Während in der Bevölkerung immer mehr Menschen aus Klimagründen aufs Fliegen verzichten, sind monatlich zehntausende Flieger ohne Passagiere quer über Europa in der Luft. Es geht darum, keine Start- und Landerechte für zukünftige Saisonen zu verlieren. Österreich hat die Regelung ausgesetzt, die EU Kommission aber will daran festhalten.
Die Aufregung war groß, als Anfang Jänner bekannt wurde, dass die Lufthansa in Europa leere Passagierflugzeuge in die Luft schickt, um sich trotz geringer Reisenachfrage begehrte Start- und Landeplätze auf Europas Flughäfen zu sichern. Die Lufthansa rechnet mit 18.000 Leerflügen in dieser Wintersaison, die Österreich-Tochter AUA mit 1.800.
Tonnen CO2 sinnlos in die Atmosphäre geblasen
Fliegen gilt als eines der klimaschädlichsten Verkehrsmittel. Der Luftverkehrssektor verursacht etwa 14 % der Kohlenstoffemissionen des gesamten Verkehrs und ist nach dem Straßenverkehr die zweitgrößte Quelle von Treibhausgas-Emissionen im Verkehr. Immer mehr Menschen steigen beim Reisen auf die Bahn um, um beim CO2-Sparen zu helfen. Umso mehr regt es auf, wenn viele Tonnen CO2 sinnlos in die Atmosphäre geblasen werden – sogar ohne Menschen zu transportieren.
„Uns Konsumentinnen und Konsumenten wird erzählt, wir sollen weniger kaufen und fliegen. Gleichzeitig schicken Behörden und Konzerne tausende leere Flüge durch Europa und blasen Tonnenweise CO2 in unsere Atmosphäre“, kritisiert SPÖ-Umweltsprecherin Julia Herr.
Die Fluglinien selbst fühlen sich nicht verantwortlich. Sie verweisen auf die Slot-Regelung der EU. Die Europäischen Kommission schreibt Nutzungspflichten für Slots auf Flughäfen vor, sonst verlieren die Fluglinien ihre begehrten Start- und Landerechte zu bestimmten Zeiten. Vergleichbare Regelungen würde es in anderen Regionen nicht geben, heißt es von Seiten der Fluggesellschaften.
In Europa steigen leere Flugzeuge auf, um ihre Slots auf den Flughäfen zu sichern.
EU will Treibhausgase bis 2030 halbieren
Die Slot-Regelung der EU wurde im März 2020 zwar ausgesetzt, seitdem aber schrittweise wieder eingeführt. Derzeit müssen die Fluggesellschaften zumindest die Hälfte der ihnen zugewiesenen Zeitnischen nutzen. Die Zahl soll für April bis Oktober auf 64 Prozent erhöht werden. In Anbetracht dessen, dass der derzeitige Flugverkehr bei einer Auslastung von 75 Prozent liege, sei das ein „faires Ausmaß“, sagt Stefan De Keersmaecker, Sprecher der EU-Kommission dazu.
“‘Brussels Airlines macht 3.000 unnötige Flüge, um Flughafen-Slots zu erhalten'”, schrieb die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberge auf Twitter. “Die EU ist sicherlich im Klima-Notfallmodus…” Die EU will mit ihrem “Fit for 55”-Programm die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55% reduzieren.
„Wer leere Flieger durch Europa schickt, hat den Ernst der Klimakrise nicht verstanden. Behörden und Konzerne müssen Geisterflüge stoppen“, sagt SPÖ-Umweltsprecherin Herr.
Ausnahmeklausel in Österreich
Der Sprecher der EU-Kommission verweist darauf, dass es in jedem Staat Slot-Koordinatoren gebe, die eigenständig über die Nutzung entscheiden könnten. In Österreich bleiben Abflug- und Landerechte von Airlines auch dann erhalten, wenn sie Corona-bedingt nicht genutzt werden können, betont Umweltministerin Leonore Gewessler.
Österreich hat eine Ausnahmeklausel für höhere Gewalt aktiviert, ganz Europa könnte eine ähnliche Regelung übernehmen. „Diese Leerflüge sind genauso absurd, wie es auf den ersten Blick scheint“, sagt Gewessler. Doch bislang hält die EU an der Regelung fest.
Der VCÖ, Verein Mobilität mit Zukunft, fordert von der EU-Kommission, die “Slot-Regelung” sofort auszusetzen. Obwohl die Coronakrise den Flugverkehr reduziert hat, haben die An- und Abflüge in Österreich im Vorjahr gegenüber 2020 um fast 16 Prozent auf 171.500 zugenommen, das würden Daten von Eurocontrol zeigen.