Ende Oktober wurde die neue Studierendensozialerhebung veröffentlicht. Die soziale Lage von Studierenden ist nach wie vor prekär, die Teuerung verschärft die Zustände weiter. Ein Kommentar einer First Generation Studierenden. Von Selina Wienerroither, Hochschulpolitische Sprecherin des VSStÖ.
„Die Studienzeit wird die beste Zeit, darauf kannst du dich freuen!“, diesen Satz habe ich früher oft gehört. Doch lange war es für mich gar keine Frage, irgendwann zu studieren – immerhin hat keine Person meiner Familie eine Matura gemacht, geschweige denn eine Hochschule besucht! Nachdem dieser Satz aber immer wieder aufkam und immer mehr Freund:innen davon gesprochen haben, studieren zu wollen, habe ich mich doch für ein Studium entschieden und beschlossen, dafür aus dem oberösterreichischen Attergau nach Wien zu ziehen.
Tägliche Krisen von Studierenden aus Arbeiter:innenfamilien
Insgesamt sind etwa 57 % aller Studierenden First Generation Studierende – sie sind die ersten in ihrer Familie, die an einer Universität studieren. Diese Gruppe steht zum Studienbeginn vor besonders vielen Herausforderungen:
Du musst erst mal in einer neuen Stadt klarkommen und dich an der Hochschule – einem völlig fremden Raum für dich und deiner Familie – zurechtfinden und während andere bereits ihr Studium planen, sitzt du vor dem Laptop und rechnest dir aus, wie genau du dir die nächsten Jahre finanzieren willst. Schnell fällt die Entscheidung auf einen Nebenjob.
Die Gruppe der arbeitenden Studierenden ist seit 2015 um 8 Prozentpunkte gewachsen und umfasste 2023 69 % aller Studierenden. Gestiegen ist auch die Zahl der Stunden, die gearbeitet werden. Hier ergeben sich immer wieder Probleme, wenn gleichzeitig Beihilfen bezogen werden. Diese spüre ich selbst nun auch schon seit zwei Jahren: Wer arbeiten geht, hat weniger Zeit zum Studieren, wer weniger Zeit zum Vorbereiten auf Lehrveranstaltungen und Lernen für Prüfungen hat, dessen Studienerfolg sinkt auch. Für den Bezug der Studienbeihilfe ist schon nach dem ersten Studienjahr ein „günstiger Studienerfolg“ nachzuweisen, dieser beträgt jährlich 30 ECTS. Wenn diese aufgrund der Mehrfachbelastung durch die Erwerbsarbeit nicht geleistet werden können, ergibt sich eine Abwärtsspirale, die darin endet, dass Studierende, die sowieso zu wenig Geld haben, die Beihilfe schnell wieder verlieren. Das bedeutet wiederum: noch mehr Arbeit und noch weniger Zeit für das Studium. Eine Zukunft, die ich um jeden Preis verhindern will, weshalb ich mich jeden Tag dem Leistungsdruck hingebe.
Wohn- und Teuerungskrise verschärfen die soziale Selektion
Die Teuerungskrise der letzten Jahre hat die Situation weiter verschärft. Insgesamt sind die Wohnungskosten seit 2019 um durchschnittlich 100 € gestiegen. Während meine wohlhabenden Studienkolleg:innen von einem Urlaub in den nächsten gefahren sind, habe ich mir tagtäglich die Frage gestellt, wie ich beim Essen am besten sparen kann und ob ich im Winter tatsächlich heizen soll. Maßnahmen, die viele Studierende ergriffen haben – auf Kosten der eigenen Gesundheit und Lebensqualität. Ein Studium unter solchen Bedingungen ist unmöglich.
Ist die Studienzeit nun wirklich die beste Zeit? Da bin ich mir tatsächlich unsicher. So wie sie mir vor 5 Jahren romantisch skizziert wurde, ist sie aber definitiv nicht! Ich bin unglaublich froh darüber, als Arbeiter:innenkind die Möglichkeit zu haben, an einer Universität zu studieren. Von der Regierung fordere ich dennoch, dass das Studieren Leuten wie mir nicht konsequent so schwer gemacht wird. Ich will nicht Semester für Semester darum bangen müssen, mein Studium weiterführen zu können. Ich will ein Studium, in dem jede:r die gleichen Möglichkeiten hat, diese schöne unbeschwerte Studienzeit erleben zu können, nicht nur die, deren Eltern es sich leisten können.
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