzten Metern” zu sein und schon Anfang April die Bestellung abzuschicken. Eine Million Impfdosen soll es geben – mit dem Ergebnis, dass im Mai alle über 50-Jährigen geimpft sind und “im Sommer alle wieder zur Normalität zurückkehren“. Doch die EMA erteilt für Sputnik V keine Zulassung. Der Impf-Plan der Regierung hält nicht.
- März 2021: Bundeskanzler Sebastian Kurz verkündet im Vorfeld einer Reise nach Israel am 4. März 2021, dass die Länder Österreich, Dänemark und Israel künftig gemeinsam Impfstoffe produzieren werden. Kurz später, am 5. März, verlautbart man, die ersten Schritte gesetzt zu haben: Die Firma Novartis würde in Tirol den Impfstoff CuraVec herstellen. Eine erste Lieferung sollte es im Sommer geben, bis Ende 2021 will man bis zu 50 Millionen Dosen herstellen. Auch Wirtschaftsministerin Schramböck (ÖVP) sieht diese Ankündigung des Konzerns als Erfolg. Doch: Bis heute ist der Impfstoff nicht von der EMA zugelassen. Die Wirksamkeit liegt bei unter 50 Prozent.
- März 2021: Bundeskanzler Sebastian Kurz verkündet, dass im Juni alle, die wollen, bis Ende Juni 2021 ihre erste Impfung bekommen werden. Binnen 100 Tagen wären alle geimpft, ist die Losung. Tatsächlich geht sich das nur in zwei Bundesländern aus. Anfang Juni revidiert die Regierung das Ziel auf 5 Millionen Erststiche. Auch dieses Ziel wird nicht erreicht.
Schlampige Gesetze, die Probleme schaffen statt lösen
- April 2020: Laut dem „Oster-Erlass“ des Gesundheitsministers ist es verboten, mehr als fünf Personen in der eigenen Wohnung zu Besuch zu haben. Gleichzeitig gab es Regelungen, dass eigentlich gar keine Besuche möglich sind. In jedem Fall gab es laut Experten keine gesetzliche Grundlage und der damalige Gesundheitsminister Rudolf Anschober musste den Erlass zurücknehmen, den er auf Ersuchen des Innenministeriums erstellt hatte.
- Juli 2020: In einer Verordnung des Gesundheitsministeriums veranlasst die Bundesregierung ein Betretungsverbot öffentlicher Räume sowie eine Verordnung, die nur großen Geschäften über 400 m² das Aufsperren erlaubt. Beide Regelungen hebt der Verfassungsgerichtshof als gesetzeswidrig auf.
- Mai 2020: Jedes Jahr beschließt der Nationalrat das Budget für den Bund und legt damit fest, wie viel Geld im nächsten Jahr wofür ausgegeben werden kann. Im Entwurf, den die Regierung vorlegte, stand eine Gesamtsumme von 102.000 Euro. Hätte das Parlament dieses Budget beschlossen, hätte der Republik Österreich Zahlungsunfähigkeit gedroht. Erst nach einer Korrektur durch die Opposition konnte das Parlament das Budget in Höhe von 102 Milliarden Euro beschließen.
- Dezember 2020: Der Nationalrat beschließt ein Gesetz der Regierung, wonach die Luxuspensionen im kommenden Jahr nicht mehr als 35 Euro steigen sollen. Anschließend kann es der Bundespräsident nicht unterzeichnen, weil die formale Zuteilung auf dem Antrag fehlt. Eine eigene Sondersitzung ist notwendig. Ein Monat zuvor hatte auf einem Antrag eine Unterschrift gefehlt, weshalb der Legislativdienst des Parlaments ein Gutachten erstellen musste.
- Dezember 2020: ÖVP und Grüne können sich nicht auf die Finanzierung der ÖGK im Zuge der Pandemie einigen, beschließen deshalb einen leeren Antrag im Ausschuss, der als inhaltsloser Zettel im Parlament landet. Anstatt ihn zumindest dort noch mit Inhalten zu befüllen, stellen ÖVP und Grüne den Antrag, den Entwurf wieder an den Gesundheitsausschuss zurückzuverweisen.
Digitalisierungs-„Profis“ am Werk
- März 2020: Die Bundesregierung stellt das „Digitale Amt“ vor. Das Ziel: Behördenwege per App am Handy erledigen. Doch die App ist fehleranfällig. Die Anmeldung per Handysignatur und Buttons funktionieren bei Android-Nutzer:innen nicht. Das Wirtschaftsministerium, bei dem die Digital-Agenden liegen, erklärt, es gebe Probleme beim Server.
- Mai 2020: Über die Website des Wirtschaftsministeriums wird plötzlich ein Register einsehbar, in dem private Daten von etwa einer Million Bürger:innen eingetragen sind. Nicht nur deren Namen, sondern auch persönliche Adressen, Geburtstagsdaten sowie Angaben zum Steuerprozedere. Das Register dient zur Abwicklung des Corona-Härtefallfonds.
- Juli 2020: Bei der Auszahlung des Härtefallfonds an Unternehmen führt ein technischer Fehler dazu, dass vielen Firmen nur 500 Euro ausbezahlt werden – nur ein Zehntel von dem Betrag, auf den sie Anspruch hätten. Die Regierung hat die WKÖ mit der Abwicklung betraut. Dort verrutscht in den Berechnungstabellen eine Komma-Stelle und verursacht die falschen Auszahlungssummen.
- Dezember 2020: Bei den Massentests, die der Bund im Dezember 2020 organisiert, kommt es zum Datenleck. Die Daten von 800 Bürger:innen werden an unbefugte Dritte weitergeleitet. Die vom Gesundheitsministerium zur Verfügung gestellte Plattform zur Online-Anmeldung für die erste Runde der Massentests im Dezember ist zudem fehleranfällig – es kommt zu IT-Ausfällen in Tirol und Wien, zu verspäteten oder überhaupt nicht zugestellten Testergebnissen.