Die ÖVP will mehr Befugnisse für die Geheimdienste, sie soll auch die Nachrichten in den Messenger-Diensten überwachen dürfen. So wollen Nehammer und Innenminister Karner auf den Spionage-Skandal um Jan Marsalek und Egisto Ott reagieren.
Österreich wird derzeit von einem Spionagefall sondergleichen erschüttert. Wie bekannt wurde, hat der ehemalige Verfassungsschützer Egisto Ott vertrauliche Informationen an Russland weitergegeben. Die Kommunikationskette dafür lief über Jan Marsalek als Strippenzieher eines internationalen russischen Spionagerings.
Und während die ÖVP und die FPÖ sich dafür die Schuld gegenseitig hin und her schieben, nutzt Bundeskanzler Karl Nehammer die Gunst der Stunde, um eine alte Forderung seiner Partei hervorzukramen. Denn die ÖVP will wieder einmal die Überwachung von Messenger-Diensten durch die Geheimdienste. Doch benötigen Geheimdienste, die gerade einen derart großen Spionageskandal zu verantworten haben, tatsächlich noch mehr Befugnisse? Transparenz wäre zurzeit eher angebracht als zusätzliche Überwachung.
ÖVP möchte den Geheimdiensten erlauben, bei Whatsapp & Co mitzulesen
Insbesondere die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) sowie militärische Nachrichtendienste sollen mit erweiterten Befugnissen ausgestattet werden, um potenzielle Spione effektiver zu identifizieren. Dabei geht es unter anderem um die Überwachung von Messenger-Diensten wie WhatsApp & Co. Zusätzlich soll es eine erleichterte Beschlagnahmung von technischer Ausrüstung, also Handys oder Laptops, geben. Alleine die Verschärfung des Spionagegesetzes reicht der ÖVP anscheinend nicht aus.
Überwachung, um Spione aufzuspüren?
Die ÖVP argumentiert, dass man für eine härtere Bestrafung von Spionage erst mal weitere Ermittlungsbefugnisse für die Sicherheitsbehörden braucht. Doch hätten die Spione im aktuellen Fall, wenn es diese Überwachung schon gegeben hätte, nicht noch viel mehr Schaden anrichten können, da ihnen noch mehr Instrumente zur Verfügung gestanden wären, um ihre Ziele zu verfolgen? Und liegt es wirklich nur an fehlender Überwachung, wenn man nicht bemerkt, wie eine sensible Behörde wie der Verfassungsschutz vom russischen Nachrichtendienst unterwandert wird?
Die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, die in Messenger-Diensten wie WhatsApp verwendet wird, bietet einen robusten Schutz für die Privatsphäre der Nutzer*innen. Wenn Nachrichten, Fotos, Videos, Sprachnachrichten, Dokumente oder Anrufe über diese Plattformen geteilt werden, werden sie automatisch durch diese Verschlüsselungstechnologie geschützt.
Selbst eine Plattform wie WhatsApp selbst kann die Nachrichten dann nicht einsehen. Da sie nicht im Besitz der speziellen Schlüssel ist, die zum Lesen der verschlüsselten Daten erforderlich sind. Dadurch wird sichergestellt, dass die Kommunikation privat bleibt und nicht von Dritten abgefangen wird. Für viele geht es zu weit, den Geheimdiensten pauschal eine solche Möglichkeit zum Eingriff in die Privatsphäre zu geben. Zumal bereits jetzt weitreichende Befugnisse bestehen.
SPÖ-Chef Babler spricht sich gegen die Pläne zur Überwachung aus
Der Wunsch nach einer Überwachung für Messenger Dienste ist ein alter Hut, den die ÖVP nach ihren Sicherheitsdebakeln immer wieder hervorholt. Bereits in der Vergangenheit hat die Partei diesen Schritt zur Terrorprävention gefordert. Nun wird dasselbe zur Spionageabwehr verlangt. Neben der Frage nach der technischen Umsetzbarkeit gibt es aber noch weitere Fragen, die Kritiker:innen einwenden. Wie zum Beispiel:
Ist es potenziell nicht gefährlich, einer Behörde, deren Mitarbeitende erst für den eigentlichen Skandal verantwortlich waren, in Windeseile zusätzliche Befugnisse zu erteilen? Und wer schützt die Bevölkerung vor Missbrauch? Sind Terroristen und ausgebildete Spione nicht mit Leichtigkeit in der Lage, diese Art der Überwachung zu umgehen?
So stößt die ÖVP mit ihrem Vorschlag zur Erweiterung der Befugnisse auch auf Gegenwehr. Denn Datenschutzaktivisten warnen schon lange vor einem solch massiven Eingriff in die Privatsphäre. SPÖ-Chef Andreas Babler sieht die Forderung ebenfalls kritisch, wie er gegenüber der Zeit im Bild betont:
Wenn im Moment nicht einmal gewährleistet ist, dass das Innenministerium selbst im eigenen Haus mitbekommt, dass russische Geheimdienste ein Nutzen herausziehen und den Geheimdienst infiltrieren. Also, dass Strukturen nicht funktioniert und wir darauf angewiesen sind, dass ausländische Geheimdienste uns im positiven Sinne aufklären. Wer würdet in so einer Situation mehr Kontrolle fordern, um 8,5 Millionen Österreicherinnen und Österreicher zu überwachen und auf ihre Daten zuzugreifen?
Grüne Kehrtwende: Zadić plötzlich doch dafür
Justizminister Zadic war anfangs nur für eine Verschärfung des Spionage-Paragrafen. Nun scheint sie ihre Position zu ändern. Denn nachdem sich die Grünen lange dagegen ausgesprochen haben, vollziehen sie nun eine Kehrtwende und richten sich nach dem Wunsch des großen Koalitionspartners. Der Druck vonseiten der ÖVP hat hier offensichtlich seinen Zweck erfüllt.
Justizministerin Zadić äußerte sich plötzlich positiv zur Möglichkeit der Messenger-Überwachung im Rahmen einer Gefahrenabwehr. Gleichzeitig setzt sie jedoch klare Grenzen. Sie betont, dass der Einsatz von Schadsoftware ohne das Wissen der Nutzerinnen und Nutzer, um Geräte auszuspähen, inakzeptabel sei. Die bisherige Haltung der Grünen, die sich vehement gegen jede Form der Überwachung von verschlüsselten Nachrichtendiensten stellten, scheint sich hier etwas aufzulösen.