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Die Kassen-Pläne: Mehr Macht für Unternehmer, schlechtere Leistungen für Versicherte

Die Kassen-Pläne: Mehr Macht für Unternehmer, schlechtere Leistungen für Versicherte

Kontrast Redaktion Kontrast Redaktion
in Gesundheit, Politik, Schwarz-Blau
Lesezeit:5 Minuten
24. Mai 2018
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Die Regierung hat ihre Kassen-Pläne bekannt gegeben: Die Beschäftigten werden in den Gremien der Sozialversicherung zugunsten der Unternehmer entmachtet, grobe Ungerechtigkeiten bei Leistungsunterschieden bleiben unberührt und  Konzerne wollen ihre Beiträge reduzieren. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten.

Die ÖVP-FPÖ Regierung will 21 Krankenkassen auf 4 oder 5 Kassen zusammenlegen und dadurch 200 Millionen Euro im Jahr sparen. Sie spricht davon, dass für gleiche Beiträge gleiche Leistungen erbracht werden sollen. Klingt schön – stimmt nur nicht:

  1. Es wird weiterhin verschiedene Kassen mit unterschiedlichen Leistungen geben: Die großen Ungerechtigkeiten zwischen Beamtenversicherung und Angestellten-Versicherung werden nicht beseitigt.
  2. Wo es zu einer Angleichung der Leistungen kommt, drohen schlechtere Leistungen.

50 Gesprächsrunden sollen zu der Reform geführt haben. Tatsächlich heißt es aus Gewerkschaftskreisen, dass es keine einzige Verhandlungsrunde mit den Sozialpartnern gegeben hat. Stattdessen hat die Regierung ein Modell vorgelegt, das ziemlich genau den Forderungen von Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung entspricht. Das heißt vor allem: Niedrigere Beiträge für Arbeitgeber und ein Übergewicht der Wirtschaftsvertreter in den Entscheidungsgremien.

Hier die wichtigsten Fragen zur Kassenreform:

Welche Versicherungen werden zusammengelegt?

Die größten Umstrukturierungen wird es für die Arbeitnehmer geben. Über die neun Gebietskrankenkassen wird mit der österreichischen Gesundheitskasse eine zentralisierte Einheit gestülpt. Bauern und Unternehmer werden sich in einer gemeinsamen Kasse für Selbstständige wiederfinden. Die Beamten und Eisenbahner bekommen eine gemeinsame Kasse für den öffentlichen Dienst. Die Pensionsversicherungsanstalt bleibt weiterhin bestehen. Unklar ist das Fortbestehen der potentiell fünften Versicherung: der Allgemeinen Unfallversicherung (AUVA).

Bringt die Zusammenlegung wirklich Harmonisierung?

Es wird keine echte Harmonisierung geben. Gleiche Leistungen soll es nur innerhalb der neu geschaffenen Kassen kommen, nicht aber zwischen den Kassen. Es wird also weiter verschiedene Kassen mit unterschiedlichen Beiträgen und unterschiedlichen Leistungen geben.

Innerhalb der Gebietskrankenkassen hat der Haupverband die Leistungen schon heute weitgehend harmonisiert – hier ist der Bedarf also gering. Die großen Ungerechtigkeiten bestehen zwischen Privatangestellten und Beschäftigten im öffentlichen Dienst – und die werden weiter bestehen.

In Zukunft werden zwar Unternehmer und Bauern die gleiche Leistung erhalten. Beamte genießen aber weiterhin andere Leistungen als Bauarbeiter oder Bankangestellte. Genau diese Ungerechtigeit bemängelt die Effizienz-Studie der London School of Economics 2017 , auf die sich die Bundesregierung beruft:

Weil die Beamtenversicherung fest angestellte, gut bezahlte öffentlich Bedienstete versichert, kann sie weit mehr Leistungen anbieten als die Gebietskrankenkassen. Dort sind auch Arbeitslose, Niedrigverdiener und Mindestpensionisten versichert. Eine Zusammenlegung müsste einen Ausgleich schaffen, rät die Studie. Die Regierung will die Privilegien der Beamten aber erhalten.

Wird es künftig weniger Arbeitnehmer in den Gremien geben?

Der Einfluss der Arbeitnehmer-Vertreter wird massiv zurückgedrängt. Tatsächlich gibt es in Österreich rund 3,6 Millionen Arbeitnehmer und 324.000 Unternehmer – das heißt auf einen Unternehmer kommen 11 Arbeitnehmer. Der allergrößte Teil davon ist in den Gebietskrankenkassen versichert, dort stehen derzeit 4 Arbeitnehmer einem Unternehmer-Vertreter gegenüber. Obwohl kein einziger Unternehmervertreter dort versichert ist.

Künftig sollen beide Seiten in der Österreichischen Gesundheitskasse gleich stark vertreten sein. Argumentiert wird das damit, dass Unternehmen auch die Hälfte der Beiträge  leisten. Doch auch das stimmt nicht: Gerade einmal 28,7 Prozent der Gesamteinnahmen der Gebietskrankenkassen stammt von den Arbeitgebern. Trotzdem gibt ihnen die Regierung die Hälfte der Entscheidungsmacht über die Gelder der Beschäftigten.

Dazu kommt, dass selbst dieses Drittel im eigentlichen Sinn keine Arbeitgeberbeiträge sind, sondern Lohnteile. Denn die Beiträge der Unternehmen werden nicht vom Gewinn des Unternehmens abgezogen, sondern vom Lohn jedes einzelnen Beschäftigen – dem Lohn, den sie selbst erwirtschaftet haben.

Was verändert sich, wenn Unternehmer über Beitragsgelder der Beschäftigten entscheiden?

Wirtschaftsvertreter haben in der Sozialversicherung künftig deutlich mehr mit zu reden. Und dadurch drohen Leistungskürzungen. Schließlich drängt der Industrielle-Flügel der ÖVP schon lange auf eine Senkung ihrer Beiträge. Mit der Kürzung der AUVA-Beiträge um 500 Mio. Euro hat die Regierung diesem Drängen schon nachgegeben.

Einen Vorgeschmack auf den Kurs der Arbeitgeber-Seite in den Gebietskrankenkassen hat der Chef der Industriellen-Vereinigung (IV) Georg Kapsch gegeben:

„Was nicht funktionieren wird, ist, dass man die Leistungen nach oben harmonisiert.“

Will man Leistungen angleichen, ohne sich nach oben zu orientieren, führt das zu Leistungskürzungen. Wenn also die Vorarlberger Gebietskrankenkasse für den Zahnersatz zahlt, die burgenländische aber nicht, würde das schlechtere Leistungen für einen Angestellten aus dem Ländle bedeuten.

Generell erwarten sich die Wirtschaftsvertreter in den Krankenkassen vor allem eines: Weniger Beiträge, die sie leisten müssen. Das bringt vor allem großen Konzernen mit vielen Beschäftigten viel Geld.

Die Leistungsreduktionen werden wohl auch nötig werden – denn die Regierung plant eine Milliarde bei der Sozialversicherung einzusparen.

Sind die angekündigten Einsparungen von 1 Mrd. realistisch?

Die Präsidentin des Rechnungshof Margit Kraker ist „sehr skeptisch“ und bezeichnet im ORF-Interview die Kostenschätzungen der Regierung als „Wunschdenken“. Die Reduktion der Kassen soll pro Jahr 250 Mio. Euro bringen: Derzeit haben alle betroffenen Versicherungen gemeinsam einen Verwaltungsaufwand von 481 Mio. Euro (2016). Über 40% des derzeitigen Verwaltungsbudgets müssen jährlich eingespart werden, um ohne Leistungskürzungen auf die angekündigte Milliarde Euro zu kommen.

Die Regierung will auch sparen, in dem sie 800 Funktionäre streicht. Doch 90 Prozent der ehrenamtlichen Funktionäre bekommen ein Sitzungsgeld von 42,- Euro pro Sitzung und das 2 bis 4 Mal im Jahr. Die Selbstverwaltung kostet den Versicherten gerade mal 40 Cent järhlich. Auch damit kommt man auf keine Milliarde Euro.

Das Sparpotential in der Verwaltung ist äußert gering, denn das österreichische Sozialversicherungssystem ist im Vergleich sehr günstig:

  • Während die österreichischen Krankenversicherungen 2,74 Prozent der Einnahmen für Verwaltung ausgeben, geben deutsche Krankenversicherungen im Durchschnitt 4,90 Prozent und schweizer Versicherungen 4,96 Prozent aus.
  • Pro Versichertem liegen die Verwaltungskosten in Österreich bei nur einem Drittel der deutschen oder schweizer Kosten: Hier kommen 53,24 Euro jährlich auf einen Versicherten, in der Schweiz und Deutschland sind es 142 Euro – und damit drei Mal mehr.

Schon bei der AUVA hat die Regierung gezeigt, dass ihre Sparziele „fantasievoll“ sind. Die Unfallversicherung soll 500 Mio. im Jahr sparen – dabei gibt sie nur 100 Mio. Euro in der Verwaltung aus. Will die AUVA diese Forderung erfüllen, sind Leistungskürzungen zwingend.

Warum wird den Sozialversicherungen die Prüfkompetenz entzogen?

Den Unternehmervertretern ist es schon lange ein Dorn im Auge, dass die Sozialversicherungen die Beiträge selbst einheben. Denn sie prüfen auch, ob die Beiträge richtig bezahlt werden und ahnden Unterentlohnung oder Scheinselbständigkeit. Hier ist die Regierung den Unternehmen bereits entgegengekommen: Die falsche oder verspätete Anmeldung zur Sozialversicherung soll nur mehr pauschal 855 Euro kosten, auch wenn tausende Mitarbeiter nicht richtig beider Sozialversicherung angemeldet wurden. Das hat die Regierung per Gesetz beschlossen. Jetzt wird der Sozialversicherung die Beitragsprüfung komplett entrissen.

Das bringt Nachteile für die Beschäftigten: Die Sozialversicherung hat geprüft , ob der Kollektivvertrag stimmt und auch die Beiträge einbezahlt werden, auf die die Arbeitnehmer Anspruch haben. Wird die Prüfkompetenz jetzt in das Finanzministerium verlagert, wird nur mehr auf die rechnerische Richtigkeit geschaut – die Rechte der Arbeitnehmer fallen dabei unter den Tisch. Außerdem hat die Regierung angekündigt, in der Finanzverwaltung Stellen abzubauen – es wird also weniger Prüfer geben. Das wird schon bald zu weit weniger Beiträgen führen, Lohn- und Sozialbetrug wird weit seltener auffliegen.

Was bringt die Abschaffung der Mehrfachversicherung? 

Derzeit zahlen einige Menschen wegen Mehrfachversicherungen überproportional viel in die Sozialversicherung. Das können sie auch heute schon zum Teil zurück holen. Mehrfachversicherungen entstehen beispielsweise, wenn jemand in einem Anstellungsverhältnis ist, und gleichzeitig auf Werkvertragsbasis dazuverdient. In Zukunft soll sich der Versicherte seine Krankenkasse selbst aussuchen, und falls er zu viel zahlt, das Geld automatisch zurückbekommen. An sich eine gute Sache: Betroffen von dieser Regelung sind allerdings nur 3% der Österreicher.

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Exenberger-Bernthale
Exenberger-Bernthale
27. Mai 2018 09:48

Diese sogenannte Harmonisierung und Verwaltungsvereinfachungist nur dazu da, der Regierung Macht und Einfluss zu sichern ( siehe Reform des Hauptverbandes unter Schüssel) Wir müssen uns mit Zähnen und Klauen dagegen wehren, sonst wird aus der Pflichtversicherung eines Tages eine Versicherungspflicht.
Diese Informationen müssen unter die Leute gebracht werden!

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Rupert Huber
Rupert Huber
25. Mai 2018 11:50

Diese Informationen sind sehr wichtig, müssen sie mit Ausdauer öffentlich werden! Nicht einer Neid-Diskussion auf den öffentlichen Dienst ist wichtig, die öffentlich-rechtlichen KollegInnen haben sich ja ihre Sozialversicherung nicht ausgesucht.
Zu kämpfen ist gegen das Krankjammern des Sozialstaates.

2
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ing. peter langecker
ing. peter langecker
24. Mai 2018 19:32

ich finde die zusammenlegung der krankenkassen als sinnvoll, in diesem kleinen land !
allerdings findet die leistungsgleichheit nicht statt !
es sind daher keine einsparungen, da alles überstürzt ist, sondern es geht um einen vorgriff zur zerschlagung der sozialpartnerschaft.
es gäbe ein jahr zeit um dies zu schaffen, wird jedoch nicht gemacht, sondern sofort, ohne rechnen und denken, damit alles „unliebsame“ rasch verschwindet !
all jenes wird sofort gemacht, wass den sozialstaat umdreht, alles andere nicht !

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Sylvia Gartner
Sylvia Gartner
24. Mai 2018 18:35

Johann BÖHM,Soialpolitiker,Gewerkschafter,1, Präsident des Hauptverbandes und Mitgestalter des ASVG,sagte einst:“Demokratie braucht Soziale Sicherheit.“
Ich Stimme dem zu und sehe daher in der Zerschlagung der Sozialversicherung auch einen massiven Angriff auf die Demokratie!

2
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Hammermüller Irene
Hammermüller Irene
24. Mai 2018 18:13

Es ist unglaublich mit welcher Frechheit und mit wie wenig Wissen über das System der Sozialversicherung hier alles gekürzt und vor allem gegen die Ärmsten in unserem Lande vorgegangen wird. Warum muss man sich das alles gefallen lassen – weil unsere Bevölkerung leider zu dumm ist um diese ganze Chuzpe zu durchschauen!
Diese Regierung hat etwas vor, von dem wir noch nicht wissen können wie weit sie noch geht.
Wir müssen uns alle dagegen wehren, demonstrieren, mit allen Reden um diese Aussagen zu widerlegen!

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Sylvia Gartner
Sylvia Gartner
Reply to  Hammermüller Irene
24. Mai 2018 19:18

Liebe Irene,ich glaube nicht, dass die handelnden Personen zu wenig Wissen über das System haben. Viel mehr bin ich der Meinung, dass sie das System und die Zusammenhänge genau kennen und diese Zerstörungsaktion bewusst und gewollt ist und die negativen Folgen nicht nur hingenommen werden, sondern erwünscht sind.
Ich glaube wie du, dass wir mit allen legalen Mitteln um unsere Rechte kämpfen müssen.

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Seit Beginn von Donald Trumps zweiter Amtszeit als US-Präsident erlebt die amerikanische Demokratie eine Krise. Radikale Gruppierungen gewinnen zunehmend Einfluss. Im Interview spricht die Journalistin und Autorin Annika Brockschmidt über die Entwicklung der Republikanischen Partei, die rechten Strömungen, die sie geprägt haben, und darüber, warum es innerhalb der Republikaner heute kaum noch eine Grenze zwischen konservativen Positionen und offenem Rechtsextremismus gibt. Zitat: Rechtsradikale und Rechtsextreme geben bei den Republikanern jetzt den Ton an. Sie streiten sich zwar, welches inhaltliche Sub-Thema sie betonen, aber insgesamt ist diese Partei fest in der Hand von Extremisten. Auch unabhängig davon, wie sich die Partei personell weiter entwickelt - das wird sich so bald nicht ändern. Annika Brockschmidt
Seit Beginn von Donald Trumps zweiter Amtszeit als US-Präsident erlebt die amerikanische Demokratie eine Krise. Radikale Gruppierungen gewinnen zunehmend Einfluss. Im Interview spricht die Journalistin und Autorin Annika Brockschmidt über die Entwicklung der Republikanischen Partei, die rechten Strömungen, die sie geprägt haben, und darüber, warum es innerhalb der Republikaner heute kaum noch eine Grenze zwischen konservativen Positionen und offenem Rechtsextremismus gibt. Zitat: Rechtsradikale und Rechtsextreme geben bei den Republikanern jetzt den Ton an. Sie streiten sich zwar, welches inhaltliche Sub-Thema sie betonen, aber insgesamt ist diese Partei fest in der Hand von Extremisten. Auch unabhängig davon, wie sich die Partei personell weiter entwickelt - das wird sich so bald nicht ändern. Annika Brockschmidt

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