Wirtschaft und Finanzen

Kooperation statt Konkurrenz: Die Genossenschaft für Gemeinwohl will unsere Wirtschaft demokratisieren

Das oberste Ziel unseres Wirtschaftslebens soll nicht länger Profitmaximierung sein, sondern ein gutes Leben für alle ohne Überbeanspruchung von Umwelt und Klima. Die Genossenschaft für Gemeinwohl verlangt u.a. das Verbot von Derivaten, Leerverkäufen sowie  Konjunkturprogramme nach Gemeinwohl-Kriterien.

Die nächste große Krise ist da. Und neben der großen Angst vor dem Virus ist die größte Angst immer noch jene vor einem Zusammenbruch unseres gegenwärtigen Wirtschafts- und Finanzsystems. Auch weil diese einem ständigen Wachstumszwang unterliegt.

Und weil die Realwirtschaft bereits seit Jahren nur geringe Wachstumsraten aufweist, hat der Zwang zur Profitmaximierung dazu geführt, dass sich die Geldvermehrung („Akkummulation“) zunehmend auf die Finanzmärkte und in den Bereich der spekulativen Finanzgeschäfte verlagert hat. An oberster Stelle steht dabei weiterhin die Profitmaximierung und nicht das Wohl der Allgemeinheit, das Gemeinwohl.

Obwohl diese Entwicklung direkt in die globale Finanzkrise nach 2008 geführt hat, verhindern mächtige Interessen erfolgreich wirksame Reformen der Finanzmärkte und des Finanzsystems. Nach der großen Wirtschafts- und Finanzkrise vor rund zehn Jahren blieb praktisch noch alles beim alten. Vielleicht bietet diese Krise die Chance, unser aller Gemeinwohl in das Zentrum unserer Wirtschaft und damit auch unseres Geld- und Finanzsystems zu rücken.

27 Milliarden Euro kostete Österreich die Bankenrettung

Viele Wirtschaftsforscherinnen- und forscher sind sich einig, dass wir uns aktuell auf eine der größten Wirtschaftskrisen der jüngeren Geschichte zubewegen. Sollte die Strategie der Verlangsamung der Neuinfektionen mit dem Covid 19-Virus erfolgreich sein, bedeutet dies nicht zuletzt, dass sämtliche Maßnahmen, die unser soziales Leben und damit auch die Wirtschaft massiv beschränken, noch recht lange aufrechterhalten werden müssen.

Sowohl Industrieproduktion als auch Konsum werden dadurch längerfristig drastisch reduziert, globale Lieferketten und Just-in-Time-Produktion zu Recht infrage gestellt. Und nicht zuletzt wurde der Kernwert der kapitalistischen Wirtschaft, das Wachstum, praktisch von einem Tag auf den anderen abrupt unterbrochen. Das deutsche Wirtschaftsforschungsinstitut IFO rechnet für Deutschland bereits mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung zwischen 7,2 und 20,6%. Vor wenigen Wochen wäre dies noch ein unvorstellbarer Vorgang gewesen, eine Entwicklung, die nur im Katastrophenfall oder angesichts eines militärischen Konflikts denkbar wäre.

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Ökonom Stephan Schulmeister

Auch auf den internationalen Finanzmärkten ist die Krise deutlich zu spüren: Die wichtigsten Börsenindizes, die seit der Finanzkrise 2008/9 um das Vier- bis Fünffache zugelegt hatten, verloren binnen weniger Tage massiv, um die 40%, an Wert. Der Ökonom Stephan Schulmeister weist darauf hin, dass als Folge viele Banken und Unternehmen die Werte ihrer Aktienportfolios bereits zu Ende des 1. Quartals diesen Jahres nach unten korrigieren müssen. Dieselbe Dynamik führte nach der Wirtschafts- und Finanzkrise ab 2008 dazu, dass das Eigenkapital der Banken zusammenschmolz, was wiederum teure Rettungsmaßnahmen durch die öffentliche Hand erforderlich machte. In Österreich belastete die Bankenrettung den Staatshaushalt Ende 2017 laut Fiskalrat und Nationalbank mit 27 Milliarden Euro.

Auch aktuell werden wieder Milliarden in „die Wirtschaft“ gepumpt

Aktuell bedeutet es unter anderem, dass kapitalmarktgestützte Pensionsvorsorgen deutlich an Wert verlieren werden. In Österreich betrifft dies die zweite – die Betriebspension – und die dritte Säule – die teils staatlich geförderte private Altersvorsorge – des Pensionssystems.

Die österreichische Regierung stellte bis dato rund 38 Mrd. Euro an Finanzhilfen für bedrohte Unternehmen in Aussicht. Die Europäische Zentralbank beschloss ein Hilfspaket in der Höhe von 750 Mrd. Euro, was in etwa 6% der Wirtschaftsleistung der Eurozone entspricht.

Die US-amerikanische Notenbank senkte den Leitzinssatz bereits am 15. März auf 0%. Und Mitte März kündigte US-Präsident Donald Trump ein 50 Milliarden US-Dollar-Hilfsprogramm an – für US-Fluggesellschaften. Am 25. März beschloss die US-Regierung schließlich ein Corona-Hilfspaket in der Höhe von zwei Billionen US-Dollar.

Der Markt regelt es auch diesmal nicht

Wie in allen Krisen trifft die Krise nicht alle gleich. Selbst in unserem Land lebt eine beträchtliche Zahl an Menschen praktisch von der Hand in den Mund. Gerade diese sind gegenwärtig akut in ihrer Existenz gefährdet. Aber auch der scheinbar abgesicherte Mittelstand ist betroffen. Denn die aktuelle Entwicklung führt dazu, dass kapitalmarktgestützte Pensionsvorsorgen deutlich an Wert verlieren. In Österreich betrifft das die zweite – die Betriebspension – und die dritte Säule – die teils staatlich geförderte private Altersvorsorge – des Pensionssystems.

Im Bereich der Wirtschaft zeigen sich die drohenden Folgen der Krise ebenfalls schon deutlich. Gerade kleine Unternehmen, Familienbetriebe und Start-up Unternehmen verfügen kaum über ausreichende Reserven, um aus eigener Kraft mehrere Monate die Einkommensausfälle zu überbrücken.

Zugleich mehren sich die Nachrichten über Wetten großer Finanzmarktakteure auf fallende Aktienkurse, so genannte Leerverkäufe. Allein der weltweit größte Hedgefonds Bridgewater Associates schloss derartige Untergangswetten in der Höhe von 14 Mrd. Dollar (12,7 Mio. Euro) ab.

Plötzlich ruft man nach der rettenden Hand des Staates

Über Jahrzehnte hinweg riefen konservative Politikerinnen und Politiker und die Wirtschaftsvertreter nach einer Verschlankung des Staates. Dieser sollte sich aus wirtschaftlichen Entscheidungen so weit wie möglich heraushalten, um dem freien Wettbewerb und dem freien Markt seinen Lauf zu lassen. Davon ist in Krisenzeiten wie jetzt keine Rede mehr.

Jetzt plötzlich muss der Staat einspringen und die zerbröckelnde Wirtschaft mit großen Finanzhilfen retten. Um eine großes Rezession abzuwenden, kommt etwa in den USA sogar eine Form von „Helikoptergeld” zum Einsatz. Das ist eine Verteilung von “frischem” Geld zwecks Konsumankurbelung an die Bevölkerung.

Wirtschaftsdemokratie & „Kooperation statt Konkurrenz“

Vielleicht liegt jetzt bzw nach der Corona-Krise eine Chance darin, dass Solidarität und Gemeinwohl stärker ins Bewusstsein der Menschen rücken. Eine Chance, die zunehmende Ökonomisierung aller Lebensbereiche – wie zB des Gesundheitswesens – zurückzudrängen. Eine Chance den anhaltenden Trend zur Privatisierung aller Lebensbereiche bis hin zur Daseinsvorsorge, endlich zu beenden.

Das aktuelle Malheur mit dem Coronavirus führt uns einige Dinge besonders deutlich vor Augen: Neben der Verletzlichkeit und Instabilität unser Wirtschaft und des Finanzsystems erkennen wir, dass wir als Menschen letztendlich aufeinander angewiesen sind.

Dies birgt die Hoffnung, dass eine verstärkte Orientierung am Gemeinwohl endlich auch in die Wirtschaft und ins Finanzsystem Eingang findet. Vielleicht hilft uns ein Krankheit verursachendes Virus dabei, dies endlich zu erkennen und unsere Welt derart neu zu gestalten. So dass fortan ein gutes Leben für alle ohne Überbeanspruchung von Umwelt und Klima das oberste Ziel unseres Wirtschaftslebens ist und nicht wie bisher die absolute Profitmaximierung.

Wenn wir nun eine Umgestaltung von Gesellschaft und Wirtschaftslogik anstreben, sollten wir uns nicht ausschließlich auf die bestehenden Institutionen verlassen, sondern aktiv die demokratische Mitbestimmung bei der Gestaltung unseres Wirtschafts- und Finanzsystems einfordern.

Maßnahmen: Verbot von Derivaten, Leerverkäufen und Konjunkturprogramme nach Gemeinwohl-Kriterien

Grundsätzliche Ziele aus Sicht der Genossenschaft für Gemeinwohl

  • Für ein Geld- und Finanzsystem jenseits von grenzenlosen Profiten und Wachstum (das der realen Wirtschaft und damit der Gesellschaft dient)
  • demokratische Mitbestimmung in der Gestaltung unserer Wirtschafts und der Finanzwelt
  • Gezielte Unterstützung in der Krise gerade für die kleinen Unternehmen, die die Basis unserer Grundversorgung mit Produkten und Dienstleistungen auf lokaler Ebene bilden

Konkrete Maßnahmen zur Abfederung der Krise und für danach:

  • ein sofortiges unbefristetes EU-weites Verbot von Derivaten und Leerverkäufen an den Finanzmärkten. Dass Verbote von Leerverkäufen möglich sind, zeigt sich aktuell in Europa. Neben Österreich erließen u.a. Italien und Spanien in den vergangenen Tagen zeitlich befristete Verbote von Leerverkäufen.
  • verpflichtende Prüfung von Investitionen und Kreditvergaben im Rahmen eines umfassenden Konjunkturprogramms zur Förderung der Wirtschaft nach der Krise nach ethischen und Gemeinwohl-Kriterien

Christian Felber von der Genossenschaft für Gemeinwohl sieht die Geldpolitik durch Zentralbanken als zentralen Mechanismus zur Abfederung der drohenden Wirtschaftskrise. Erfordert ein deutliches Signal zur gezielten Unterstützung kleiner Unternehmen, jener von Arbeitslosigkeit Betroffenen und zur Verhinderung einer tiefgreifenden Rezension mit all ihren fatalen Auswirkungen auf das Leben vieler Menschen.

Gerade die Beendigung der Kreditvergaben durch Geschäftsbanken, die eins zu eins für spekulative Finanzgeschäfte genutzt werden und keinerlei realwirtschaftlichen Bezug haben, bildet einen wirksamen Hebel im Sinne eines gemeinwohlorientierten Geld- und Finanzsystems. Dies würde die Finanzspekulation in Zukunft deutlich erschweren. Diese trägt ohnedies nicht zur Finanzierung realwirtschaftlicher Unternehmungen bei, sondern führt vor allem zu massiver Vermögenskonzentration.

Genossenschaft für Gemeinwohl – ein Angebot, gemeinsam konkret zu handeln

Mit einer Crowdfunding-Plattform und dem Angebot des Gemeinwohlkontos in Kooperation mit dem Umweltcenter der Raiffeisenbank Gunskirchen hat die Genossenschaft für Gemeinwohl bereits erste Schritte für ein Wirtschaften mit sozialer Verantwortung gesetzt. Hier können entweder direkt oder mit dem Guthaben auf dem Gemeinwohlkonto gezielt Investitionen in geprüfte nachhaltige und regionale Unternehmen und Initiativen getätigt und gefördert werden.

Und zwar ausschließlich! Als Genossenschaft mit rund 5.000 Mitgliedern setzen wir uns für die Schaffung eines Geld- und Finanzsystems ein, das dem Gemeinwohl dient. Wir sind in diesem Sinne eine Interessensvertretung für Menschen, die den Wandeln des Wirtschafts-, Geld- und Finanzsystem aktiv vorantreiben. Für Menschen, die sehen, dass dies eine notwendige Grundlage ist, um den großen Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen: der Klimakrise ebenso, wie einer extrem unausgewogenen Verteilung von Ressourcen, die ein friedliches Zusammenleben von Menschen gefährdet, und der Schwächung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Jede*r Genossenschafter*in ist Teil einer community, die dafür nicht nur Bewusstsein schafft, sondern auch konkrete Angebote bereitstellt. Dadurch kann jede*r einzelne bereits heute einen Beitrag zu einer resilienten und krisenfesten Wirtschaft leisten.

Genossenschaft für Gemeinwohl

Die Genossenschaft für Gemeinwohl ist aus einer zivilgesellschaftlichen Initiative hervorgegangen, die sich im Jahr 2010 als Reaktion auf die letzte große Finanzkrise gebildet hat. Sie setzt sich für ein demokratisches Geld- und Finanzsystem ein, das jenseits von grenzenlosem Gewinn und Wachstum dem Gemeinwohl und damit der Gesellschaft dient. Die Genossenschaft hat heute rund 5.000 Mitglieder.

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Angelika
Angelika
8. Dezember 2020 12:32

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