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Warum 1-Euro-Jobs niemandem nützen

Foto: flickr.com by Franz Ferdinand Photography (Link: http://tinyurl.com/hwgj4g3)

Kathrin Glösel Kathrin Glösel
in Migration & Asyl, Verteilungsgerechtigkeit
Lesezeit:6 Minuten
26. August 2016
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Derzeit gibt es in Österreich eine politische Debatte darüber, ob anerkannte Flüchtlinge, die beim AMS als arbeitslos gemeldet sind, zu 1-Euro-Jobs gezwungen werden sollen, um überhaupt Sozialleistungen (wie die Mindestsicherung) beziehen zu dürfen. 1-Euro-Jobs sind Jobs, bei denen der Stundenlohn etwa einen Euro oder knapp darüber ausmacht. Als Vorbild für diesen Vorschlag wird Deutschland genannt. Dort umfassen die Pflicht-Jobs bis zu 30 Stunden pro Woche pro Person. Bei Ablehnung droht in Deutschland eine Kürzung des Arbeitslosengeldes.

Es lohnt sich daher ein Blick ins Nachbarland. Wir haben uns angesehen, wir dort 1-Euro-Jobs geschaffen wurden, welche Kosten sie mit sich gebracht haben und welche Auswirkungen sie für den regulären Arbeitsmarkt haben.

Zusammenfassend können wir feststellen:

  • Die Erwartungen an diese politische Maßnahme haben sich nicht erfüllt
  • Die Reintegration in den Arbeitsmarkt fand nicht im erhofften Ausmaß statt
  • Je nach Tätigkeit kann es zur Verdrängung regulärer Jobs kommen, in manchen Regionen Deutschland wurde die Schaffung regulärer Jobs gehemmt
  • Last but not least sind die Kosten für den Staat hoch

Die „Arbeitsgelegenheiten“ bringen Betroffenen und AnbieterInnen wenig

In Deutschland wurde im Zuge der Hartz-IV-Politik beschlossen, dass Menschen, die Arbeitslosengeld II beziehen, zu 1-Euro-Jobs verpflichtet werden können. Wer das verweigert, erfährt eine Kürzung des Arbeitslosengeldes. Die Tätigkeiten sollten – so das hehre Ziel – helfen, Langzeitarbeitslose an den Arbeitsmarkt und einen geregelten Alltag heranzuführen. Die Tätigkeiten, die Betroffene verrichten, müssen das Kriterium von „Zusätzlichkeit“ erfüllen, das heißt, sie dürfen reguläre Arbeitsplätze (mit entsprechender kollektivvertraglich geregelter Bezahlung) nicht verdrängen.

In der Praxis hat sich diese Maßnahme anders entwickelt als vorgesehen: Ein Parallel-Arbeitsmarkt mit oft sinnentleerten Tätigkeiten wurde geschaffen, die Leistungen der 1-Euro-Jobber sind für die Unternehmen und Organisationen, die sie beschäftigen, oft nicht befriedigend (z.B. Puzzle-Teile zählen).

Detlef Scheele forderte 2014, als er noch Hamburger Sozialsenator war, in einem Brief an den Bundesrechnungshof die Abschaffung sinnloser 1-Euro-Jobs:

„Wenn Kanus von Jungerwachsenen zwar gebaut werden dürfen – die Kanus aber auf dem Wasser nicht fahren dürfen. Wenn Bilder auf Wände zwar gemalt, aber dann wieder überstrichen werden müssen. Wenn Altkleider zwar an Bedürftige abgegeben, nicht aber geändert werden dürfen, dann stehen wir vor einer Infantilisierung der Arbeitsmarktpolitik.“

Dort, wo sich Tätigkeiten als sinnvoll erweisen, besteht wiederum die Gefahr, reguläre Arbeitskräfte zu ersetzen. Win-win-Situationen können nicht geschaffen werden.

Erschwerend kommt für Betroffene hinzu, dass die Jobs oft einen gegenteiligen Effekt erzielen als politisch geplant: statt den Wiedereintritt ins Berufsleben zu erleichtern, erschweren sie diesen auch, weil, wie die „Zeit“-Redakteurin Tina Groll zusammenfasst:

„Hat man als Bewerber eine Zeit als Ein-Euro-Jobber im Lebenslauf, sinken automatisch die Chancen auf dem Arbeitsmarkt.“

Lohndumping: Die Jobs sind oft rechtswidrig

Symbolbild für 1-euro-jobsDie 1-Euro-Jobs sollen, wie bereits erwähnt, „zusätzlich“ angeboten werden, um zu vermeiden, dass Betriebe reguläre Jobs abbauen und auf Billigst-Pflicht-JobberInnen zurückgreifen. Von diesem „Soll“ weicht die Realität allerdings ab. Vor allem im Osten Deutschlands gab es einen negativen Effekt, da 1-Euro-Jobs eine Konkurrenz zu regulären Beschäftigungen darstellen.

Schon 2008, drei Jahre nach Einführung des Gesetzes, kritisierte der Bundesrechnungshof, dass bei vielen Jobs Förderrichtlinien nicht eingehalten und sogar in acht von zehn Fällen die Tätigkeit nicht als zusätzlich gewertet werden konnte.

Öffentlich bekannt gewordene Fälle sind beispielsweise ein Trampolinhersteller, der Produktionsarbeit von 1-Euro-Jobbern verrichten ließ – die Trampoline dienten keinem gemeinnützigen Zweck, sondern dem gewerbsmäßigem Vertrieb. Auch ein promovierter Archäologe schaffte es in die Schlagzeilen, der für 1 Euro die Stunde ein Projekt für eine Ausgrabung in Äthiopien geleitet hat, eine hoch qualifizierte Tätigkeit zum Hungerlohn, weil es der Universität Hamburg an Forschungsgeldern fehlte.

2011 musste die deutsche Bundesregierung eingestehen: „In  der  Praxis  kommt  es  nach  wie  vor  zu  Abgrenzungsproblemen  und  Auslegungsdifferenzen  bei  der  Beurteilung  der  Zusätzlichkeit  der  Arbeiten  sowie  des öffentlichen  Interesses.“

Das Bundessozialgericht in Deutschland hat daher auch entschieden, dass die zuständigen JobCenter bei rechtswidrigen Ein-Euro-Jobs den Betroffenen einen Wertersatz für die geleistete Arbeit gewähren müssen.

In Deutschland verschönern 1-Euro-Jobs die Statistik

Wer Hartz IV bezieht und einen Pflicht-Job dieser Art angenommen hat, zählt nicht als „arbeitslos“ und scheint in der entsprechenden Statistik nicht auf.

Man verschiebt also lediglich Personengruppen, um den Arbeitsmarkt besser darzustellen als er ist.

1-Euro-Jobs schaffen 3 Typen: Stabilisierte, Wartende und Resignierte

2013 hat das Instituts für Bildungs- und Sozialpolitik (ibus) über Interviews mit Betroffenen erhoben, dass subjektiv das Beschäftigtsein an sich als positiv empfunden wurde. Doch auch die 1-Euro-Jobs sind nur befristet – was geschieht danach?

„Mit dem Ende der Förderung gehen die wenigsten Ein-Euro-Jobber in ein reguläres Arbeitsverhältnis über“, erklärt Tim Obermeier, Mitglied des Forscherteams. Was dann mit ihnen geschehe, lasse sich anhand von drei Typen erklären: „Sie werden zu Stabilisierten, Wartenden oder Resignierten“, so der Sozialwissenschaftler. Stabilisierte können Motivation mitnehmen, Wartende können das nicht, sondern warten auf die nächste Anschlussförderung. Resignierte wiederum werden ohne Aussicht auf Besserstellung aus dem Billigstjob entlassen und ziehen sich noch mehr aus dem Arbeitsmarkt zurück.

Für junge Flüchtlinge kaum anwendbar

Untersuchungen, die sich mit den Erfolgen und Lücken von 1-Euro-Jobs in Deutschland befasst haben, stellen fest, dass die Pflichttätigkeiten nur bestimmten Gruppen helfen. Es sind jene, die sehr lang nicht den Weg zurück in den Arbeitsmarkt gefunden haben, also beispielsweise Männer und Frauen über 50, die auch aufgrund ihres Alters nicht eingestellt werden. Hier kann ein strukturierter Alltag und Kontakt mit anderen Menschen – auch psychisch – weiterhelfen.

Die gleichen Analysen zeigen jedoch, dass bei jungen Arbeitslosen Qualifizierungsmaßnahmen die bessere Alternative sind. Das würde auch viele junge anerkannte Flüchtlinge betreffen, die über Sprachkurse und Fortbildung besser ausgebildet und integriert werden könnten.

1-Euro-Jobs kosten viel Geld

Wenn eine Organisation oder eine Unternehmung einen Auftrag hat, der öffentlichem Interesse dient, können diese bei der Bundesarbeitsagentur (das Äquivalent des österreichischen AMS) ihren Bedarf an Arbeitskräften melden. Die Bundesarbeitsagentur vermittelt die Arbeitslosen. Die ArbeitgeberInnen bezahlen den Stundenlohn von etwa einem Euro oder etwas darüber. Die Arbeitagentur wiederum zahlt den Unternehmungen für den Aufwand, den diese mit der Schaffung der Zusatzjobs haben, 200 bis 500 Euro pro Monat und geschaffenem 1-Euro-Job.

Die 1-Euro-Jobs kommen dem deutschen Staat teuer. Seit Juni 2016 gilt: innerhalb von fünf Jahren dürfen maximal drei Jahre Billigstjobs verrichtet werden.

Obwohl das Resümee über die Wirksamkeit durchwachsen ist, wird nun über eine Anwendung der 1-Euro-Jobs auf Flüchtlinge debattiert, auch in Deutschland. 100.000 Ein-Euro-Jobs dieser Art würden eine Milliarde Euro kosten.

Das ist viel Geld, das  besser und effizienter für Sprachkurse verwendet werden könnte, mit denen Flüchtlinge ohne Deutschkenntnisse später ihre Qualifikationen, die sie bereits mitbringen, zur Verfügung stellen und sich im Arbeitsmarkt einbringen können – ohne auf Sozialleistungen angewiesen zu sein.

Zusammenfassung

In Sachen Arbeitsmarkt-Integration bleiben 1-Euro-Jobs in Deutschland unter den Erwartungen. Sie kosten den Staat viel Geld, werden oft rechtswidrig gestaltet und hemmen in Teilen Deutschlands das Wachstum des regulären Arbeitsmarktes. Für manche Berufsgruppen (z.B. HandwerkerInnen, Kinderbetreuung) kann sich der „Drehtüreffekt“ einstellen, wenn beispielsweise Gemeinden auf 1-Euro-JobberInnen zurückgreifen statt auf Fachkräfte. Dr. Stefan Sell, der die Studie des ibus mitgestaltet hat, kommt zum Schluss, dass der politische Fokus in Deutschland stärker auf die Schaffung normaler, sozialversicherungspflichtiger Jobs gelegt werden muss.

Für junge Arbeitslose im Speziellen haben diese Billigstjobs keine unterstützende Wirkung – was sie brauchen, sind Qualifikationen. Das gilt auch für Flüchtlinge.

 

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Zum Nachlesen:

Mehr zum „zweiten Arbeitsmarkt“ in Deutschland gibt es hier nachzulesen: http://www.bpb.de/politik/innenpolitik/arbeitsmarktpolitik/155260/beschaeftigung-schaffende-massnahmen?p=all

Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) zur Frage, wie sich 1-Euro-Jobs auf den regulären Arbeitsmarkt in Deutschland auswirken: http://www.ssoar.info/ssoar/handle/document/32037

Studie der SozialwissenschaftlerInnen des Instituts für Bildungs- und Sozialpolitik der Hochschule Koblenz  (Zusammenfassung) http://www.o-ton-arbeitsmarkt.de/o-ton-news/ein-euro-job-und-dann

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Privatstiftungen sollten ursprünglich einem gemeinnützigen Zweck dienen, etwa in den Bereichen Soziales, Bildung oder Kultur. Doch heute sind sie vor allem ein beliebtes Werkzeug, um Vermögen zu sichern und Steuern zu vermeiden. Sie sind besonders beliebt bei den Reichsten der Reichen – auch weil sie kaum von den Steuerbehörden kontrolliert werden. Zitat: Privatstiftungen sind eine Rechtsform, die beinahe ausschließlich von den Reichsten der Reichen genutzt wird. 40 Prozent aller Privatstiftungen befinden sich im unmittelbaren Umfeld der 60 reichsten Familien. Sie werden von Superreichen benutzt, um ihr Vermögen vor Steuerbehörden zu verschleiern. Auch deshalb weil drei Viertel aller Privatstiftungen überhaupt noch nie von den Steuerbehörden kontrolliert worden sind. Stephan Pühringer
Privatstiftungen sollten ursprünglich einem gemeinnützigen Zweck dienen, etwa in den Bereichen Soziales, Bildung oder Kultur. Doch heute sind sie vor allem ein beliebtes Werkzeug, um Vermögen zu sichern und Steuern zu vermeiden. Sie sind besonders beliebt bei den Reichsten der Reichen – auch weil sie kaum von den Steuerbehörden kontrolliert werden. Zitat: Privatstiftungen sind eine Rechtsform, die beinahe ausschließlich von den Reichsten der Reichen genutzt wird. 40 Prozent aller Privatstiftungen befinden sich im unmittelbaren Umfeld der 60 reichsten Familien. Sie werden von Superreichen benutzt, um ihr Vermögen vor Steuerbehörden zu verschleiern. Auch deshalb weil drei Viertel aller Privatstiftungen überhaupt noch nie von den Steuerbehörden kontrolliert worden sind. Stephan Pühringer

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