„Gesetze ändern sich“, sagte er, „aber wozu einer ‘n Recht hat – das bleibt. Und das ist euer Recht.“ (John Steinbeck in seinem Buch „Früchte des Zorns“)
Liebe Frau Sozialministerin,
ich schreibe Ihnen heute als Bürgermeister, der das große Glück hatte, in einer Pilotregion der Aktion 20.000 tätig sein zu können und in den Genuss kam, mehreren Menschen mit dieser Aktion eine Perspektive geben zu können. Gleichzeitig hat unsere eigene Gemeinde Möglichkeiten bekommen, die wir nur schwer bis gar nicht anders bewältigen hätten können. Ich schreibe Ihnen aber ebenso als Abgeordneter dieser Region, im Wissen, dass es vielen meiner Kollegen und Kolleginnen, egal welcher politischen Gesinnung sie sich zugehörig zählen, ebenso ergangen ist. Und ich schreibe Ihnen als Mensch, der in den Augen Betroffener gesehen hat, wie viel Glück und Selbstachtung wir mit dieser Aktion einigen Menschen wiedergeben konnten, die seit Jahren am Arbeitsmarkt keine Chancen mehr vorgefunden haben.
Über 100 Menschen über 50 Jahre haben in unserer Region von dieser Aktion profitiert und es wären bei uns und in ganz Österreich noch tausende mehr geworden, wenn Sie mit Ihren Regierungskollegen und Kolleginnen diese Aktion nicht handstreichartig, fast einem Putsch gleich, abgeschafft hätten. Ich schreibe Ihnen somit auch im Sinne des Zitates von John Steinbeck aus seinem wunderbaren Buch „Früchte des Zorns“, weil sich natürlich jederzeit Gesetze ändern können, aber das Recht bleibt. In dem konkreten Fall zwar leider nicht das Recht auf Arbeit, das haben Sie vielen Menschen genommen, aber das Recht auf Information ist geblieben und das haben Sie dieser Generation nicht zu verwehren.
Was brachte die Aktion 20.000? Die Öffentlichkeit hat ein Recht auf Information
Ich denke, Sie haben jetzt viele Monate die gesamte Republik, vor allem aber die Betroffenen zum Narren gehalten. Ich finde jeden weiteren Tag des Zuwartens von Ihnen respekt- und würdelos gegenüber Menschen, die ihr ganzes Leben gearbeitet haben, im Alter vom freien Mark ausgespuckt werden und keine Chance mehr haben im Regelarbeitsmarkt Fuß zu fassen. Zeigen Sie ein Stück an Größe und teilen Sie der Öffentlichkeit endlich mit, was aus dem Evaluierungsprozess geworden ist. Veröffentlichen Sie die Daten, die Sie nach eigenen Angaben bereits seit dem Herbst des vorigen Jahres haben und erklären Sie welche konkreten Erkenntnisse Sie daraus ableiten.
Finden Sie es wirklich angebracht, der gesamten Republik durch Willkür Ihrerseits Informationen vorzuenthalten. Finden Sie es wirklich angebracht, als Mensch im Arbeitsleben, der ausschließlich von Steuergeldern finanziert wird, genau diesen Steuerzahlern und Zahlerinnen keinerlei Information zukommen zu lassen? Oder liegt es möglicherweise daran, dass die Evaluierung nicht das gewünschte Ergebnis gebracht hat und somit die Antworten ganz bewusst von der Öffentlichkeit fern gehalten werden, weil nicht sein darf, was nicht sein kann und Sie wie der Bundeskanzler dafür zu sorgen haben, dass keinesfalls auch nur irgendetwas positives mit der Vorgängerregierung in Verbindung gebracht wird. Ich jedenfalls finde diese Vorgangsweise schäbig.
Ich fordere Sie deshalb mit diesem Schreiben auf, endlich die Evaluierung der Aktion 20.000 zu veröffentlichen. Wir alle haben ein Recht darauf und es ist nicht länger einzusehen, dass Sie die Informationen zurückhalten. Wenn nicht, sind Sie in meinen Augen rücktrittsreif, denn ein Regierungsmitglied, das bewusst der Öffentlichkeit Informationen vorenthält ist nicht tragbar.
Mit freundlichen Grüßen
Bürgermeister Andreas Kollross
Abgeordneter zum Nationalrat
AKTION 20.000
20.000 Männern und Frauen auf Jobsuche hätte die Aktion 20.000 einen Arbeitsplatz und neue Hoffnung gegeben. Doch als eine der ersten Handlungen haben ÖVP und FPÖ die Aktion im Jänner 2018 eingestampft. Wer bis dahin seine Stelle noch nicht antreten konnte, wurde enttäuscht – und blieb ohne Job. 3.755 Männer und Frauen in ganz Österreich haben schlussendlich über die Aktion 20.000 einen Job gefunden. Jetzt, im Juni 2019, laufen ihre Stellen endgültig aus. Wie viele Gemeinden und Vereine einige der Stellen finanziell selbst stemmen und erhalten können, ist unklar.