ÖVP und Grüne holen seit Anfang 2022 noch mehr Fachkräfte aus dem Ausland nach Österreich. Dafür haben sie mit 1.1.2022 die bundesweite Mangelberufe-Liste von 45 auf 66 Berufe ausgeweitet. Hinzu kommen 52 regional beschränkte Mangelberufe. Auch Saisonarbeitskräfte aus dem EU-Ausland sollen vermehrt in Österreich zu Billiglöhnen arbeiten. Die Folge: Mehr Konkurrenz am Arbeitsmarkt und mehr Lohndruck. An den schlechten Arbeitsbedingungen in den Branchen ändert die Regierung nichts.
Mangelberufe sind Berufe, für die es in Österreich bzw. im EU-Raum zu wenige Fachkräfte gibt, um den Bedarf an Arbeitskräften zu decken. Konkret: Es sind Berufe, für die weniger als 1,5 Arbeitssuchende pro offener Stelle zur Verfügung stehen. Derzeit gelten 45 Berufe in Österreich als „Mangelberufe“. ÖVP und Grüne haben insgesamt 66 Berufe auf Bundesebene und 52 weitere für einzelne Bundesländer zu Mangelberufen erklärt. So können Unternehmen einfacher für offene Stellen Arbeitskräfte aus „Drittstaaten“ anwerben.
Schon die Kurz-Strache-Regierung hat für 2019 die Liste dieser „Mangelberufe“ ausgeweitet: von 27 auf 45. Für 2020 wurde die Liste auf 56 Berufe verlängert. Arbeitsminister Martin Kocher hat die entsprechende Liste veröffentlicht, die Anfang des Jahres 118 Berufe als Mangelberufe festsetzte und seit 1.1.2022 gültig ist.
“Die Zahl der darin festgelegten Mangelberufe ist in den letzten Jahren regelrecht explodiert: von 8 im Jahr 2016 auf 118. Für bestimmte Unternehmen werden so die Spielregeln des ‘Marktes’ geändert”, sagt Ökonom Mattias Muckenhuber von Momentum Institut.
Jetzt, im Juli 2022, setzt die Regierung auch noch Kellner und Kellnerinnen auf die bundesweite Mangelberuf-Liste – und erweitert die Liste damit auf 67 Mangelberufe. Bisher waren KellnerInnen “nur” auf regionalen Listen zu finden. Es fehlt an Menschen, die in diesem Beruf arbeiten wollen, klagen Tourismus- und Gastro-Branche. Sie fordern eine Sofortmaßnahme, um sich über den Sommer zu retten. Selbst aktiv werden nur wenige Betriebe. Sie könnten die Löhne erhöhen, Arbeitszeiten flexibler gestalten oder sogar reduzieren. Stattdessen lobbyieren sie und ihre Vertreter für mehr Arbeitskräfte aus dem Ausland, die zu Billiglöhnen arbeiten sollen. Kritik kommt daher auch von der Gewerkschaft: “Minister Kocher hat noch immer nicht erkannt, dass die Arbeitsbedingungen zu verbessern sind, anstatt Arbeitskräfte aus dem Ausland zu holen, die für wenig Geld bereit sind, alles zu tun”, sagt Berend Tusch, Vorsitzender des Fachbereichs Tourismus der Gewerkschaft Vida.
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Leichtere Anwerbung von Arbeitskräften für Unternehmen
Das Argument für die Mangelberufe-Liste lautet: Es gibt zu wenige Arbeitskräfte für Jobs etwa in der Gastronomie, im Tourismus und in einigen technischen Berufen. Deshalb müsse man in anderen Ländern nach Arbeitskräften suchen. Vor allem die Wirtschaftskammer und ihre Branchenvertreter machen Druck in diese Richtung.
2019 wurden beispielsweise Koch und Kellner zu Mangelberufen erklärt – obwohl es in diesen Berufen sehr viele Jobsuchende in Österreich gibt. Immer wieder in der Liste enthalten sind Berufe wie MaurerInnen, SchlosserInnen, LackierInnen oder auch OptikerInnen.
Insgesamt gibt es in Österreich mehr Arbeitssuchende als offene Stellen. Ende Oktober waren fast 270.000 Jobsuchende beim AMS gemeldet – inklusive SchulungsteilnehmerInnen waren es 341.000. Dem standen wiederum 112.000 Stellen gegenüber, die über das AMS ausgeschrieben waren. Und selbst, wenn man Ausschreibungen hinzunimmt, die außerhalb des AMS-Systems vergeben werden, kam man auf weniger als 250.000.
2022: Neben PflegerInnen offenbar auch Mangel an Ärztinnen und Ärzten in Österreich
2020 wurden erstmals PflegeassistentInnen und PflegefachassistentInnen in die Mangelberufsliste aufgenommen. Das heißt auch: Statt hierzulande mehr in den Pflegesektor zu investieren, Gehälter zu erhöhen und Arbeitszeiten für die Beschäftigten zu verkürzen, setzt man auf Arbeitskräfte aus dem Ausland. Durch die Belastung während der Pandemie droht jetzt aber trotzdem eine Pflegekrise. Die Hälfte der Pflegebeschäftigten denkt laut Umfrage darüber nach, den Job hinzuwerfen, so groß ist der Druck.
2022 wird nun sogar der Ärzteberuf als Ganzes – ohne Einschränkung auf Bereiche – als Mangelberuf festgesetzt. Auch hier ist das Problem seit Jahren bekannt. Vor allem im Bereich der HausärztInnen droht der Engpass. Den gesteht man jetzt ein und will die Lücke auch mit ÄrztInnen aus EU-Drittstaaten füllen.
Ebenfalls neu in der Liste für 2022 sind u.a. FleischerInnen, Steinmetze und WirtschaftstreuhänderInnen. Vergleicht man diese Berufe, zeigt sich jedoch, dass es (mit Ausnahme des Arztberufes) nur in einzelnen Bundesländern einen Mangel gibt. Dennoch werden die Berufe bundesweit zum Mangelberuf erklärt. So können auch Betriebe in Bundesländern, in denen es genügend arbeitssuchende Fachkräfte gibt, im Ausland um Arbeitskräfte werben.
Die Grafiken zeigen den Stellenandrang im WKÖ-Fachkräfte-Radar. Er stellt dar, wie viele Arbeitslose es pro offener Stelle für einen Beruf gibt. Es gilt: je niedriger die Stellenandrangziffer, umso größer ist der Mangel (rot bis tief rot).
Zusätzlich gibt es 52 regionale Mangelberufe
Die nun 67 Mangelberufe gelten bundesweit. Zusätzlich dazu gibt es aber auch noch 52 Bundesländer-spezifische Mangelberufe. In Tirol bekommen KöchInnen und KellnerInnen für eine Vollzeitstelle 1.590 Euro netto. Viele Stellen sind auch nur saisonal ausgeschrieben und beinhalten 6-Tage-Wochen. Dass eine arbeitsuchende Kellnerin aus Oberösterreich für solche Arbeitsbedingungen ihren Wohnsitz (samt Familie) wechselt, ist wenig wahrscheinlich.
Wenn es für einen Hotelier einfacher gemacht wird, aus dem Ausland einen Kellner für sich arbeiten zu lassen, wird der an den Gehältern, die er bezahlt, nichts ändern. Für niemanden. Im Gegenteil werden immer weniger Menschen eine Ausbildung für diese Berufe ergreifen.
Diese Regionalisierung von Mangelberufen nützt nur der Unternehmer-Seite. Betriebe können in einem erweiterten Pool an verfügbaren Arbeitskräften fischen. Solange, bis sie jemanden finden, der zu billigsten Löhnen arbeitet. Für die schon in Österreich lebenden KellnerInnen gibt es durch die Regionalisierung nicht mehr Jobs. Sehr wohl aber gibt es dann mehr andere KellnerInnen, mit denen sie um die existenten Stellen konkurrieren müssen.
Regierung verwässerte auch Kontingente für Saisonarbeitskräfte
Nicht nur bei den Mangelberufen greifen ÖVP und Grüne ein. Auch bei Saison-Arbeitskräften. Wer aus einem Drittstaat kommt, also einem Land außerhalb des EU/EWR-Raums, muss eine Beschäftigungsbewilligung beantragen. Das gilt auch für Saisoniers, also für Menschen, die z.B. für 3 Monate auf Baustellen, in Hotels oder im Gastgewerbe arbeiten. Beispielsweise während der Sommer- und Winterstoßzeiten. Das Arbeitsministerium erlässt jedes Jahr in diesem Bereich Verordnungen, die saisonweise regeln, wie viele Personen aus Nicht-EU-Staaten in Hotel- und Gastgewerben arbeiten dürfen. Der Arbeitsminister setzt also eine Obergrenze, ein Kontingent, fest. Das gilt sechs Monate.
Diese Beschränkungen haben auch einen Sinn: Sie sollen dafür sorgen, dass man verstärkt innerhalb Österreichs nach FacharbeiterInnen sucht. Denn Österreich hat überdurchschnittlich viele Langzeitarbeitslose, die Arbeitsplätze brauchen.
Doch einige der Beschränkungen sind gefallen. ÖVP und Grüne haben im Ministerrat am 17. November 2021 eine neue Regelung beschlossen, die aus Saison-Arbeit eine Dauerlösung macht.
Während es zwar auf der einen Seite eine Obergrenze für Saisonarbeitskräfte aus Drittstaaten gibt (also ein Kontingent), soll es künftig neue „Stamm-Saisoniers“ geben: Saisonarbeitskräfte, die in drei Jahren jeweils mindestens 3 Monate in Österreich gearbeitet haben. Sie fallen dann nicht mehr ins Kontingent. Sie bekommen eine gesonderte Beschäftigungsbewilligung – obendrein entfällt die Arbeitsmarktprüfung.
In Summe heißt all das: Lohndruck für Fachkräfte steigt
In Österreich bedeutet das alles mehr Lohndruck. Arbeitskräfte aus Drittstaaten werden in der Regel schlechter bezahlt. Wenn immer mehr Menschen für niedrigere Gehälter arbeiten, steigt die Konkurrenz für alle: Wenn sich ein Arbeitgeber qualifizierte MitarbeiterInnen zum Billiglohn holen kann, wird er wenig Interesse an der Beschäftigung von österreichischen Facharbeitern oder deren Lohnerhöhung haben.
“In Zukunft sollten Berufe nur noch bei überdurchschnittlicher Lohnsteigerung und Lehrlingsausbildung auf die Mangelberufsliste gesetzt werden können. Die Definition als Mangelberuf sollte das letzte, nicht das erste Mittel zur Wahl sein, um den Arbeitskräftebedarf zu decken”, fordert deshalb Mattias Muckenhuber vom Momentum Institut.
Die kognitive Kluft driftet auseinander. Die Klugen werden immer klüger, und die Dummen werden immer dümmer.
Ich habe den Verdacht dass in dieser Regierung jede Menge Idioten sitzen. Da wird mit allen Mitteln verhindert dass Emigranten zu uns kommen können und diese sofort arbeiten können. Auf der anderen Seite sucht man verzweifelt Arbeitskräfte aus dem Ausland.