Mit Spenden für den guten Zweck will die Elite ihr Image verbessern und ihren Reichtum rechtfertigen. Steuern wollen sie keine zahlen. Dabei können private Großspenden sogar zu einer verfehlten Konzentration finanzieller Mittel auf einzelne Prestigeprojekte führen – Personal und Zeit wird dann von wichtigen, aber weniger PR-wirksamen Aufgaben abgezogen. Gerade auch bei den Spenden gilt also: Gut ist oft das Gegenteil von gut gemeint – wirklich gut ist eine steuerfinanzierte, demokratische und geplante Verteilung von Ressourcen.
Es ist wichtig, in Katastrophenfällen durch Spendenaktionen schnell zu helfen. Und es ist erfreulich, dass Menschen ihr Geld hergeben, um anderen unter die Arme zu greifen. Aber dauerhafte Ungerechtigkeiten wird man durch Spenden und freiwillige Gaben nicht abstellen. Charity neigt dazu, die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Ursprünge des Leids zu ignorieren und sie zu entpolitisieren.
Charity ist gut darin, mit den Symptomen von Armut umzugehen, nicht aber mit Armut an sich. Und Spenden in großem Stil bringen sogar einige Probleme mit sich:
1. Das Geben wird ganz oben monopolisiert
Beim freiwilligen Spenden bleibt immer ein Gefälle zwischen den erfolgreichen, großzügigen und meist prominenten Wohltätern auf der einen Seite und den armen, hilflosen und zur Dankbarkeit verpflichteten EmpfängerInnen auf der anderen Seite. Statt Ungleichheit in Frage zu stellen, setzt Charity sie voraus und nutzt sie als Gelegenheit für die Selbstinszenierung der Wohlhabenden: „Alles ist gut und schön – weil, schaut her, wie großzügig die Reichen sind!“
Peter Buffett, Sohn von Warren Buffett, einem der reichsten Männer der Welt, kommentiert das so:
“Je mehr Gemeinschaften von einem System zerstört werden, das großen Reichtum für die Wenigen produziert, desto heroischer klingt es, „zurückzugeben“. Ich nenne es eine Art „Gewissenswäsche“ – sich dabei besser zu fühlen, mehr anzuhäufen als eine Person zum Leben brauchen kann, indem ein wenig abgegeben wird als Akt der Nächstenliebe.”
Für die EmpfängerInnen kann das sogar erniedrigend sein. Eine der Folgen von Armut ist es nämlich gerade, einem geliebten Menschen nichts oder nur wenig geben zu können. Ist der Reichtum bei einigen Wenigen konzentriert, wird aus dem relativ ausgeglichenen Geben und Nehmen zwischen Menschen auf ungefähr gleicher Ebene etwas ganz Anderes: ein Monopol auf Spenden von einer geringen Zahl an Individuen, die niemandem über ihren Reichtum Rechenschaft schuldig sind.
2. Das Geben wird zur Selbstinszenierung
Die Spenden normaler Menschen fließen meist anonym, obwohl ihre Spenden einen weit größeren Teil ihres Einkommens ausmachen als bei sehr reichen SpenderInnen. GroßspenderInnen erwarten dagegen meist, dass ihr Namen oder die Marke ihres Unternehmens öffentlich wird. Neben der Eigenwerbung winkt auch ein Steuervorteil: So erhalten die Top 1 Prozent in den USA ganze 38 Prozent Steuererleichterung für wohltätige Zwecke. Auch in Österreich können Spenden von der Steuer abgesetzt werden.
Für die Reichen und Superreichen stellt Philanthropie ein symbolisches Kapital dar, das Bewunderung hervorruft und ihren Reichtum legitimiert.
Wenn jemandes Name oder Marke einem guten Zweck zugeordnet wird, ist das gute Öffentlichkeitsarbeit und Eigen-PR. Ohne zu erklären, wie und auf wessen Kosten das Geld eigentlich verdient wurde und wieviel davon wirklich gegeben wird, erkaufen sich Wohlhabende dadurch eine Aura der sozialen Verantwortung. Und werden mit obendrein mit großzügigen Steuererleichterungen belohnt.
3. Mittel werden verfehlt eingesetzt und auf Prestigeprojekte konzentriert
Eines der größten Probleme ist allerdings, dass Spenden zum Teil eine verfehlte Verteilung der Mittel bewirken. Die meisten SpenderInnen setzen auf hohe Sichtbarkeit und möglichst prestigeträchtige Projekte. Notwendige, aber weniger sichtbare Aufgaben rücken da in den Hintergrund oder geraten unter die Räder. Auch viele NGOs passen ihre Ziele an, um Geld zu erhalten.
So beeinträchtigt etwa die Bill & Melinda Gates Aids-Stiftung die Arbeit lokaler Gesundheitsdienste: Sie saugt gut ausgebildetes Personal aus der medizinischen Grundversorgung ab, um sie in den hochkarätigen Kampf gegen AIDS zu schicken. In Folge fielen viele Kinder üblicheren Krankheiten wie Geburtssepsis, Durchfall oder Asphyxiezum zum Opfer, schlicht weil das Personal zur Behandlung fehlte.
Beim spendenbedingten Fokus auf einige wenige Krankheiten werden auch grundlegende Bedürfnisse wie Ernährung oder Transportmöglichkeit außen vorgelassen: Wer an Nahrungsmangel leidet, erbricht die AIDS-Pillen. Wer aus Geldmangel nicht den Bus nützen kann, kommt erst gar nicht in die Klinik. All diese Faktoren werden bei der Mittelverteilung durch Spenden viel zu wenig berücksichtigt.
Steuern sind effizienter als Spenden
Anstatt sich auf die Präferenzen einzelner reicher WohltäterInnen zu verlassen, braucht es eine demokratische und geplante Verteilung von Mitteln, die sich auf den tatsächlichen Bedarf, die am besten geeignete Expertise und die lokalen Kenntnisse stützen. So etwas können nur öffentliche Institutionen leisten, die durch Steuermittel finanziert werden.
Es muss also darum gehen, die starre Ungleichheit in den Ausgangsbedingungen in unserem Wirtschaftssystem zu beseitigen, Reichtum zu besteuern und die Einnahmen daraus demokratisch zu verwalten. Spenden können punktuell helfen, ohne die faire Besteuerung von Vermögen, können sie aber Ungleichheit sogar weiter verfestigen.
Dies ist eine Zusammenfassung eines Kapitels aus Andrew Sayers Buch „Why We Can´t Afford The Rich“ (deutsch: Warum wir uns die Reichen nicht leisten können). Sayer ist Professor für Sozialtheorie und politische Ökonomie an der Lancaster University, UK.