Was wir essen und ob wir rauchen oder Sport treiben entscheidet, wie lange wir leben? Stimmt nicht ganz. Zu den größten Einflussfaktoren für unsere Gesundheit zählen der soziale Status und der Bildungsgrad – das gilt nicht nur für die ärmsten Schichten, wie jetzt auch eine aktuelle Studie für Österreich zeigt.
Lange Zeit ist die Medizin davon ausgegangen, dass Führungskräfte anfälliger sind für stressbedingte Erkrankungen als der Rest der Bevölkerung. Bis eine bahnbrechende Studie in den 1960er Jahren, die sogenannte Whitehall Studie, erkannte, dass es genau umgekehrt ist: Je geringer der soziale Status, umso höher ist das Risiko von Herzerkrankungen sowie die Anfälligkeit für Rückenleiden, Depression oder auch Infektionserkrankungen.
Lebensstil erklärt nicht alles
Überraschend am Ergebnis der Studie war auch, dass Angehörige der unteren Einkommensschichten zwar häufiger rauchen und übergewichtig sind, dass diese Risikofaktoren die erhöhte Anfälligkeit für Herzerkrankungen aber nur zu einem Drittel erklären können. Viel entscheidender sind der Stress am Arbeitsplatz und die Angst vor sozialem Abstieg.
Mittlerweile zeigt eine größere Zahl von Studien, wie schädlich soziale Ungleichheit für die Gesundheit einer Gesellschaft ist. Denn ob wir gesund sind, hängt wesentlich davon ab, ob wir uns wertgeschätzt fühlen und selbstbestimmt arbeiten können, ob wir zufrieden sind und optimistisch in die Zukunft blicken. Sobald wir gestresst, unzufrieden und der Welt feindlich gesinnt sind, sind wir anfälliger für Herzbeschwerden, Infektionen und altern auch schneller. Der Zusammenhang zwischen sozialem Status und Gesundheit zeigt sich dabei nicht nur für die ärmsten Schichten:
„Wo immer wir in der Hierarchie stehen: Die über uns sind gesünder, die unter uns sind kränker“, schreiben die Epidemiologen Wilkinson und Picket.
Die Erkenntnisse gelten auch für Österreich. Wie eine aktuelle Studie der Statistik Austria im Auftrag des Gesundheitsministeriums zeigt, fühlen sich Personen aus einkommensschwächeren Haushalten weniger gesund. So ist die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen und Männer in der höchsten Einkommensstufe ihren Gesundheitszustand als sehr gut oder gut einstufen, 3,2- mal bzw. 3,1-mal höher als bei Frauen und Männern mit niedrigen Einkommen. Einkommensschwache Personen leiden auch viel häufiger an chronischen Krankheiten.
Bildung und guter Job halten gesund
Aber nicht nur das Einkommen, auch der Bildungsgrad hat Einfluss auf unser körperliches Befinden: So haben Männer der niedrigsten Bildungsstufe im Vergleich zur höchsten ein 2,6-faches Risiko, unter chronischen Kreuz- oder Nackenschmerzen zu leiden. Das Risiko von Pflichtschulabsolventen für chronische Kopfschmerzen und Depressionen ist gar um das 3,5- bzw. 2,8-Fache höher.
Obendrein scheint die Art der beruflichen Tätigkeiten einen beachtlichen Einfluss auf den Gesundheitszustand zu haben. Während 93 Prozent der selbstständigen Frauen angeben, sich gesundheitlich gut oder sehr gut zu fühlen, sind es bei Frauen, die beruflich eine einfache manuelle Tätigkeit ausüben, nur noch knapp 80 Prozent.
Das soziale Umfeld, Freundschaften, der Bildungsgrad, die Höhe des Einkommens und die Art der Beschäftigung haben also bedeutenden Einfluss auf unsere Gesundheit. Gesundheitliche Probleme und Risikofaktoren auf individuelle Verhaltensmuster zu reduzieren, ist also zu wenig. Viel wichtiger ist es, Ungleichheit zu verringern und allen ein Arbeits- und Lebensumfeld zu ermöglichen, das weder Angst noch chronischen Stress befördert.
Weiterlesen:
Bericht des Gesundheitsministeriums: Soziodemographische und sozioökonomische Determinanten von Gesundheit
Kate Picket and Richard Wilkinson: Why Inequality is bad for health