Bei den Parlamentswahlen in Spanien am 20. November gingen die Sozialisten als eindeutig stärkste Kraft hervor. Jetzt hat der spanische Ministerpräsident Pedro Sanchez eine Koalition mit der linken Unidas Podemos (UP) angekündigt. Sanchez‘ Regierung hat die Kürzungspolitik der konservativen Vorgängerregierung beendet, den Mindestlohn um mehr als 20 Prozent erhöht und will diesen Kurs jetzt fortsetzen. Konservative und Liberale haben Stimmen an die rechtsextreme Vox verloren.
Erst im April 2019 hat Spanien gewählt. Die Sozialdemokraten lagen weit vor allen anderen Parteien: Sie gewannen sechs Prozent und kam auf 28,7 Prozent der Stimmen. Die konservative PP halbierte ihr Ergebnis von 2016 und kam nur mehr auf 16,7 Prozent. Das war das schlechteste Resultat ihrer Geschichte – sie hat 15 Jahre lang Spanien regiert. Drittstärkste Kraft war die liberale Ciudadanos mit 15,9 Prozent. Danach kam die linke Podemos von Pablo Iglesias mit 14,3 Prozent.
Im November hat Spanien wieder gewählt, weil die Regierungsverhandlungen gescheitert sind. Viel hat sich nicht verschoben: Entgegen den Prognosen konnten die Sozialisten mit 28,0 % ihren Stimmenanteil weitgehend halten. Im Abgeordnetenhauses (Congreso de los Diputados) haben sie nur drei der bisher 123 Sitze verloren, größer sind die Verluste im Senat. Gegenüber den EU-Wahlen im Mai bedeutet das Ergebnis vom Sonntag dennoch einen Dämpfer: Damals erhielt die PSOE (Partido Socialista Obrero Español) noch 32,8 % der Stimmen. Erste Wählerstromanalysen zeigen: Die Sozialisten verloren kaum an andere Parteien, sondern etliche Wähler vom April blieben diesmal zuhause.
Neuwahlen nach gescheiterten Koalitionsverhandlungen
Parteichef und Ministerpräsident Pedro Sánchez wünschte sich ein Ergebnis wie bei der EU-Wahl, um eine Minderheitsregierung bilden zu können. Das Wahlrecht wäre ihm zugutegekommen, denn es bevorzugt größere Parteien. Dieses Kalkül auf Seiten des PSOE trug sicher dazu bei, dass die Koalitionsverhandlungen mit der Linkspartei Unidas Podemos im Sommer scheiterten. Koalitionen sind in Spanien unüblich, doch Podemos-Chef Pablo Iglesias bestand darauf, nicht nur als Mehrheitsbeschaffer zu dienen, sondern auch mitregieren zu dürfen. Er verlangte fünf wichtige Ministerien für seine Partei.
Der PSOE wollte Podemos allerdings nur höchstens drei Ministerien zugestehen. Das Scheitern der Verhandlungen wurde offensichtlich, als Sánchez am 25. Juli im Abgeordnetenhaus nicht die nötige Mehrheit für seine Bestätigung als Ministerpräsident erhielt. Die Abgeordneten von Unidas Podemos enthielten sich der Stimme. Die weiteren Verhandlungen zwischen den beiden Parteien waren vergiftet und kamen nie wieder richtig in Schwung. Neuwahlen waren letztlich unausweichlich und sollten die Lage klären.
Sánchez will Spanien mit linker Koalition aus Sozialisten und Podemos regieren
Doch jetzt hat Sánchez bereits zwei Tage nach der Wahl eine Koalition mit Podemos angeündigt: Gemeinsam mit Podemos-Chef Iglesias berichtete er über einen “Vorvertrag” für ein Koalitionsabkommen. Man wird um Unterstützung weiterer Parteien für das Abkommen werben. Die letzte PSOE-Regierung, die von Podemos unterstützt wurde, wollte das “sozialste Budget der Geschichte Spaniens” erstellen – längere Elternzeit, höheres Pflegegeld, mehr sozialen Wohnbau. Pedro Sanchez hat auch ein Programm zur Modernisierung der Wirtschaft – unter dem Titel „Agenda für Veränderung“ wollen die Sozialdemokraten von Pedro Sanchez die Ungleichheit im Land bekämpfen: zwischen Stadt und Land, zwischen Männern und Frauen und zwischen den Generationen.
Sozialisten und UP haben nach der Wahl vom Sonntag 155 der 350 Mandate im neuen Parlament, um 21 weniger als die absolute Mehrheit. Daher wird über Vereinbarungen mit kleineren linken und regionalen Parteien, aber auch der bisher fest im rechten Lager verankerten liberalen Ciudadanos (Bürger) spekuliert.
Die Aufgabe ist nicht leicht: Das linke Lager ist nach den Wahlen mehr zersplittert als zuvor. Unidas Podemos und ihre Verbündeten kamen nur mehr auf 12,8 % (nach 14,3 % im April) und verloren sieben Sitze. Die Partei Más País, die sich im September von Podemos abgespalten hatte, kam entgegen den Erwartungen nur auf 2,3 % bzw. 3 Sitze. Insgesamt halten diese drei Parteien nur mehr bei 158 Sitzen und sind noch weiter von einer absoluten Mehrheit von 176 Abgeordneten entfernt als davor. Ihre Stimmen wanderten nicht zu rechten Parteien, sondern zu linken Regionalparteien ab. Doch auch mit deren Unterstützung käme Pedro Sanchez nur auf 169 Abgeordnete.
Um eine Mehrheit für die Koalition in der ersten Parlamentskammer zu erreichen, haben die linken Parteien zwei gleichermaßen schwierige Möglichkeiten: Entweder sie erreichen zumindest die Duldung durch Mandatare der liberalen Ciudadanos, die von 15,9 auf 6,8 % abstürzte. Oder sie gewinnen die Unterstützung auch jener katalanischen Parteien, die die Unabhängigkeit Kataloniens anstreben.
Rechtsextreme Vox gewann dazu
Auffällig am Wahlergebnis ist, dass die Stimmen für das linke und das rechte Lager weitgehend stabil blieben. Innerhalb der Rechten kam es allerdings zu gewaltigen Verschiebungen: Vom Debakel von Ciudadanos profitierten gleichermaßen die Volkspartei (Partido Popular, PP), die sich auf 20,8 % (+4,1 %) steigern konnte – und die rechtsextreme Vox. Der Pakt, den Ciudadanos mit der Volkspartei und Vox in mehreren Provinzen eingegangen ist, verschreckte offenbar liberale Wähler. Sie gingen nicht zu den Urnen. Andere wiederum wählten gleich für die Volkspartei oder Vox.
Die extreme Rechte verbuchte 15,1 % der Stimmen (+4,8 %) und hat dank des Wahlrechts statt bisher 24 nun 52 Mandate. Die Wählerstromanalysen zeigen. Die Vox erhielt ihre Zugewinne vor allem dank ehemaliger Volkspartei- und Ciudadanos-Wähler.
Von den Sozialisten und anderen Linksparteien gab es hingegen kaum Abwanderung hin zu den extremen Rechten.
Der Erfolg von Vox in weiten Teilen Spaniens ist freilich auch auf den Katalonien-Konflikt zurückzuführen. Mitte Oktober hatte der oberste Gerichtshof katalanische Politiker und Aktivisten zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Große Demonstrationen und schwere Ausschreitungen in Barcelona waren die Folge. Das Urteil und die gewaltsamen Auseinandersetzungen auf den Straßen sorgten für eine weitere Verhärtung der Fronten zwischen den Unabhängigkeitsbefürwortern und dem Zentralstaat. Vox tritt in dieser Frage äußerst kompromisslos gegen die Unabhängigkeit auf und konnte damit punkten.
Der Katalonien-Konflikt wird das politische Leben in Spanien weiterhin entscheidend prägen. Auch die Bemühungen von Pedro Sánchez um die Bildung einer von einer Parlamentsmehrheit ausgestatteten Regierung werden nicht von der Katalonien-Frage zu trennen sein.