Im oberösterreichischen Bad Leonfelden sitzt die Firma eMagnetix, eine Agentur mit Schwerpunkt auf Online Marketing. Der Betrieb ist in den letzten Jahren gewachsen und bekommt auf offene Stellen Hunderte Bewerbungen. Der wohl wichtigste Grund dafür: Die Agentur hat die 30-Stunden-Woche eingeführt – bei Vollzeit-Gehalt. Die Beschäftigten entscheiden selbst, wann sie im Büro sind. Wie geht das? Wir haben mit Geschäftsführer Klaus Hochreiter und den MitarbeiterInnen über das Arbeitszeit-Modell gesprochen.
Fachkräftemangel und keine Bewerber: Firma wollte attraktiver Arbeitgeber werden
Dass man sich vor BewerberInnen kaum retten kann, ist nicht immer so. „Vor sechs Jahren haben wir den Fachkräftemangel massiv gespürt. Auf Ausschreibungen haben wir kaum oder gar keine Bewerbungen bekommen“, erzählt Geschäftsführer Klaus Hochreiter, als wir ihn in seiner Firma in Bad Leonfelden besuchen. Er und sein Geschäftspartner wissen, dass sie als Arbeitgeber auf die Bedürfnisse der Beschäftigten eingehen müssen – und dazu zählt: Work-Life-Balance. Kurzum: Weniger Arbeit, mehr Freizeit.
Klaus Hochreiter recherchiert damals, sieht sich an, was andere Unternehmen in seiner Branche versuchen, um diesem Wunsch gerecht zu werden. Er stößt auf Firmen in Schweden, die schon seit fünfzehn Jahren mit kürzeren Arbeitszeiten experimentieren. „Das hat mich fasziniert, weil ich wusste: Genau dahin muss der Weg gehen! Ich habe mich also mit diesen Firmen in Verbindung gesetzt – da war auch eine Werbeagentur dabei. Ich habe mit denen gesprochen, wie genau sie das umgesetzt haben, was Herausforderungen waren, was die Ableitungen waren“, erinnert sich Hochreiter. Er und sein Geschäftspartner machen sich ans Werk und erarbeiten ein erstes Modell.
Erst Skepsis, dann Freude – 2017 geht die 30-Stunden-Woche in die Testphase
Sie laden ihre MitarbeiterInnen ins örtliche Kino und präsentieren ihre Idee. Das Setting haben sie sich von Steve Jobs und Zuckerberg abgeschaut – nur kleiner. „Die Reaktionen waren gemischt. Von totaler Euphorie bis hin zu Skepsis war alles dabei“, erzählt Hochreiter.
Zu den SkeptikerInnen zählte Carina Hammer. Die 30-Jährige arbeitet seit sechseinhalb Jahren in der Agentur und leitet die „Content Unit“. „Im ersten Moment waren wir alle sprachlos, weil wir uns das nicht vorstellen konnten. Die beiden Geschäftsführer haben uns dann aber die Details erklärt. Dann überwog bei uns die Freude.“
Das Team von eMagnetix startet 2017 mit einer Testphase. Man erleichtert und automatisiert Arbeitsschritte. Wochenberichte, die die Leistung von Werbe-Kampagnen zeigen, werden automatisiert, das spart Arbeit – und ist obendrein weniger fehleranfällig. Zudem wird die Zeiteinteilung effizienter. „Wir haben zudem versucht, unterbrechungsfreie Zeiträume zu schaffen. Damit die MitarbeiterInnen konzentriert und ohne Störung etwas abarbeiten können. Leerläufe sind also weniger geworden und man bekommt in kürzerer Zeit mehr erledigt“, erklärt Geschäftsführer Hochreiter. Über 100 Maßnahmen sorgen dafür, dass die Arbeit von acht Stunden in sechs erledigt werden kann – ohne zusätzlichen Druck. Es funktioniert. 2018 entscheiden Geschäftsführung und Belegschaft gemeinsam, dass die 30-Stunden-Woche fort an zur Arbeitsnormalität wird.
Flexible 4-Tage-Woche: wann sie arbeiten, entscheiden die Beschäftigten selbst
Konkret gibt es für die MitarbeiterInnen eine flexible 4-Tage-Woche. Man kann sich aussuchen, ob man die 30 Stunden in fünf oder in vier Tagen abarbeiten möchte. Und wenn es vier Tage sind, kann man sich aussuchen, ob man Freitag oder Montag frei haben möchte. „Die KollegInnen können das auf Wochenbasis entscheiden, also immer so, dass es am besten passt. Je nach den individuellen Lebensumständen“, sagt Hochreiter.
Die Beschäftigten sind zufrieden. So auch Stefan Mitmansgruber. Er ist 34 und leitet den Kundenservice. Er steigt just bei eMagnetix ein, als dort die 30-Stunden-Woche real eingeführt wird. „Ich kannte davor nur eine 40-Stunden-Woche. Ich habe mir schon die Frage gestellt, wie das funktionieren kann, dieselbe Arbeitsmenge mit einem Viertel weniger Zeit zu schaffen.“ Stefan ist skeptisch, doch mittlerweile ist der Rhythmus „in Fleisch und Blut übergangen“, wie er sagt. Er ist erholter und kann konzentrierter arbeiten.
Andere Väter kommen erst um sechs am Abend heim, Stefan verbringt schon den Nachmittag bei den Kindern
Stefan arbeitet Montag bis Donnerstag zwischen sechs und sieben Stunden und kommt Freitag meist nur ganz kurz ins Büro. Die Nachmittage verbringt er vor allem mit seiner Frau und den zwei kleinen Söhnen.
„Ich genieße das sehr. Wir können viel unternehmen. Mir wird immer bewusst, dass das etwas Besonderes ist, wenn ich mit anderen Vätern rede, die erst um fünf oder sechs von der Arbeit heimkommen“, sagt Stefan. Auch für seine Frau ist es angenehm, dass er weniger Zeit im Büro verbringen muss. Sie hat beim Wiedereinstieg in den Beruf mehr Flexibilität, kann mehr Stunden arbeiten – weil beide genügend Zeit für die Kinder haben.
30-Stunden-Woche heißt auch: mehr Produktivität & mehr Ruhe am Wochenende
Auch die 30-jährige Carina Hammer ist zufrieden. Sie hat das mehr an Freizeit genutzt, um eine Ausbildung im Sportbereich zu absolvieren und sich beim Hausbau mehr einzubringen. „Ich konnte viel auf der Baustelle sein, verbringe aber auch viel Zeit mit der Familie und mit meinen FreundInnen. Man kann einfach viel mehr unternehmen und Termine erledigen – sogar, wenn es draußen noch hell ist. Und so sind auch die Wochenenden freier.“
Zufriedenheit der MitarbeiterInnen ist das eine – aber wie steht es mit der Produktivität? Die ist ganz klar gestiegen, zeigt Geschäftsführer Hochreiter. „Wir haben die 30-Stunden-Woche ja seit mittlerweile vier Jahren. Wir haben also viele Erfahrungen gemacht und Daten gesammelt. Wir haben das mal verglichen mit der Zeit vor der Arbeitszeitverkürzung. Und wir haben festgestellt, dass die MitarbeiterInnen ihre Produktivität um bis zu 34 Prozent gesteigert haben! Es gibt natürlich mehrere Faktoren, die das bewirkt haben – Produktivität hängt ja auch mit der Unternehmenskultur, dem Führungsstil des Managements zusammen etc. Aber der Großteil kommt vom Arbeitszeitmodell.“
Hochreiter berät jetzt auch andere Firmen, wie sie die Arbeitszeit reduzieren können
Dass Institutionen wie die Industriellenvereinigung oder die Wirtschaftskammer eine Arbeitszeitverkürzung generell ablehnen, kann der Unternehmer nicht verstehen. „Die Idee einer Arbeitszeitverkürzung ist es absolut wert, dass man sie ernst nimmt“, findet Hochreiter. „Und wir sind das beste Beispiel, dass es funktionieren kann.“ Zwar sei es eine Branchenfrage und auch Sache jedes Unternehmens individuell, ob und wie man so etwas umsetzt, die Idee aber generell vom Tisch zu wischen hält er für falsch.
Das sehen wohl auch andere Firmen so. Klaus Hochreiter hat – wohl gerade wegen der kürzeren Arbeitszeiten im Betrieb – alle Hände voll zu tun. Wohl mehr als je zuvor. Denn seit Start der 30-Stunden-Woche melden sich Firmen aller Größe und aller Branchen bei ihm, um zu sich in Sachen Arbeitszeitverkürzung beraten zu lassen. Kurzerhand hat eMagnetix das genutzt und professionalisiert: Die Agentur bietet jetzt auch in Sachen Arbeitszeit Unternehmensconsulting an. „Das Interesse, neue Wege zu gehen, ist groß“, freut sich Hochreiter.
Bevor ich mich bewerbe: Nehmen die auch Personen über 40 Jahre? Wird man mit 40 Jahren rausgeekelt?
Die 30 Wochenstunde ist ja super!
Nur was ist der LOHN?
Wenn es 17.50€ Netto, pro Stunde ist, dann wäre es am BESTEN!! Sind ca 2230.-€ mtl.
Denn man Lebt doch nur vom NETTO-LOHN, oder?
Bei einer Digitalagentur reden wir nicht von KV. Bis sicher, dass weit über Kollektiv bezahlt wird. Und damit auch mehr netto. Um 17,50.-/h netto bekommt man in dieser Branche eine 30 Stunden Kraft gleich nach der Schule (HTL etc.) – wenn man Glück hat.