Geschichte

Widerstand gegen den Nationalsozialismus: Sophie Scholl und die Weiße Rose

In der Zeit des Nationalsozialismus war von München aus eine Widerstands-Gruppe aktiv, deren Aktivitäten bis nach Wien reichten – die Weiße Rose. Die Gruppe berief sich auf humanistische und christliche Werte und verteilte Flugblätter und platzierte Parolen auf Wänden gegen Hitler und den Nazi-Staat. Eine der Aktivistinnen war Sophie Scholl. 1943 wurde die 21-jährige Frau beim Verteilen von Flugblättern verhaftet und wenig später von den Nationalsozialisten ermordet. 

Wer war Sophie Scholl?

Sophie Scholl kam am 9. Mai 1921 als viertes von fünf Kindern in Forchtenberg, einer kleinen Stadt im nordöstlichen Baden-Württemberg, zur Welt. Ihr Bruder, Hans Scholl (geboren 1917), war zu diesem Zeitpunkt bereits vier Jahre alt. Er war es auch, der Sophie später mit dem Widerstand gegen die Nazis in Kontakt brachte.

Vater Robert Scholl war Bürgermeister von Forchtenberg. Die Mutter, Magdalena Scholl, war eine Diakonissen-Krankenschwester, die sich zuhause um die Kinder kümmerte. Nach der Bürgermeisterzeit des Vaters zog die Familie 1932 aus beruflichen Gründen nach Ulm um.

Sophie Scholl war ein nach innen gekehrter junger Mensch und entwickelte hatte einen scharfen Gerechtigkeitssinn, wie auch ihr Schullehrer bald erfahren durfte. Ihre Schwester Elisabeth (geboren 1920), die mit ihr in der Klasse saß, wurde von Sophie mehrmals intensiv gegen Ungerechtigkeiten des Lehrers verteidigt. Die Eltern Scholls waren zwar religiös, aber liberal und ließen den Kindern viele Freiheiten.

Hitler und die Nazis lehnten sie ebenfalls aus voller Überzeugung ab. Der Maler und Bildhauerkreis, mit dem die Familie in Ulm bekannt war, prägte Sophies gestalterisches Interesse. Sie zeichnete viel, war eine begabte Malerin und liebte die Natur. Auf die Frage, was sie nach dem Abitur studieren möchte, verblüffte sie die Familie aber mit der Antwort „Kunst kann man doch nicht lernen. Ich studiere Biologie.“

Gegen den Willen des Vaters traten die Geschwister Scholl der Hitlerjugend und dem Bund Deutscher Mädel bei. Doch Sophie missfiel der Umgang der Nazis mit Jüdinnen und Juden, von denen einige in ihrem Freundeskreis waren. Ihr Bruder Hans begann nach seiner Teilnahme als Fahnenträger bei einem Parteitag der NSDAP in Nürnberg schwer an den Ideen der Machthaber zu zweifeln. Besonders missfielen ihm die autoritären Machtstrukturen der Nazis und die Idee der willenlosen Unterordnung in den nationalsozialistischen Hierarchien.

Die erste Verhaftung der Scholls 1937

Der endgültige Bruch mit dem Regime erfolgte mit der Festnahme Sophies, Hans´ und weiteren jungen Menschen durch die Gestapo im Spätherbst 1937. Sophie und Hans sympathisierten mit der Bewegung „Deutsche Jungenschaft vom 1.11“, einer der Wandervogelbewegung zuzurechnenden Jugendbewegung, mit der die Nazis in den 1930er Jahren zuerst noch zusammenarbeiteten und die danach jedoch immer mehr an den Rand der Illegalität gedrängt und schließlich komplett verboten wurde.

Da sie sich bei den Verhören ahnungslos stellten und den Gestapo-Leuten bei den Verhören glaubhaft vermittelten, dass sie von dieser Bewegung keine Ahnung hatten, wurden sie schließlich nach wenigen Tagen aus der Untersuchungshaft entlassen. Sophie wurde sogar umgehend wieder frei gelassen.

Sophie Scholl war eine introvertierte Person. © Hans Scholl

Anschluss Österreichs und November-Pogrome

Auch die weiteren Ereignisse des Jahres 1938 waren prägend für Geschwister Scholl, um von nun an vermehrt gegen die Nationalsozialisten aktiv zu werden. Es war der „Anschluss“ Österreichs, der Einmarsch deutscher Truppen im Sudetenland und die Pogromnacht im November, die sie endgültig zu überzeugten Widerstandskämpfern werden ließen.

Im Winter 1941/42 wurde in einer großen Propagandaaktion aufgerufen, warme Kleidung, Decken und auch Skier für die deutschen Soldaten an der Ostfront zu spenden. Sophie lehnte dies strikt ab und erklärte einem Freund, der Spenden dafür sammelte:

„Ob jetzt deutsche Soldaten erfrieren oder russische, das bleibt sich gleich und ist gleichermaßen schlimm. Aber wir müssen den Krieg verlieren. Wenn wir jetzt Wollsachen spenden, tragen wir dazu bei, den Krieg zu verlängern.“

Auch Sophie Scholl musste ihren Dienst beim Reichsarbeitsdienst verrichten. Dieser war für alle Jugendlichen verpflichtend für mindestens 6 Monate und war Teil der Erziehung zum Nationalsozialismus. Sophie Scholl arbeitete in einem Kinderheim in Blumberg (Baden-Wartenberg)  und beendete ihren Dienst im Frühjahr 1942. Danach kehrte sie nach Ulm zurück. Noch im selben Jahr zog sie nach München weiter, um dort mit ihren 21 Jahren Biologie und Psychologie zu studieren. Ihr Bruder Hans lebte bereits  seit 1939 in der Stadt.

Gründung der Weißen Rose 1942

Gemeinsam mit seinen beiden Studien-Freunden Alexander Schmorell und Christoph Probst gründete Hans Scholl im Juni 1942 die Widerstandsgruppe Weiße Rose. Die Motive für die Gründung waren stark geprägt von ihren christlichen Werten. Für die Familie Scholl waren Grundsätze wie Freiheit, Gerechtigkeit und selbständige Entscheidungsfindung zentrale Bestandteile des Glaubens. Alexander Schmorell war ein Mitglied der russisch-orthodoxen Kirche. Im engeren Sympathisantenkreis der Organisation fanden sich auch Mitglieder der bekennenden Kirche. Diese evangelische Glaubensbewegung stellte zu einem erheblichen Teil eine Oppositionsbewegung innerhalb der Deutschen Evangelischen Kirche dar. Viele der Geistlichen sträubten sich gegen eine Gleichschaltung der Naziideologie mit der evangelischen Kirche.

Kurz nach der Gründung der Weißen Rose begannen Scholl, Schmorell und Probst die ersten Flugblätter gegen das Regime zu vervielfältigen. Hans‘ Freunde wurden bald mit Sophie Scholl bekannt und so kam sie in den Kontakt mit den Widerstandsideen der drei.

Alle Freunde mussten aber kurz nach dem Beginn ihrer Flugzettelaktionen den Nazis als Soldaten bei ihrem Krieg dienen und wurden eingezogen. Auch Sophie wurde nach ihrem Dienst im Reichsarbeitsdienst genötigt, zwei Monate in einem Rüstungsbetrieb gemeinsam mit russischen Kriegsgefangenen zu arbeiten.

Im 22. Wiener Gemeindebezirk gibt es seit 2008 eine Gasse, die der Widerstandskämpferin gewidmet ist. © GeschichteWiki Wien

Propaganda gegen den Krieg

Als alle im Herbst 1942 wieder zurück in München waren, setzten sie ihre Aktionen mit noch größerer Überzeugung und mit Nachdruck fort. Merkten sie doch an der Front, wie grausam und verabscheuungswürdig dieser Krieg geführt wurde. Das benötigte Papier und die Matrizen kaufte Sophie immer in unterschiedlichen Geschäften der Stadt und einmal bei einem Besuch bei ihrem Onkel in Wien. So gelang es lange Zeit, keine Aufmerksamkeit der Behörden auf sich zu ziehen.

Das Vervielfältigungsgerät, das im Atelier der Freunde untergebracht war, mussten sie mit einer Handkurbel antreiben. Mit den fertigen Zetteln schwärmten sie aus und verteilten sie heimlich in Deutschland und Österreich. Mit dem Zug fuhren die Mitglieder nach Stuttgart, Berlin, Hamburg, Salzburg oder Wien, um ihre Botschaften tausendfach unter die Leute zu bringen.

„Wenn hier Hitler mir entgegenkäme und ich eine Pistole hätte, würde ich ihn erschießen. Wenn es die Männer nicht machen, muss es eben eine Frau tun.“

Sophie zu ihrer Schwester Inge, bei einem Stuttgart-Besuch

Erneute Festnahme im Februar 1943

Die letzte Verteilaktion, die auch zur Verhaftung führte, war wohl die spektakulärste. Sophie und Hans machten sich am 18. Februar 1943 mit einem Handkoffer voller Flugblätter auf den Weg zur Universität München. Ihr Ziel war es, alle Zettel heimlich auszulegen, bevor zur Mittagszeit die Vorlesungen endeten und alle Studierenden die Hörsäle verließen. Den übrig gebliebenen Rest warfen die Geschwister von oben in den Lichthof der Universität.  Der Hausdiener Jakob Schmid sah die beiden nach der Aktion die Treppen hinunterlaufen und hielt sie fest. Universitätsrektor Walter Wüst, ein SS-Oberführer, alarmierte darauf die Gestapo, die beide festnahm.

Prozess und Todesstrafe

Vier Tage lang wurden Sophie und Hans im Wittelsbacher Palais, dem Hauptquartier der Gestapo in München, verhört. Als letztlich das Leugnen nichts mehr nutzte, übernahmen die beiden die volle Verantwortung für die Flugzettelaktion, ohne jemanden ihrer Freunde zu belasten.

Christoph Probst hatte an den Tagen der Niederlage der Wehrmacht in Stalingrad ein Flugblatt entworfen. Diesen mit „Hitler und sein Regime müssen fallen, damit Deutschland lebt!“ beschrifteten Entwurf hatte er Hans Scholl übergeben. Scholl trug das Papier bei der Flugblatt-Aktion an der Universität bei sich. Als Beweisstück reichte es für die Gestapo aus, um auch Christoph Probst festzunehmen. Bereits am Tag des Geständnisses der Geschwister wurde den drei Widerstandskämpfer:innen der Prozess gemacht.

Roland Freisler (Mitte), Vorsitzender des Volksgerichtshofes,  verurteilte die Angeklagten zum Tod. © Gedenkstätte Deutscher Widerstand

Nach einer fünfstündigen Verhandlung, bei der der Ausgang bereits vorher klar war, wurden alle drei zum Tode verurteilt. Die Eltern Scholl hatten nur sehr kurzfristig von der Verhaftung und dem geplanten Prozess erfahren. Sie schafften es daher erst nach der Urteilsverkündung nach München und konnten ihre Kinder ein letztes Mal für kurze Zeit sehen.

„Es lebe die Freiheit.“

Hans Scholl vor seiner Hinrichtung

Sophie Scholl wurde 21 Jahre alt, ihr Bruder Hans 24 und der dreifache Vater, Christoph Probst, von dem das jüngste Kind gerade einmal vier Wochen alt war, musste mit 23 Jahren sterben.

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Ja,
Ja,
12. Mai 2021 20:20

eine wirklich bedrückende Geschichte.

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