Kanada: Bekannt ist es für Elche, Mounties und Ahornblätter. Kann das Abkommen mit Kanada überhaupt Tücken aufweisen? Tatsächlich ist CETA das erste einer neuen Generation von Abkommen, deren Vereinbarungen zum Teil weit über herkömmliche Handelspolitik hinausgehen. Sollte CETA in der aktuellen Form beschlossen werden, würden staatliche Handlungsmöglichkeiten künftig eingeschränkt. Wo sind die großen Probleme bei CETA und können sie noch behoben werden?
„Investitionsschutz“ – Schutz für wen?
In Österreich zeigt sich die Bevölkerung besonders kritisch, sowohl gegenüber TTIP als auch gegenüber CETA. Das liegt unter anderem daran, dass im aktuellen Entwurf von CETA beispielsweise die Investitionsschutzbestimmungen erweitert wurden. Mit dem „Investor-Staat-Streitverfahren“ (ISDS bzw. ICS) würde es Sanktions- und Durchsetzungsmechanismen für Konzerne geben. Bislang enthält noch kein einziges EU-Handelsabkommen einen solchen Mechanismus. Die EU-Kommission hat allerdings schon klar gemacht, dass sie diesen in Zukunft in alle Handelsabkommen aufnehmen möchte – von TTIP, das mit den USA verhandelt wird bis hin zu Abkommen mit Singapur, China und Japan. Manche Mitgliedstaaten fordern sogar, private Schiedsgerichte innerhalb der EU einzurichten.
Der Standard, den private Schiedsgerichte etablieren würden, könnte zu einer Zweiklassenjustiz führen, in der man mit Geld schneller und leichter zu seinem Recht kommt. Das widerspricht dem Grundgedanken der unabhängigen Justiz, vor der alle gleich sein sollen.
Die Auswirkungen solcher Streitverfahren auf staatliche Regulierung sind deutlich. Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz hat es wie folgt auf den Punkt gebracht:
Gemeinhin wird dies als „chilling effect“ beschrieben: aus Angst vor einer Klage schrecken Staaten davor zurück, neue Regelungen zu treffen.
Dass das ein Problem ist, haben nun neben der Bevölkerung auch einige Regierungen von EU-Mitgliedsländern erkannt und fordern, dass die Konzerngerichte nicht ohne Zustimmung der einzelnen Staaten gelten können.
Druck, zu liberalisieren
Auch in einem anderen Bereich bricht CETA die bestehende Praxis. Erstmals wird für zu liberalisierende Dienstleistungen eine sogenannte „Negativliste“ verwendet. Dieses Wort beschreibt eine 180-Grad-Drehung in der europäischen Handelspolitik: war es bisher die Regel, dass nur jene Dienstleistungen einer Liberalisierungspflicht unterliegen, die im Vertrag explizit aufgeführt sind, ist das bei CETA umgekehrt. Nur, was explizit ausgenommen ist, wird nicht liberalisiert.
Für Österreich fällt auf, dass z.B. Rechtsanwälte, Notare und Skischulen Ausnahmen haben, Energieversorgung, Pflege, Müllabfuhr und Abwasserbehandlung aber nicht. Zugleich fällt Österreich in sensiblen Bereichen hinter die Schutzniveaus anderer Staaten zurück: So hat Frankreich beispielsweise die Gestaltungsspielräume in der Energieversorgung umfassend mit einer Ausnahme abgesichert. Im Gegensatz zu Österreich hat sich Deutschland gleich umfassende Ausnahmen für seine Sozial- und Gesundheitsdienstleistungen eintragen lassen, da es der schwammigen EU-Ausnahme („public utilities“ – Klausel) offenbar misstraut. Das sollte auch bedacht werden, wenn deutsche RegierungsvertreterInnen davon sprechen, dass in Deutschland keine Liberalisierungspflicht für diese Dienstleistungen herrscht.
Mit dem vorliegenden CETA-Text würde also auch bei der Daseinsvorsorge ein Standard gesetzt, der Profitorientierung sogar in sensiblen Bereichen wie Sozialem und Gesundheit systematisch besser stellt als Gemeinwohlziele. In Kombination mit Konzerngerichten wäre das auch erstmals entgegen nationalen Gesetzen rechtlich durchsetzbar.
Wie kann man CETA die Giftzähne ziehen?
Wenn die Inhalte von CETA tatsächlich Standards für die Zukunft setzen sollen, muss CETA noch deutlich nachgebessert werden. Von österreichischer Seite wird nun auf mehr Handlungsspielräume für die Staaten gepocht. Unter anderem soll ihnen selbst überlassen sein, wie sie öffentliche Dienstleistungen schützen. Darüber hinaus muss vor allem der Konzern-Schiedsgerichtsbarkeit entgegengewirkt werden. Ziel ist, Gemeinwohlziele klar über Profitinteressen zu stellen.
Zum Weiterlesen:
Dani Rodriks Buch „Das Globalisierungs-Paradox“, in dem er das „Trilemma der Weltwirtschaft“ beschreibt (eine Rezension des Buches findet sich in der „taz“
ISDS: Gerichte unter falscher Flagge (Kontrast-Blog)