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Können wir gewinnen? Gedanken nach der Großdemonstration

Können wir gewinnen? Gedanken nach der Großdemonstration

Die Sozialdemokratie als Bewegung, die dem Unmut der normalen Menschen eine Stimme gibt.

Josef Falkinger Josef Falkinger
in Leserstimmen
Lesezeit:3 Minuten
2. Juli 2018
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Am Samstag fand mit über 100.000 Menschen die größte Demonstration seit 15 Jahren statt (2003). Am Montag ging es weiter mit Betriebsversammlungen bei der ÖBB, Standorten der VOEST, Andritz, Böhler und der OMV. Spannend ist, dass dieses vehemente Auftreten der Gewerkschaften gegen den 12-Stunden-Tag die Regierung das erste Mal richtig in die Defensive bringt. Was können wir daraus lernen und wie können wir wieder die Mehrheit der Bevölkerung für eine soziale Politik gewinnen?

Laut einer Umfrage des Meinungsforschers Peter Hajek lehnen 59% der Österreicherinnen und Österreicher die geplanten Änderungen des Arbeitszeitgesetzes ab. Letzte Woche kritisierte die Bischofskonferenz die Regierungspläne mit scharfen Worten. Konservative Medien wie die Tageszeitung die Presse berichten ungewöhnlich kritisch. Karikaturisten nicht eben SPÖ- freundlicher Zeitungen wie Bruno Haberzettel und Pamesberger machen sich in den Sonntagsausgaben von Kurier und Krone über den Begriff der “Freiwilligkeit“ bei 12-Stunden-Tagen lustig. Die ehemalige VP-Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky spricht von einem Kniefall der Regierung vor der Industrie.

Warum nimmt die öffentliche Meinung plötzlich eine Bahn, die von der Regierung, der Wirtschaftskammer und der Industriellenvereinigung so nicht vorausgesehen wurde? Es gibt viele Ursachen – eine davon ist die entschlossene Reaktion der Gewerkschaften. Wir sind in der Frage der Arbeitszeit authentisch. Wir treten als Bewegung auf und wir haben glaubwürdige Repräsentantinnen und Repräsentanten: Barbara Teiber, Roman Hebenstreit, Wolfgang Katzian, Renate Anderl, Günther den Pflasterer und nicht zuletzt tausende Betriebsrätinnen und Betriebsräte, die sich für ihre Leute ehrenamtlich aufs Gleis hauen.

Für eine breite Allianz mit der Zivilgesellschaft

Seit langem waren die Worte eines ÖGB-Vorsitzenden nicht so entschlossen wie die von Wolfgang Katzian. “Wenn die Sozialpartnerschaft von der Arbeitgeberseite aufgekündigt wird, was bleibt denn dann übrig als zu kämpfen?“ und “Heute ist erst der Beginn der Bewegung!“ Das macht Mut. Aber viele fragen sich jetzt auch: Wie wird es weitergehen? Wird die Regierung einlenken? Wird Sebastian Kurz mit dem Thema Migration weiter populär bleiben? Wird die Arbeitgeberseite die Sozialpartnerschaft endgültig beenden?

Wolfgang Katzian hat auf Demonstration von der Notwendigkeit gesprochen, eine breite Allianz mit der Zivilgesellschaft zu schaffen. Der 12-Stunden-Tag soll auf der Ebene der Kollektivvertragsverhandlungen weiter bekämpft werden. Das ist sicher die richtige Vorgehensweise. Aber können wir gewinnen? Können wir die Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher wieder für eine soziale Politik begeistern? Ich denke die folgenden Punkte sind eine Voraussetzung dafür:

1.)  Sozialpartnerschaft muss erkämpft werden

Die Sozialpartnerschaft ist nicht selbstverständlich. Dauerhaft ist sie nur möglich, wenn Regierung und Wirtschaft wissen, dass der Preis des Ausstiegs aus der Partnerschaft höher ist als der Preis des Verbleibes. Das gilt es jetzt deutlich zu machen.

2.)  Keine Kompromisse, die sich wie Niederlagen anfühlen

Wenn es gelingt, die Arbeitgeberseite wieder an den Verhandlungstisch zu holen, dürfen die Gewerkschaften keine Kompromisse aushandeln, die sich wie Niederlagen anfühlen. Das ist in der Vergangenheit immer wieder passiert. Denken wir an die Pensionskürzung 2003, die zwar etwas abgefedert wurden, aber für die heutige Generation voll schlagend wird.

3.) Die SPÖ muss zur Bewegung werden

Wir brauchen eine SPÖ, die sich als authentische und glaubwürdige Bewegung der 95% aufstellt – an der Seite der Gewerkschaften und der Zivilgesellschaft. In Fragen des 12 Stundentages oder des Arbeitnehmerschutzes muss sie unmissverständlich und ohne Zögern die Schutzmacht der arbeitenden Menschen sein. Dazu braucht es Visionen für ein gutes Leben der Zukunft (30-Stunden-Woche, Pflegeversicherung….). Es geht darum, als Kraft aufzutreten, die die Interessen der 95% gegen die Profitgier der wenigen organisiert.

4.) Die SPÖ muss für Veränderung stehen

Sollte die SPÖ wieder eine Regierung anführen, muss sie anders als 2006 ihre Versprechen einhalten. Koalitionen wie zwischen 2006 und 2017, in denen es hauptsächlich darum ging Schlimmeres zu verhindern, höhlen uns innerlich aus.

5.) Keine Angst vor dem Thema Migration!

Die Regierung ist im Wesentlichen nur in einem Thema wirklich stark. Das ist das Thema Migration. Die Kernkompetenz der Sozialdemokratie ist die soziale Frage. Aber es gilt auch aufzuzeigen, dass Kurz und Strache in der Frage der Migrationspolitik völlig versagen.

Die wesentlichen Migrationsursachen sind die Ausbeutung Afrikas durch Agrarmultis, Rohstoffkonzerne und unfairen Handel, sowie die direkte und indirekte (Waffenhandel) kriegerische Einmischung westlicher Großmächte und Russlands im Nahen Osten (Irak, Libyen, Syrien, Afghanistan,…).  Schlussendlich der Klimawandel.

Alle drei Migrationsursachen sind aufs Engste damit verwoben, dass Profite mehr zählen als Menschen. Wenn wir das nicht grundsätzlich ändern, sind immer größere Migrationswellen unvermeidlich. Keine Militarisierung irgendwelcher Außengrenzen, keine Anlandelager können das aufhalten. Sebastian Kurz, HC Strache und seine Freunde werden niemals wirklich Fluchtursachen bekämpfen, weil sie aufs engste mit den Profitinteressen der Großkonzerne verwoben sind und genau das turbokapitalistische Wirtschaftssystem bedienen, das immer wieder neue Migrationswellen hervorbringt.

Migrationskrisen können nur verhindert werden, wenn die Bewegung der 95% gegen die maßlose Profitgier einiger weniger zu einer internationalen Bewegung auf allen Kontinenten wird, wie es dem ursprünglichen Gedanken der Gewerkschaftsbewegung und der Sozialdemokratie entspricht.

 

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6 Comments
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Split
Split
26. Juli 2018 15:23

Um zu gewinnen braucht man auch eine gute Rhetorik, die Menschen gezielt anspricht und überzeugt. Hier muss sich SPÖ ein Beispiel von siegreichen ÖVP/FPÖ nehmen, sie haben es im Wahlkampf perfekt rübergebracht, nichts dem Gegner ausgelassen!
Dreht einfach den Spieß um! Und zwar rasch! So rasch wie es diese neue Regierung liebt. Sonst landen wir rasch irgendwo im Mittelalter

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Sokrates
Sokrates
11. Juli 2018 12:13

Der Dumme, Kranke und Leidende ist leicht zu steuern/kontrollieren/befriedigen.
Je niedriger der Lebensstandard des Volkes im Allgemeinen, desto einfach sind diese mit Kleinigkeiten zufriedenzustellen.
Warum schreibe ich das?
Weil die derzeit heranwachsende Generation in eine Gesellschaft hineingeboren wird, in der nur eines zählt und zwar Gewinnaximierung um JEDEN Preis.
Die Ausbeutung des Bürgers wird zur Selbstverständlichkeit und alle Probleme, die jemand hat, hat er nur, weil er sich „nicht genug angestrengt“ hat, so heißt es…
Das sind die gegenwärtigen Maximen.
Dabei wird vergessen, dass der Friede und die Freiheit, die wir in Österreich noch halbwegs genießen können, die Folge von großer Ungerechtigkeit war, die niemand mehr ertragen konnte/wollte (Stichwort 2. Weltkrieg und der anschließende Wiederaufbau)
Die SPÖ war damals tatsächlich noch eine Partei für den Arbeiter, eine Partei des Volkes. Doch die gegenwärtige SPÖ hat sich ebenso verführen lassen, von den Bekömmlichkeiten des Kapitalismus, als Parteimitglied selbst ausgezeichnet in allen finanziellen Belangen abgesichert.
Ein SPÖler „spürt“ das Leid des Volkes nicht, deswegen nimmt es daran auch keinen Anteil. Was die SPÖ also einst groß gemacht hat, war die emotionale Anteilnahme und Vertretung der „leidenden“ Mehrheit der Bevölkerung.
Seit dem sie jedoch jeden Bezug zum Bürger verloren hat, ist sie nur noch zur ÖVP „light“ verkommen, ein Schatten ihrer selbst.

Was wir brauchen sind nicht diese nutzlosen, gar bösartigen Parteien, die jeden Bezug zum Volk verloren haben, wir brauchen fühlende, denkende Menschen, die einander helfen, sich bilden und ihren Interessen nachgehen können ohne von Existenzängsten geplagt zu werden.
Doch wie soll man in einer solchen Welt leben, wenn gerade alle ihre Grundvoraussetzungen durch Schwarzblau demontiert werden?

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Split
Split
8. Juli 2018 11:36

Gewinnen könnte SPÖ nur, wenn sie zu ihren eigenen sozial-demokratischen Prinzipien zurückfindet. Bis jetzt ist es leider nicht passiert. Ganz umgekehrt war es: Schön abgedriftet zugunsten deren, die Arbeitnehmerinnen und Bedürftigen im großen Stil ausbeuten!

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Antworten
Sonja
Sonja
5. Juli 2018 17:21

Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht! Das Problem ist das viele junge Menschen den Gewerkschaftsdanken nicht mehr kennen und auch total missverstehen!

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Antworten
Split
Split
Reply to  Sonja
8. Juli 2018 11:50

Ja, und wer ist denn schuld daran? Dass die junge Menschen sich mit nichts auskennen? Wie wäre es mit der besseren Ausbildung? Oder man braucht eher eine verblödete Bevölkerung, die seiner Peinigern auch noch huldigt?

2
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Christa
Christa
Reply to  Split
27. März 2019 07:49

Wer schuld daran ist, sollte man sicher herausfinden um nicht immer die selben fehler zu machen. Noch wichtiger ist was schuld daran ist als wer. Am wichtigsten wäre zu ueberlegen was man tun kann. Es ist nämlich höchste Zeit!

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Seit Beginn von Donald Trumps zweiter Amtszeit als US-Präsident erlebt die amerikanische Demokratie eine Krise. Radikale Gruppierungen gewinnen zunehmend Einfluss. Im Interview spricht die Journalistin und Autorin Annika Brockschmidt über die Entwicklung der Republikanischen Partei, die rechten Strömungen, die sie geprägt haben, und darüber, warum es innerhalb der Republikaner heute kaum noch eine Grenze zwischen konservativen Positionen und offenem Rechtsextremismus gibt. Zitat: Rechtsradikale und Rechtsextreme geben bei den Republikanern jetzt den Ton an. Sie streiten sich zwar, welches inhaltliche Sub-Thema sie betonen, aber insgesamt ist diese Partei fest in der Hand von Extremisten. Auch unabhängig davon, wie sich die Partei personell weiter entwickelt - das wird sich so bald nicht ändern. Annika Brockschmidt

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