Die EU-Wettbewerbskommissarin Magrethe Vestager hat eine Rekordstrafe gegen Google verhängt. 2,42 Mrd. Euro muss der Internet-Multi zurückzahlen, weil er bei Preisvergleichen seine Marktmacht missbraucht und KonsumentInnen getäuscht hat. Die Wettbewerbskommissarin wird immer mehr zum Alptraum der Internetriesen und zeigt: KonsumentInnen und Staaten sind den Online-Multis nicht hilflos ausgeliefert. Mit Wettbewerbsstrafen, Beihilfeverfahren und einer europäischen Strategie gegen Steuervermeidung kann man sie in die Schranken weisen.
Damit die freie Marktwirtschaft entstehen konnte, mussten Anfang des 20. Jahrhunderts in Europa und den USA große Kartellprozesse gegen die Marktmacht von Monopolen geführt werden. Globale Multis wie Standard Oil, oder AT&T wurden zerschlagen, die KonsumentInnen profitierten von sinkenden Preisen und mehr Angebot durch zahlreiche neue MarktteilnehmerInnen. In der digitalen Ära haben sich neue Monopole gebildet: Wenige Unternehmen wie Google, Facebook oder Amazon dominieren einen Großteil des Marktes. Die stärkste Waffe der EU gegen den Missbrauch dieser enormen Marktmacht ist das Wettbewerbsrecht.
So auch bei Google. Der Konzern hat mit seiner Suchmaschine eine ungesunde Monopol-Stellung geschaffen und bei Preisvergleichen seine Marktmacht missbraucht:
Die eigenen Angebote im Onlinehandel wurden bei den Suchergebnissen einfach bevorzugt. Das ist nicht nur unfairer Wettbewerb, sondern auch für VerbraucherInnen mehr als problematisch: Sie verlassen sich auf die scheinbar neutrale Suchmaschine.
EU-Wettbewerbskommissarin Vestager reagierte daher mit einer 2,42 Milliarden Euro hohen Strafe. Weitere Strafen werden angedroht, da noch zwei Verfahren gegen Google laufen. Auch wenn die Strafe für Google selbst nur einen Bruchteil des eigenen Umsatzes ausmacht, zeigt sie doch Handlungsmöglichkeiten gegen die Macht der Multis auf. Mit Wettbewerbsstrafen, Beihilfeverfahren und einer europäischen Strategie gegen Steuervermeidung kann man sie in die Schranken weisen.
2014 zahlte Google zwei Prozent Steuern
Google ist auch bei der Steuervermeidung groß im Geschäft. Durch die sogenannte “Double Irish with a Dutch Sandwich”-Konstellation, verschob Google den Gewinn, der nicht in den USA erwirtschaftet wird, auf die Bahamas – durch zwei irische und eine niederländische Tochtergesellschaft. Der offizielle Gewinn im Jahr 2014 konnte so auf 1 Mio. Euro und die Gesamtbesteuerung auf zwei Prozent reduziert werden. Am Ende hat Google nur 20.000 Euro an Steuern bezahlt. “Das ist Kapitalismus“ – war die lapidare Antwort von Google-Verwaltungsratspräsident Eric Schmidt auf die Empörung über diese Steuerpraktiken.
Derart dreiste Steuer-Konstrukte sind heute nicht mehr möglich, und dennoch gibt es weiterhin Schlupflöcher für globale Internetriesen:
- Etwa die Steuerfreiheit von Online-Werbung: In Österreich gilt die 5-prozentige Werbeabgabe nicht für den Online-Bereich. Multis wie Google profitieren davon über alle Maßen, schließlich verdient das Unternehmen 90 Prozent seines Umsatzes mit Online-Werbung.
Mit der sogenannten Google Tax, die von der SPÖ vorgeschlagen wurde, soll die Werbeabgabe daher auf Werbeumsätze von Internetkonzernen ausgedehnt werden, deren Webseiten in Österreich abrufbar sind. Die aufkommensneutrale Gestaltung der Online-Werbeabgabe soll garantieren, dass österreichische Unternehmen im Gegenzug weniger Steuern zahlen.
- Doch auch wenn Google seinen Anteil an der Werbeabgabe zahlt, muss noch immer dafür gesorgt werden, dass der Internet-Riese seine normale Gewinnsteuer für Geschäfte zahlt, die in Österreich gemacht werden. Und hier setzt das Konzept der digitalen Betriebsstätte an: Steuern sollen dort gezahlt werden, wo Geschäfte gemacht werden. Wenn also Google, Facebook und Co über keine österreichische Niederlassung verfügen, hier aber erhebliche Umsätze machen, sollten sie auch hier besteuert werden.
EU-Vorstoß gegen Gewinnverschiebung
Dass Maßnahmen gegen Steuertricks dringend notwendig sind, hat auch die EU erkannt. Die EU-Kommission hat einen Vorschlag gegen Gewinnverschiebung präsentiert und strebt eine EU-weite Vereinheitlichung der Berechnung der Körperschaftssteuer an (die sog. Gemeinsame Konsolidierte Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage). Die EU-Abgeordnete Evelyn Regner hat in diesem Zusammenhang die digitale Betriebsstätte ins Treffen geführt, da das Konzept der physischen Betriebsstätte in Zeiten der Digitalisierung nicht mehr greift. Jetzt geht es darum, das auch in Gesetze zu gießen.
In Österreich weigerte sich die ÖVP bislang den Vorschlag der Besteuerung digitaler Betriebsstätten umzusetzen. Die Reaktion von Finanzminister Schelling im April lautete: „In Österreich nicht umsetzbar“. Mittlerweile spricht sich Schelling immerhin für eine europäische, wenn auch weiterhin nicht österreichische Lösung aus. Ob das mehr als ein Lippenbekenntnis ist, wird sich im Laufe der Verhandlungen zeigen.
Wenn Marktteilnehmer zu Eigentümern des Marktes werden
Wie der Kampf gegen die Monopolbildung im Internet weitergeht, bleibt spannend. Einerseits zeigen Maßnahmen wie jene von Kommissarin Vestager, dass KonsumentInnen und BürgerInnen den digitalen Multis nicht einfach ausgeliefert sind. Andererseits muss überlegt werden, ob die bisherigen Maßnahmen wirklich ausreichen.
Unternehmen wie Google oder Amazon werden von Marktteilnehmern immer mehr zu Eigentümern des Marktplatzes selbst. Amazon ist nicht einfach ein Onlinehändler, sondern die Plattform, auf der Onlinehandel überhaupt stattfindet. Dadurch wird die Konkurrenz verdrängt, die Preise für KonsumentInnen steigen und Beschäftigte verlieren ihre Jobs.
Wir müssen darüber nachdenken, ob es überhaupt Unternehmen geben soll, die Marktanbieter und Marktplatzanbieter zugleich sind. Aber auch darüber, wie wir das Wettbewerbsrecht weiterentwickeln und ob es nicht an der Zeit ist, die Standard Oils und At&Ts unserer Zeit zu zerschlagen.