Die Impfstoffe gegen das Corona-Virus sind international enorm ungerecht verteilt. Das hat wenig mit den Produktionsmöglichkeiten zu tun. Das Problem liegt in einer künstlichen Verknappung durch Patente. Über 100 Länder haben sich bereits für die Aufhebung der Impfstoff-Patente auf internationaler Ebene ausgesprochen. Österreichs Regierung war bisher dagegen. WissenschaftlerInnen und Ex-Gesundheitsminister fordern in einem offenen Brief, das zu ändern.
In Österreich wird gerade fieberhaft versucht, die Impfquote zu erhöhen und Menschen zum dritten Stich zu bringen. Für Länder des globalen Südens ist das ein Luxusproblem. Die reichen Industrieländer, mit einem Anteil von nur 16 Prozent an der Weltbevölkerung, haben sich 75 Prozent aller 2021 verfügbaren Impfdosen gesichert. Burundi hat eine Impfquote von einem Promille. In Nigeria, einem der wirtschaftlich stärksten Länder Afrikas, sind es 3 Prozent, die dieses Privileg genießen. Das ist nicht nur eine Katastrophe für die betroffenen Länder – auch in Europa wird dadurch die Pandemie verlängert. Je länger der Virus zirkulieren kann, desto mehr Mutationen treten auf, die auch für europäische Gesundheitssysteme zum Problem werden.
MRNA-Impfstoffe könnten auch in Afrika produziert werden
ATTAC Österreich und Ärzte ohne Grenzen versuchen daher, die österreichische Regierung zu bewegen, die Aufhebung der Patente der großen Pharma-Konzerne zu unterstützen. Das Problem liegt nämlich keinesfalls an fehlenden Produktionsmöglichkeiten, erklärt Marcus Bachmann von Ärzte ohne Grenzen:
„Anders als von der Pharmaindustrie behauptet, sind Impfstoffe keine Raketenwissenschaft. Gerade die MRNA Impfstoff-Plattform ist gut geeignet, weltweit zum Einsatz zu kommen. Sie verwendet weniger Komponenten, ist weniger zeitintensiv und die Herstellprozesse sind weniger komplex. Das haben Moderna und BionTech/Pfizer ja auch bewiesen, indem sie in relativ kurzer Zeit die Herstellung in vielen Werken implementiert haben.“
Darum konnte Ärzte ohne Grenzen auch sieben afrikanische Impfstoffhersteller ausfindig machen, die Impfstoffe produzieren können und das auch möchten. Nur die Patente stünden der Ausweitung der Produktion noch im Weg, so Bachmann. Auch die Firma Incepta aus Bangladesch bekundete Interesse und gab an, bis zu 800 Millionen Impfdosen im Jahr produzieren zu können.
Ende November wollte die Welthandelsorganisation wieder über Corona-Patente verhandeln. Doch die Verhandlungen wurden abgesagt: Wegen der Omicron-Mutation. Da beißt sich die Katze in den Schwanz – denn patentfreie Impfstoffe hätten den Ausbruch und die Verbreitung der Mutation massiv zurückdrängen können. Österreich steht noch immer auf der Seite der Verhinderer.
Schramböck gegen Freigabe von Impfstoff-Patenten
Indien und Südafrika haben deshalb einen Antrag bei der Welthandelsorganisation (WTO) eingebracht, die Aufhebung des Patentschutzes zu erleichtern. Einzelnen Staaten steht es zwar im Prinzip frei, den Patentschutz von Medikamenten und Impfungen aufzuheben. Doch durch das TRIPS-Abkommen drohen harte wirtschaftliche Sanktionen durch andere Mitgliedsstaaten der Welthandelsorganisation. Genau dieses Abkommen wollen Indien und Südafrika zeitlich befristet aufheben. Mittlerweile haben sich ihnen rund 100 andere Länder angeschlossen, darunter auch große Industriestaaten wie die USA oder Australien. Da es für diesen Antrag in den WTO-Gremien eine Dreiviertelmehrheit braucht, konnte ihn die EU bisher blockieren. denn die sie dagegen.
Mittlerweile hat die Europäische Union ihre Taktik geändert und setzt auf Verzögerung. Sie brachte andere Anträge ein, die das TRIPS-Abkommen betreffen, aber die Frage nach den Patenten nicht anrühren, um die Abstimmungen zu verzögern. Doch die Chancen, das TRIPS-Abkommen doch noch bei der WTO-Ministertagung Ende November in Genf auszusetzen, scheinen zu steigen, denn in der EU scheren einzelne Länder aus. Spanien, Italien und Polen haben öffentlich ihre Unterstützung für den indisch-südafrikanischen Antrag bekundet. Österreich, in Form von Wirtschaftsministerin Magarete Schramböck, lehnt ihn bis dato ab. In einem offenen Brief fordern WissenschaftlerInnen, ÄrztInnen, VirologInnen und die drei Ex-Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), Alois Stöger (SPÖ) und Maria Rauch-Kallat die Regierung zum Umdenken auf. Die Initiative wird außerdem von der SPÖ, der Gewerkschaft younion, der „Plattform Anders Handeln“ und Bischof Werner Freistetter, dem Vorsitzenden der Koordinierungsstelle der Bischofskonferenz für Internationale Entwicklung und Mission, unterstützt.
Die öffentliche Hand zahlt doppelt an die Pharma-Branche
Gerade im medizinischen Bereich sind die Patente besonders absurd, meint die Leiterin des Ludwig Boltzmann Instituts Health Technology Assessment Claudia Wild bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Ärzte ohne Grenzen und Attac.
„Die öffentliche Hand zahlt hier immer zweifach. Einmal für die gesamte Grundlagenforschung und einmal, wenn dann die patentierten Impfstoffe gekauft werden müssen.“
Tatsächlich ist es so, dass die Grundlagenforschung in der Regel aus den universitären Bereich kommt und nicht von den Pharma-Riesen, so Wild. In der Pharma-Branche wird im Schnitt doppelt so viel für PR und Marketing ausgegeben, wie für Forschung, erklärt der Mediziner Gerald Gartlehner von der Donau-Uni Krems.
In der Praxis sieht das dann so aus: Für MRNA-Impfstoffe wurden 11 grundlegende Patente in den 1990er und 2000er Jahren am National Institute of Health in Pennsylvania entwickelt, 2015 an ein kleines Start Up verkauft und nur zwei Jahre später an Biontech und Moderna für je 75 Millionen Euro weitergegeben. „Das sind im Pharma-Bereich Peanuts, wenn man das mit den Gewinnen vergleicht“, erklärt Wild. Tatsächlich machten Biontech/Pfizer alleine in den ersten drei Monaten dieses Jahres einen Umsatz von 24 Milliarden Dollar – und einen Gewinn von 8 Milliarden Dollar. Die hohen Gewinne verteidigt die Vorsitzende des Österreichischen Verbands der Impfstoffhersteller (ÖVIH) Renee Gallo-Daniel, bei dem auch Pfizer und AstraZeneca vertreten sind, gegenüber den ORF mit dem hohen Risiko der Produzenten: „Die Hersteller haben bereits vor der Zulassung Produktionsstraßen ausgebaut und gestartet. Wäre der Impfstoff nicht zugelassen worden, wären die Impfstoffe auch nicht abgenommen worden.“
Es sollte keine Patente geben, wenn staatliche Mittel eingesetzt werden
Das stimmt nur bedingt: Für die klinische Forschung 2020 bekam Pfizer 400 Millionen Euro von der deutschen Bundesregierung. Gleichzeitig mit großzügigen Haftungs- und Abnahmegarantien – unabhängig von der tatsächlichen Wirksamkeit des Produktes. Die US-Regierung unterstützte Moderna mit 2,2 Milliarden US Dollar.
Moderna und Pfizer kauften also die grundlegende Technologie günstig von einer Universität, ließen sich die klinischen Studien finanzieren und übernahm nicht einmal selbst das Risiko dafür, dass das Produkt letztlich nicht wirksam sein könnte. Trotzdem verhindern sie mit Patenten, dass diese öffentlich finanzierten Impfstoffe jetzt auch der Öffentlichkeit zu Gute kommen. Deshalb fordert wild Wild:
„Überall dort, wo staatliche Mittel eingesetzt werden, sollen die Patente in einen Open-Access-Pool fließen.“
Patente auf Medizin-Produkte waren früher gar nicht möglich
Eine globale Pandemie, die durch das Beharren auf Patente einzelner Pharma-Konzerne künstlich verlängert wird, wäre vor gar nicht allzu langer Zeit unvorstellbar gewesen. Bis in die 1960er-Jahre war es in Ländern wie Deutschland oder Frankreich gar nicht möglich, Patente auf Arzneimittel zu bekommen. In Portugal und Spanien galt dieses Verbot bis 1995. Der Entdecker des Polio-Impfstoffes, Jonas Salk, antwortete noch auf die Frage, wem der Impfstoff gehöre:
„Naja, ich würde sagen, den Menschen. Es gibt kein Patent. Könnte man die Sonne patentieren?“
13 Konzerne setzten WTO-Patentschutz durch
Doch in den 90ern machten sich ein Zusammenschluss aus 13 Konzernen daran, das weltweite Patentrecht zu ändern: darunter Monsato, IBM, General Motors, Johnson & Johnson und Pfizer. Sie lobbyierten für einen Sanktionsmechanismus, der die Freigabe von Patenten durch einzelne Staaten deutlich erschweren sollte und schließlich wurde auf Druck der USA 1994 in der WTO das TRIPS-Abkommen verabschiedet. Die Konsequenzen kann man heute vor allem in Afrika beobachten: Anfang der 2000er-Jahre starben täglich 8.000 Menschen an HIV. Auch hier lag es nicht an fehlenden Medikamenten, sondern an Patenten. Pfizer hielt das Patent für den Verkauf eines Medikamentes im besonders betroffenen Südafrika. Der Konzern verlangte pro Stück 8,25 US-Dollar. In Thailand wurde das identische Generikum zu dieser Zeit schon für 29 Cent pro Stück angeboten – die Südafrikaner:innen durften es durch Pfizers Patentschutz aber nicht kaufen.
Heute verkauft der Konzern in Uganda eine Dosis des Covid-Impfstoffes für über 6 US-Dollar– das ist mehr als das dortige Gesundheitsbudget überhaupt für einen Einwohner für ein ganzes Jahr vorsieht. Das übersteigt bei Weitem die Produktionskosten, wie eine Studie des Departments of Chemical Engineering am imperial Collage of London zeigt. Bei einer Gesamtproduktion von 8 Milliarden Impfdosen belaufen sich die Kosten auf unter einen Dollar. Pfizer hat in Europa am Anfang 54 Euro pro Dosis verlangt, kostet der Stich den Regierungen rund 20 Euro.
Alle Arzneimittel sind in einer Pandemie Lage mit Einschränkungen freizugeben ein allen produckten die in einer Pandemie zur Anwendung kommen darf es keinen Patentschutz geben, bzw müssen alle diese Produkte zum Selbstkostenpreis abgegeben werden .