Inmitten der globalen Wasserknappheit und den Herausforderungen des Klimawandels setzt Marokko auf innovative Lösungen, um die Wasserversorgung seiner Bevölkerung sicherzustellen. Ein herausragendes Beispiel hierfür ist die Küstenstadt Agadir, die mit einer der weltweit modernsten Meerwasserentsalzungsanlagen neue Wege beschreitet. Erneuerbare Energien decken die hohen Energiekosten der Meerwasserentsalzung klimafreundlich. Doch ist Meerwasserentsalzung die Antwort auf die globale Wasserkrise?
Was ist Meerwasserentsalzung und warum ist sie notwendig?
Jedes Kind hat sich schon einmal gefragt, warum Seeleute auf hoher See verdursten können, obwohl sie von Wasser umgeben sind. Der Grund liegt darin, dass Wasser nicht gleich Wasser ist: Süßwasser ist für Menschen lebensnotwendig, während das Trinken von Salzwasser aufgrund seines hohen Salzgehalts dehydrierend und schädlich wirkt. In einer Welt, in der nur etwa 3 % des globalen Wasservorkommens aus Süßwasser bestehen und der Großteil davon in Gletschern, Grundwasser oder schwer zugänglichen Quellen gespeichert ist, wird die Süßwasserversorgung zunehmend zu einer Herausforderung.
Die Meerwasserentsalzung, auch als Desalination bekannt, bietet eine technische Lösung, um salzhaltiges Wasser – hauptsächlich aus den Weltmeeren – in trinkbares Süßwasser umzuwandeln. Dieser Prozess ist insbesondere in Regionen mit Wasserknappheit oder trockenen Klimazonen essenziell. Laut einem Bericht der International Desalination Association (IDA) hat die globale Kapazität zur Meerwasserentsalzung in den letzten Jahrzehnten rapide zugenommen, wobei vor allem Länder wie Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Australien auf diese Technologie setzen.
Mit einer stetig wachsenden Weltbevölkerung und dem Klimawandel, der die natürlichen Süßwasserressourcen weiter belastet, wird Meerwasserentsalzung immer wichtiger. Sie stellt nicht nur eine Notlösung in wasserarmen Regionen dar, sondern auch eine Strategie zur Sicherung von Trinkwasser für die Zukunft. Dennoch ist der Prozess energieintensiv und mit ökologischen Herausforderungen verbunden, was die Notwendigkeit für eine nachhaltige Wasserwirtschaft umso dringlicher macht.
Agadir: Vom Fischerdorf zur Vorreiterrolle in der Meerwasserentsalzung
Agadir, einst ein beschauliches Fischerdorf an der Atlantikküste Marokkos, hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem bedeutenden Wirtschaftszentrum entwickelt. Die Stadt steht jedoch, wie viele Regionen Marokkos, vor erheblichen Wasserproblemen. Dürreperioden, ein wachsender Wasserbedarf durch Landwirtschaft und Tourismus sowie der Klimawandel haben die traditionellen Wasserressourcen an ihre Grenzen gebracht.
Die Meerwasserentsalzungsanlage von Agadir ist ein technisches Meisterwerk
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, wurde in Agadir eine hochmoderne Meerwasserentsalzungsanlage errichtet. Die Anlage nutzt das Verfahren der Umkehrosmose, bei dem Meerwasser unter hohem Druck durch spezielle Membranen gepresst wird, die das Salz zurückhalten und somit Trinkwasser erzeugen. Mit einer täglichen Produktionskapazität von 275.000 Kubikmetern Wasser, aufteilbar in 150.000 Kubikmeter Trinkwasser und 125.000 Kubikmeter für Bewässerungszwecke, zählt sie zu den größten ihrer Art weltweit. Die Betreiber können die Anlage bei Bedarf auf 400.000 Kubikmeter pro Tag erweitern.
Die Anlage wurde durch eine öffentlich-private Partnerschaft zwischen dem marokkanischen nationalen Amt für Elektrizität und Trinkwasser (ONEE) und dem Ministerium für Landwirtschaft, Fischerei, ländliche Entwicklung, Wasser und Wälder realisiert. 2019 wurde es von der IDA als “Best Public-Private Partnership” ausgezeichnet.
Einsatz erneuerbarer Energien: Nachhaltigkeit im Fokus
Ein besonderes Merkmal der Agadir-Anlage ist ihr Betrieb mit erneuerbaren Energien. Dank der intensiven Sonneneinstrahlung und der starken Winde an der marokkanischen Küste wird die Anlage vollständig durch Solar- und Windenergie betrieben. Dies reduziert nicht nur die Betriebskosten, sondern minimiert auch den ökologischen Fußabdruck der Wasserproduktion erheblich.
Meerwasserentsalzung hat positive Auswirkungen auf die Region
Die Meerwasserentsalzungsanlage in Agadir hat die Region bereits spürbar nachhaltig verändert und die Trinkwasserversorgung für über eine halbe Million Menschen gesichert. In einer von Wasserknappheit geprägten Gegend bietet sie eine zuverlässige Quelle für sauberes Wasser, unabhängig von klimatischen oder saisonalen Schwankungen. Neben der Trinkwasserversorgung profitieren auch die landwirtschaftlichen Flächen in der Chtouka-Ebene rund um Agadir. Mit täglich aufbereitetem Wasser für die Bewässerung wird die Produktivität gesteigert und die wirtschaftliche Grundlage der lokalen Landwirtschaft gesichert.
Darüber hinaus hat der Bau und Betrieb der Anlage zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen, was die regionale Wirtschaft stärkt. Nicht zuletzt verbessert die Anlage die Lebensqualität der Menschen in der Region erheblich. Ein stabiler Zugang zu Trinkwasser und eine gestärkte landwirtschaftliche Basis sichern die Versorgung und erhöhen die Resilienz gegenüber den Herausforderungen des Klimawandels.
Nicht alles, was glänzt, ist Gold: Herausforderungen der Meerwasserentsalzung
Trotz der Vorteile der Meerwasserentsalzung stehen dieser Technologie erhebliche Herausforderungen gegenüber. Ein zentraler Kritikpunkt ist der hohe Energiebedarf der Entsalzungsanlagen. Der Prozess verbraucht große Mengen an Strom, wodurch Betreiber die Kosten erhöhen und bei der Nutzung fossiler Energien negative Auswirkungen auf die Umwelt verursachen. Zwar setzen moderne Anlagen, wie die in Agadir, zunehmend auf erneuerbare Energien, doch sind solche Projekte bisher die Ausnahme, und die Mehrheit der weltweiten Entsalzungsanlagen hängt weiterhin von konventionellen Energiequellen ab. Die Technik der Umkehrosmose ist zwar energieeffizienter, jedoch braucht auch sie noch große Mengen an Strom.
Ein weiteres Problem ist die Salzlauge, ein hoch konzentriertes Abfallprodukt, das beim Entsalzungsprozess entsteht. Häufig leiten Entsalzungsanlagen die Salzlauge zurück ins Meer, wodurch sie die lokalen Ökosysteme beeinträchtigen können. Der erhöhte Salzgehalt und die während der Vorbehandlung des Wassers verwendeten Chemikalien in der Lauge schädigen marine Lebensräume und gefährden die Biodiversität. Lösungen zur sicheren Entsorgung oder Weiterverwendung der Salzlauge sind zwar in Entwicklung, aber bislang nur in begrenztem Umfang verfügbar.
Ist Meerwasserentsalzung ein Erfolgsmodell für andere Regionen?
Die erfolgreiche Implementierung der Entsalzungsanlage in Agadir dient als Modell für andere wasserarme Regionen weltweit. Insbesondere die Kombination von Entsalzungstechnologie mit erneuerbaren Energien könnte in vielen Küstengebieten mit ähnlichen klimatischen Bedingungen Anwendung finden. Marokko plant bereits den Ausbau weiterer Anlagen, um die Wasserknappheit im ganzen Land zu bekämpfen.
Auch Österreich steht vor der Herausforderung der Trinkwasserbeschaffung in der Zukunft. Bis 2050 wird der Grundwasserspiegel um ein Viertel schrumpfen, während der Wasserbedarf stetig steigt. Wie das Land auf diese Zahlen reagiert, kannst du hier nachlesen. Ob Meerwasserentsalzung für Österreich von Vorteil sein kann, bleibt fraglich. Jedoch ist die Meerwasserentsalzung für von Dürre betroffene Länder ein Hoffnungsschimmer.
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