Das Budgetloch ist größer als gedacht: Für heuer rechnet der Fiskalrat mit einer Neuverschuldung von 4,4 Prozent des BIP – mehr als ursprünglich angenommen. Damit liegt Österreich deutlich über der EU-Grenze von 3 Prozent und steuert auf ein EU-Defizitverfahren zu. Für SPÖ-Finanzminister Markus Marterbauer und viele Ökonom:innen ist das allerdings „kein Drama“. Was hinter dem Verfahren steckt, warum es kein Diktat aus Brüssel ist und gegen welche sieben Länder aktuell ein Verfahren läuft – liest du hier.
4,4 Prozent: Fiskalrat prognostiziert höheres Defizit für 2025
Der Fiskalrat – also jenes Gremium, das die Regierung im Budgetfragen berät – hat noch Ende letzten Jahres für 2025 ein Budgetdefizit (Neuverschuldung) von 4,1 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) angenommen. Jetzt musste die Prognose nach oben korrigiert werden: heuer wird für Österreich ein Defizit von 4,4 Prozent des BIP erwartet. Für 2026 wird ein Minus von 4,1 Prozent prognostiziert. Zudem zeigen aktuelle Zahlen (April 2025) der Statistik Austria, dass die Neuverschuldung bereits im Jahr 2024, mit 4,7 Prozent bei einer Gesamtverschuldung von 81,8 Prozent des BIP, extrem hoch war.
Laut EU-Regeln sind aber nur neue Schulden von höchstens 3 Prozent bei einer Gesamtverschuldung von 60 Prozent des BIP erlaubt. Zwar wurden während der COVID-Pandemie die Regeln gelockert bzw. ausgesetzt, mittlerweile gelten die Konvergenz- oder Maastrichtkriterien aber wieder. Wegen der Politik von ÖVP und GRÜNE in der letzten Bundesregierung droht Österreich jetzt ein EU-Defizitverfahren (ÜD-Verfahren).
„Das eigentliche Ziel dieser EU-Regeln ist es, eine wirtschaftliche Angleichung der Mitgliedsstaaten zu fördern und sicherzustellen, dass alle krisenfest bleiben“, erklärt Ökonomin und Fiskalrätin Prof. Elisabeth Springler in Kontrast-Interview. Wenn ein Land diese Regeln nicht einhält, kann es zu einem sogenannten „übermäßigen Defizitverfahren“ (ÜD-Verfahren) kommen.
EU-Defizitverfahren bedeutet lediglich engeren Austausch mit der EU-Kommission
Während eines EU-Defizitverfahrens muss das betroffene Mitgliedsland der Europäischen Kommission regelmäßig darüber berichten, wie man das Defizit in den Griff bekommen will. Die Kommission überlässt es dem jeweiligen Land selbst, welche Maßnahmen es ergreift. Denn für die Budgetpolitik eines Landes ist die jeweilige Regierung und nicht die EU zuständig.
Deshalb kritisiert Finanzminister Marterbauer auch den Versuch, das Defizitverfahren jetzt als ein „Diktat aus Brüssel“ darzustellen. Für die Bevölkerung und die Wirtschaft erwartet er sich trotz eines möglichen Verfahrens keine negativen Effekte.
„Ein Defizitverfahren würde vor allem einen engeren Austausch des Finanzministeriums mit der Kommission bedeuten, auch die Reaktion der Märkte ist gering, solange die Budgetsanierung ambitioniert weiterverfolgt wird“, so Marterbauer. Hinzu kommt, dass der Staat dadurch länger Zeit hat, das Defizit auf unter 3 Prozent zu senken, was mehr Spielräume eröffnet.
Neben Fiskalratschef Christoph Badelt sieht auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen „keinen Grund zur Panik“. Laut dem ehemaligen Universitätsprofessor für Volkswirtschaftslehre bedeutet ein Defizitverfahren lediglich formale Konsultationen mit der EU-Kommission. „Das ist alles.“
Das BIP sagt aber noch nicht automatisch etwas darüber aus, wie es den Menschen in dem Land geht. Das hängt etwa davon ab, wie dieser gemeinsam erwirtschaftete „Kuchen“ verteilt ist und wie es um andere Faktoren bestellt ist wie psychische Gesundheit, Zugang zu Grünraum oder Gleichberechtigung. Einige Länder messen deshalb den Fortschritt ihrer Wirtschaft inzwischen auch an anderen Faktoren.
Diese Länder haben laufende Defizitverfahren
Das „Verfahren bei einem übermäßigen Defizit“ (ÜD-Verfahren) ist ein seit 1997 fixierter Mechanismus der EU. Dadurch sollen die Mitgliedsstaaten die fiskalpolitischen Regeln einhalten. Derzeit durchlaufen sieben EU-Staaten ein ÜD-Verfahren mit Defiziten von deutlich über 3 Prozent:
Spanien hatte 2024 zwar auch eine Neuverschuldung von ca. 3,5 % des BIP (und eine Schuldenquote von ca. 105 % des BIP), die EU-Kommission rechnet allerdings damit, dass Spanien das Defizit in den Griff bekommt. Weil in Spanien die Wirtschaftsentwicklung derzeit sehr positiv verläuft, gibt es auch kein ÜD-Verfahren. Das wäre auch das Ziel für Österreich.
Österreichs EU-Defizitverfahren wurde 2012 frühzeitig beendet
Es gibt nur drei EU-Mitgliedsstaaten, die noch nie ein Defizitverfahren durchlaufen haben: Luxemburg, Estland und Schweden. Deutschland durchlief schon zwei Verfahren, Österreich eins – und zwar nach der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise von 2007/2008.
2009 lag das österreichische Defizit bei 5,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Auch die Staatsschuldenquote war mit 79,6 Prozent sehr hoch. Am 2. Dezember 2009 wurde ein ÜD-Verfahren eingeleitet. Die Vorgabe: Österreich müsse das Defizit bis spätestens 2013 wieder unter die 3-Prozent-Grenze bringen. Die damalige Regierung aus SPÖ und ÖVP erreichte dieses Ziel bereits 2012. 2013 betrug das Defizit nur noch 1,5 Prozent des BIP. Die EU-Kommission beendete das Defizitverfahren am 25. Juni 2013 offiziell.
Finanzminister Markus Marterbauer: So will er das Budget sanieren und die Wirtschaft ankurbeln
Sie können maximal 7 Forderungen auswählen und ihre Abstimmung im Nachhinein ändern.