Der Verein Little Home e. V. baut kleine mobile Häuschen und schenkt sie obdachlosen Menschen. Bis heute hat er knapp 248 dieser Unterkünfte gebaut. 148 ehemalige Bewohner:innen haben inzwischen wieder eine richtige Wohnung gefunden. Für sie war das Geschenk ein Wendepunkt. Die kleinen Häuschen geben den Betroffenen Sicherheit, Ruhe und Hoffnung zurück. Kritiker:innen sehen darin nur eine Übergangslösung und sorgen sich um Mindeststandards.
Es ist nicht viel Platz. Die 3,5 m² Wohnfläche reichen gerade mal für ein Bett, ein Regal und eine kleine Kochnische. Und dennoch ist Uwe S. glücklich. Denn für ihn bedeuten sie Sicherheit, Ruhe und neue Hoffnung. 15 Jahre war er obdachlos und hat auf den Straßen Berlins geschlafen. Dann schenkte Sven Lüdecke ihm ein “Little Home”. Darin (über)lebte er zwei Jahre lang. Inzwischen hat Uwe wieder eine Wohnung mit Strom und Fließwasser und steht auf eigenen Füßen. Das “Little Home” war ein Wendepunkt.
“Little Homes”: Kleine Häuser für obdachlose Menschen
Sven Lüdecke hat den Verein “Little Home e. V.” gegründet. Seit Ende 2016 bauen er und ein Team aus ständig wechselnden Freiwilligen kleine Häuser und schenken sie obdachlosen Menschen. Nürnberg, Köln, Berlin: Deutschlandweit stehen bereits 248 dieser kleinen Unterkünfte. Für viele sind sie ein Sprungbrett zurück in die Gesellschaft: 148 ehemalige Bewohner:innen haben inzwischen eine richtige Wohnung gefunden.
Die Häuser sind einfach gebaut: Vier Wände aus Pressspanplatten, eine verriegelbare Tür und ein kleines Fenster. Dazu eine Matratze, ein Camping-Klo, ein Feuerlöscher und ein Erste-Hilfe-Set. Es gibt keinen Strom, kein Fließendwasser und keine Heizung – nur eine Isolierung aus Styropor. Das schützt vor extremer Kälte. Wasser organisieren sich die Bewohner:innen meist selbst: etwa in öffentlichen Toiletten oder Trinkwasserstellen. Ein “Little Home” kostet rund 1.000 Euro.
Ein wichtiges Detail: Die Häuser sind mobil. Sie stehen auf Rädern. Wäre dies nicht der Fall, so bräuchte der Verein für jedes “Little Home” eine Baugenehmigung.
Die Häuschen stehen größtenteils auf privaten Stellplätzen, dafür geht der Verein Kooperationen mit Städten, Bezirken und Gemeinden ein. So stellt zum Beispiel der Berliner Bezirk Kreuzberg 40 Stellplätze zur Verfügung.
Kritik: Die “Little Homes” erfüllen den Mindeststandard einer Unterbringung nicht
Lüdecke’s Projekt stößt auch auf Widerspruch. Kritiker:innen sehen Mindeststandards der Unterbringung vernachlässigt. Die winzige Wohnfläche sei menschenunwürdig und keine langfristige Lösung.
Auch Werena Rosenke vom Verein Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe sieht das Projekt kritisch. Gegenüber dem Deutschlandfunk sagt sie, “Little Homes” seien nicht sicher. Oft stünden sie an abgelegenen Orten. Das sei gerade für Frauen gefährlich. Obdachlosen Menschen etwas Sicherheit zu geben und sie kurzfristig von der Straße zu holen, hält sie trotzdem für eine gute Idee. Dennoch sollte das Ziel eine richtige Wohnung samt Betreuung durch ein:e Sozialarbeiter:in sein.
Keine Lösung – aber Übergangslösung
Lüdecke sieht das auch so. Er sieht sein Projekt auch nicht als Lösung für das Problem Obdachlosigkeit. Das sei Aufgabe der Politik. Die “Little Homes” seien nur eine Übergangslösung:
“Wir sind nicht die Lösung des Problems Obdachlosigkeit, sondern eine Lösung vor der Lösung”, sagt Sven Lüdecke, Little Home Gründer (Interview).
Inzwischen gibt es in vielen Städten regionale Ableger des Vereins. Die einfache Bauart der Häuschen macht es möglich. Anfangs ging es nur darum, den obdachlosen Menschen eine halbwegs sichere Unterkunft zu bauen. Mittlerweile hilft der Verein auch bei Behördengängen, bei Anträgen für Sozialleistungen oder bei der Jobsuche. Dafür stellt der Verein Sozialarbeiter:innen an oder arbeitet mit ihnen zusammen.
Risiken: Kommunen vernachlässigen ihre gesetzliche Pflicht zur Hilfe bei Wohnungslosigkeit
In Deutschland sind Kommunen gesetzlich dazu verpflichtet, wohnungslosen Menschen zu helfen. Sie müssen die Betroffenen menschenwürdig unterbringen. Das sei ein Alleinstellungsmerkmal, das man keinesfalls aufs Spiel setzen dürfe, betont Rosenke.
So gut die Idee des Vereins “Little Home” auch ist, sie könnte dazu führen, dass Kommunen ihre Pflicht vernachlässigen. Denn die Menschen sind ja nicht mehr wohnungslos.
Diese Sorge ist nicht ganz unbegründet. Das sieht man etwa am Beispiel der Tafeln. Tafeln geben gespendete Lebensmittel an Menschen mit geringen Einkommen weiter. Das Problem: Der Staat verlässt sich allzu sehr auf die Hilfe und bleibt selbst untätig. Die Symptome der Armut werden gelindert, aber die Ursachen bleiben. Die Teuerung, die Altersarmut oder die prekären Arbeitsbedingungen im Niedriglohnsektor werden nicht angegangen, so die Angst der Kritiker:innen.
Obdachlosigkeit nimmt zu in der EU, in Deutschland und auch in Österreich
Laut einem Bericht der deutschen Bundesregierung gibt es in Deutschland rund 263.000 obdachlose Menschen. In Österreich sind es nach Amnesty International knapp 20.000. In der Europäischen Union mehr als 700.000 Menschen.
Die Dunkelziffern dürfte jedoch weitaus höher sein, denn viele Betroffene werden vom System gar nicht erst erfasst. Sie sind unsichtbar, weil sie nirgends gemeldet sind, keine Sozialversicherung haben oder bei Freund:innen und Bekannten unterkommen.
“Eine Heimat für Heimatlose”: Das Vinzidorf Wien-Meidling
In Österreich gibt es Projekte in der Obdachlosen-Hilfe, die der Arbeit des Vereins “Little Homes” ähneln. Etwa das Vinzidorf in Wien-Meidling. Dort stehen 24 Häuschen. Jedes ist ca. 8,5 m² groß und besitzt ein eigenes Badezimmer mit Dusche und Klo.
In dem Dorf leben chronisch-alkoholkranke Männer*, die sonst auf der Straße leben müssten. Sie erhalten warme Kleidung und tägliche Mahlzeiten. Haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter:innen unterstützen die Bewohner bei finanziellen Belangen, Behördengängen oder bei gesundheitlichen Fragen.
Die Männer leben dort dauerhaft. Wer einmal dort wohnt, kann für immer bleiben. Die einzige Voraussetzung: Eine österreichische Staatsbürgerschaft oder eine gültige Anspruchsberechtigung.
Die Häuschen seien für Menschen, die überall abgelehnt werden, so der Pfarrer Wolfgang Pucher gegenüber dem Standard. Er ist der Gründungsvater der Vinzidörfer.
Das Dorf wird von der Vinzenzgemeinschaft betrieben. Die Gemeinschaft betreibt in Österreich 40 Einrichtungen, die sich um bedürftige, arme und obdachlose Menschen kümmert. Darunter Notschlafstellen, Sozialmärkte, Secondhand-Shops und ein weiteres Vinzidorf in Graz.