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Syrien nach Assad: Die Situation der Minderheiten ist entscheidend für den Frieden

Syrien_Damaskus

Foto: unsplash.com

Karina Stuhlpfarrer Karina Stuhlpfarrer
in Dossier, Internationales
Lesezeit:14 Minuten
4. November 2025
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Über fünf Jahrzehnte wurde Syrien vom diktatorischen Assad-Regime beherrscht, was zu Millionen Vertriebenen und einem langjährigen Bürgerkrieg führte. Doch im Dezember des vergangenen Jahres kam die überraschende Wende: Das Regime um Ex-Präsident Baschar al-Assad wurde gestürzt. Nun kontrolliert die islamistische Miliz HTS das Land – unter Syriens zahlreichen Minderheiten wächst allerdings die Angst vor weiterer Unterdrückung.  Dieser Artikel gibt einen Überblick über die verschiedenen Minderheiten und welchem Leid diese in den vergangenen Jahrzehnten ausgesetzt waren. 

Inhalt
Erste syrische Wahlen seit Regime-Sturz fanden statt
Geschichte Syriens
Religiöse und ethnische Minderheiten: Eine Übersicht und Einordnung
Alawiten
Drusen
Jesiden
Christen
Kurden
Wie sieht die Zukunft Syriens aus?

Mithilfe eines Staatsstreichs hat sich Hafez al-Assad Anfang der 1970er Jahre an die Macht geputscht. Was folgte, war eine über 50 Jahre andauernde diktatorische Herrschaft des Assad-Clans. Hafez regierte bis zu seinem Tod im Jahr 2000, woraufhin sein Sohn Baschar al-Assad die Präsidentschaft übernahm. Unter Baschar kam es im Zuge des Arabischen Frühlings 2011 zu massiven Protesten, die gewaltsam niedergeschlagen wurden und schließlich in einen 13 Jahre andauernden Bürgerkrieg mündeten.

Am 8. Dezember 2024 wurde das Assad-Regime überraschend durch die islamistische Miliz HTS sowie verbündete Gruppen gestürzt, Baschar al-Assad und seine Familie flohen nach Russland. Das Parlament und die ehemalige Regierungspartei Baath wurden aufgelöst sowie die bestehende Verfassung außer Kraft gesetzt. Ausschlaggebend für den Zusammenbruch waren Veränderungen in den regionalen und internationalen Machtverhältnissen, darunter die Schwächung des Iran und der Hisbollah durch israelische Angriffe im Zuge des Gaza-Krieges sowie eine veränderte Prioritätensetzung Russlands angesichts des Krieges in der Ukraine.

Seit Jänner wird Syrien von Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa (während des Krieges als Abu Mohammed al-Dscholani bekannt) für eine mehrjährige Übergangszeit regiert. Er ist der Anführer des syrischen Milizbündnisses Haiʾat Tahrir asch-Scham (HTS). Seit 2017 leitet er bereits die Verwaltung in der Region Idlib. In der Kritik steht dieser besonders wegen seiner Vergangenheit. Denn er war der Anführer der Al-Nusra-Front, eines al-Qaida-Ablegers in Syrien. Davon distanziert er sich aber mittlerweile. Im März unterschrieb al-Scharaa eine vorläufige Verfassung. Diese besagt, dass Syriens politisches System innerhalb einer auf fünf Jahre angesetzten Übergangsphase reformiert werden soll. 

Erste syrische Wahlen seit Regime-Sturz fanden statt

Anfang Oktober wurden im Land die ersten Wahlen seit dem Assad-Regime abgehalten. Doch von demokratischen Wahlen, wie sie beispielsweise in Österreich stattfinden, kann man nicht sprechen. Die Stimmen wurden nicht direkt von den Bürger:innen, sondern von verschiedenen Komitees abgegeben, weshalb sie als „indirekt“ bezeichnet werden. Die syrische Übergangsregierung erklärte Ende Juni, dass aufgrund von Millionen Binnen- und Auslandsvertriebenen, fehlender offizieller Dokumente und einer noch fragilen Rechtsordnung keine freien Wahlen möglich seien. Außerdem wurden Abstimmungen in mehreren Regionen verschoben, darunter die drusisch geprägte Provinz Suwaida sowie Teile von Rakka, Hasaka und Qamishli, die von der kurdischen Minderheit kontrolliert werden.

Im neuen und vergrößerten Parlament sollen 210 Abgeordnete sitzen. Ein Drittel davon wird aber durch den Übergangspräsident Ahmed al-Schaara ernannt werden. Vor dem Sturz des Assad-Regimes hatte das syrische Parlament nur 150 Sitze – bei einer Einwohnerzahl von rund 23 Millionen. Zum Vergleich: In Österreich kommen auf etwa 9 Millionen Einwohner:innen 183 Abgeordnete. 

Die wichtigste Frage, die sich allerdings stellt und bislang offen geblieben ist, lautet: Wie sollen die Minderheiten künftig abgebildet werden? Denn aktuell bemängeln Kritiker:innen, dass das derzeitige System keine ausreichende Beteiligung von Minderheiten vorsieht. Um die Lage Syriens mit ihren verschiedenen Gruppierungen und deren Interessen besser verstehen zu können, ist es wichtig, einen Blick in die Geschichte des Landes zu werfen. 

Geschichte Syriens

Mehr als 50 Jahre lang hat die Familie Assad die Bevölkerung unterdrückt – gestützt durch Russland und dem Iran. Es ist nicht das erste Mal, dass sich ausländische Kräfte in die Region eingemischt haben. Die internen Machtkämpfe im Land reichen viel weiter zurück. Denn das Gebiet ist seit Jahrtausenden Schauplatz regionaler und internationaler Konflikte. 

Aufgrund ihrer geopolitischen Lage war die Region des heutigen Syriens seit jeher von großer strategischer, politischer und wirtschaftlicher Bedeutung. Denn das Land bildet einen Korridor, der Afrika, Asien und Europa miteinander verbindet. 

Gegenüber dem Deutschlandfunk betont die Historikerin und Islamwissenschaftlerin Ulrike Freitag: „Syrien ist ein Schlüsselland, rein geopolitisch betrachtet. Das hat auch zur Folge, dass viele Staaten in der Region eigene Interessen vertreten und daher versuchen, Einfluss im Land zu gewinnen. Dazu gehören etwa Großmächte wie Russland oder die USA. Aber auch die Türkei kämpft in Syrien gegen die Kurden, um deren Bestrebungen nach Autonomie zu verhindern. Ebenso wie der Iran, die Golfstaaten und die EU, die in Syrien ihre eigenen Interessen verfolgen.“

 

Die Region des heutigen Syrien gilt unter anderem als Ursprungsort menschlicher Zivilisation. Ab 64 v. Chr. war es Teil des Römischen Reichs und ging nach dessen Teilung ins Byzantische Reich über. Im frühen Mittelalter eroberten dann muslimische Truppen die Region. Von 1516 bis zum Ende des Ersten Weltkriegs gehörte Syrien dem Osmanischen Reich an. Nach dem Zerfall des Osmanischen Reichs teilten die Kolonialmächte Großbritannien und Frankreich die Interessengebiete im Nahen Osten unter sich auf. Schließlich sicherte sich Frankreich seinen Einfluss in Syrien. Dabei sollte die Bevölkerung gezielt gespalten werden, damit sich diese nicht gegen die Fremdherrschaft wehrte. Die Franzosen förderten Minderheiten wie Christen, Drusen und muslimische Alawiten, die neben der sunnitisch-muslimischen Mehrheit in Syrien lebten. „Man hat damit letztlich auch Wurzeln gelegt, die sich in den heutigen Konflikten ein Stück weit niederschlagen“, betont Freitag.

Trotz oder gerade wegen der Unterdrückungs- und Spaltungsversuche Frankreichs kam es zu Aufständen gegen die Besatzungsmacht. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Kolonialmacht sehr geschwächt. Die UN übte Druck auf Frankreich aus. 1946 verließen die letzten französischen Truppen syrischen Boden, die Arabische Republik Syrien wurde gegründet. Doch was bleibt von der französischen Herrschaft in Syrien übrig? Freitag zufolge bildeten sich eine politische Führungsschicht sowie eine Elite der Großgrundbesitzer heraus.

Es folgte eine Phase politischer Instabilität: Mehrere Militärputsche sowie parteiinterne Machtkämpfe bestimmten die 1960er Jahre, bis Hafez al-Assad 1970 die Macht übernahm und den Grundstein für die Herrschaft der Assad-Familie legte. 

Die alawitische Assad-Familie besetzte wichtige Posten im Staat mit Familienmitgliedern oder engen Vertrauten. Zudem schlossen sie strategische Allianzen, um andere Bevölkerungsgruppen innerhalb Syriens zufriedenzustellen. Schließlich installierte das Regime mithilfe seines Sicherheitsapparats brutale Foltergefängnisse. Als der Arabische Frühling 2011 ausbrach, begann das Regime zu bröckeln. Die Unzufriedenheit der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppierungen innerhalb Syriens nahm zu. Durch die militärische Unterstützung Russlands und des Iran hielt sich die Assad-Familie jedoch weiter an der Macht. Geschwächt durch den Angriffskrieg gegen die Ukraine und den Krieg im Gazastreifen, stellten beide Länder zuletzt allerdings ihre Hilfe weitgehend ein. 

Besonders die vielen verschiedenen Minderheiten haben in der syrischen Geschichte eine bedeutende Rolle gespielt. Vor dem Hintergrund der Machtübernahme durch die islamistische Miliz HTS sind die Sorgen der Minderheiten groß. Deutlich wurde aber auch, dass ein neues Syrien nicht ohne eine Partnerschaft mit den Minderheiten aufgebaut werden kann.  

In Syrien leben viele religiöse und ethnische Minderheiten. Foto: unsplash.com

Religiöse und ethnische Minderheiten: Eine Übersicht und Einordnung

Die beiden größten islamischen Konfessionen sind Sunniten und Shiiten. Etwa 85 Prozent der weltweiten Muslim:innen gehören dem sunnitischen Zweig an. Auch die Mehrheit der syrischen Bevölkerung gehört dem sunnitischen Islam an. Vor dem Beginn des Bürgerkriegs machten die Sunniten in Syrien Schätzungen zufolge etwa drei Viertel der Bevölkerung aus. Sunit:innen glauben daran, dass der Kalif (religiös-politischer Führer) durch Konsens und Wahl aus der Gemeinschaft bestimmt werden sollte. Die schiitische Glaubensrichtung innerhalb des Islams steht diesem gegenüber. Sie glauben, dass die Nachfolge in der Familie des Propheten und Religionsgründers Mohammeds bleiben muss. Diese Meinungsverschiedenheit führte zu religiösen, politischen und sozialen Unterschieden, die bis heute bestehen. Neben ihnen gibt es allerdings auch eine Reihe islamischer Minderheiten sowie christliche Gemeinschaften.

Alawiten

Eine der religiösen Minderheiten mit schiitischen Wurzeln sind die Alawit:innen. Vor dem Ausbruch des Bürgerkriegs machten sie fast zwölf Prozent der Gesamtbevölkerung Syriens aus. In ihrem Glauben verbinden sie verschiedene Einflüsse miteinander, etwa Elemente aus dem Islam, Christentum und älteren Religionen. Baschar al-Assad gehörte der Minderheit der Alawit:innen an. 

Die Alawit:innen leben vor allem an der syrischen Küste. Unter dem französischen Mandat (1920–1946) erhielten sie zeitweise Autonomie, wurden nach dem Zweiten Weltkrieg aber in den syrischen Staat integriert. Besonders mit der Machtübernahme Hafez al-Assads 1970 gelang der alawitischen Minderheit der Aufstieg. Trotz starker Kontrolle durch den Sicherheitsapparat, in dem viele Alawit:innen hohe Positionen besetzten, handelte es sich nicht um eine reine Herrschaft der Alawiten über die Sunniten – vielmehr entstand eine ungleiche Partnerschaft zwischen alawitischer Militär- und sunnitischer Zivil-Elite.

Nach dem Aufstand von 2011 und im Verlauf des Bürgerkriegs wurden viele Alawit:innen in den Dienst des Regimes gestellt und erlitten dabei hohe Verluste. Der Aufstieg dschihadistischer Gruppen verstärkte ihre Angst vor Verfolgung. Baschar al-Assad nutzte diese Furcht, um die Loyalität innerhalb der Minderheiten zu sichern. Mit dem Sturz des Assad-Regimes 2024 verloren die Alawit:innen ihre politischen und militärischen Privilegien, viele wurden vom neuen Regime ausgeschlossen. Ihre Gemeinschaft ist nun führerlos, wirtschaftlich geschwächt und gilt als Verlierer der neuen Ordnung. Ihre Zukunft hängt davon ab, welchen Kurs das neue Regime einschlägt.

Übereinstimmenden Berichten zufolge haben islamistische Kämpfer drei Monate nach dem Sturz des Assad-Regimes im März ein Massaker an hunderten Zivilist:innen verübt. Der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge wurden in der Küstenregion mehr als 1.300 Menschen getötet, darunter mindestens 830 Angehörige der alawitischen Minderheit. Die Regierung sieht vor allem bewaffnete Anhänger Assads als verantwortlich, räumt aber zugleich ein, dass auch islamistische Kämpfer Übergriffe gegen alawitische Zivilisten verübt haben. Zentraler Schauplatz waren die Küstenregion Syriens und das Latakia-Gebirge, die einst als Hochburgen des gestürzten Assad-Clans galten.

Drusen

Die Religion der Drusen entstand Anfang des 11. Jahrhunderts aus dem ismailitischen Schiitentum, gilt jedoch als eigenständige Religion. Drusen lehnen Missionierung oder Konversion ab, da man nur als Druse geboren werden kann, und glauben im Unterschied zu Schiiten und Sunniten an Seelenwanderung (nach dem Tod soll die Seele eines Menschen in einen neuen Körper wiedergeboren werden). Radikale Islamisten stufen ihren Glauben als Irrlehre ein. Von rund einer Million Gläubigen lebt die Mehrheit in Syrien, weitere Anhänger finden sich in Israel, im Libanon, in Jordanien und auf den von Israel besetzten Golanhöhen. Drusen machen in Syrien etwa drei Prozent der Bevölkerung aus. 

Durch den Aufstieg der Baath-Partei im Land erhielten Minderheiten, allen voran die Alawiten und Drusen, die Möglichkeit, führende Rollen in Regierung und Armee zu übernehmen. Dadurch war die Minderheit deutlich stärker politisch involviert. Trotz der Aufstände gegen die Familie Assad blieben die Drusen dem Regime treu. Besonders die zunehmende Islamisierung der Opposition, das Erstarken dschihadistischer Organisationen sowie der Zerfall der staatlichen Autorität trieben viele Drusen in die Arme des Regimes. 

Im Juni 2015 wurde die Angst vor dem dschihadistischen Islam Realität: In einem Dorf bei Idlib in Nordsyrien ermordeten al-Nusra-Milizen zahlreiche Drusen. Im Juli 2018 fielen sie später dem Islamischen Staat (IS) zum Opfer. Bei Angriffen auf drusische Dörfer wurden etwa 260 Drusen getötet – 30 Frauen und Kinder wurden verschleppt. 

Die Zeit um das Jahr 2015 stellte einen Wendepunkt in den Beziehungen zwischen den Drusen und dem Baath-Regime nahe. Zahlreiche Drusen versuchten, den Wehrdienst zu vermeiden, es sei denn, eine Stationierung in ihrer Heimat wurde zugesichert. Obwohl in den letzten beiden Jahren vor Assads Sturz die Proteste gegen die wirtschaftliche und soziale Krise zunahmen, kam es nie zu einem offenen Aufstand gegen das Regime.

Nach über fünf Jahrzehnten wurde das diktatorische Assad-Regime gestürzt. Foto: unsplash.com

Auch die Drusen begrüßten den Sturz der Assad-Familie im Dezember 2024. Gegenüber dem Interimspräsidenten Ahmed al-Scharaa zeigen sie sich allerdings skeptisch. Denn die Drusen erlauben den Milizen des neuen Regimes nicht, in ihrem Gebiet die Macht zu übernehmen.

Scheich Hikmat al-Hajri, das geistliche Oberhaupt der Drusen, erklärte, dass sie dem neuen Regime aufgrund seines dschihadistischen Hintergrunds nicht vertrauen. 

So dienen in der neuen Armee etwa vor allem ehemalige dschihadistische Befehlshaber. Nach den Massakern an den Alawiten im März 2025 fürchten die Drusen deshalb, selbst Opfer ähnlicher Gewalt zu werden. Bisher konnte die neue syrische Regierung ihren Machtanspruch in den Gebieten der Drusen nicht durchsetzen. Das hat vor allem zwei Gründe: Zum einen haben die Drusen ihre Waffen nicht abgegeben, zum anderen droht Israel mit Intervention, falls das Regime gegen sie vorgehen sollte.

In der Provinz Suwaida, dem Zentrum der drusischen Gesellschaft, kam es im Juli 2025 zu Kämpfen zwischen Drusen und sunnitischen Beduinen. Die Folge: Regierungstruppen rückten in die gleichnamige Provinzhauptstadt vor. Auch Israel intervenierte und bombardierte Regierungsgebäude in der syrischen Hauptstadt Damaskus. Laut Beobachtern löste ein Raubüberfall auf einen drusischen Gemüsehändler die Kämpfe aus, die in Vergeltungsangriffe auf beiden Seiten mündeten. Die Spannungen zwischen Drusen und Beduinen bestehen allerdings schon länger und haben auch wirtschaftliche Ursachen: Beduinische Clans, die zuvor vom Schmuggel der Aufputschdroge Captagon profitiert hatten, verloren durch die zunehmende Stärke drusischer Milizen an Einfluss und fühlen sich weitgehend an den Rand gedrängt.

Bei den Kämpfen kamen fast 1.000 Menschen ums Leben, rund 200 wurden „auf der Stelle exekutiert“. Die UN-Menschenrechtskommission berichtete von schweren Menschenrechtsverletzungen durch verschiedene bewaffnete Gruppen und syrische Streitkräfte. 

 

Ein wesentlicher Grund, warum sich Israel als selbsternannte Schutzmacht gegenüber den Drusen sieht: Israel reklamiert den Süden Syriens als Pufferzone. Die Interimsregierung in Damaskus wurde dazu aufgefordert, die Region zu entmilitarisieren, während in den vergangenen Monaten dort kontinuierlich Ziele von Israel bombardiert wurden. Zudem leben in Israel etwa 150.000 Drusen, darunter auch solche auf den von Israel besetzten Golanhöhen.

„Israel versteht sich als Schutzmacht der Drusen – aber das wird nicht von allen Drusen vor Ort akzeptiert“, betont der Syrienexperte André Bank im Interview mit der WZ. Innerhalb der drusischen Gemeinschaft gibt es unterschiedliche Standpunkte: Einer der drei obersten Geistlichen befürwortet offen die Unterstützung durch Israel und die USA und positioniert sich deutlich gegen die Übergangsregierung, während die beiden anderen Führer eine Lösung innerhalb Syriens bevorzugen. 

Jesiden

Schätzungen zufolge gehören weltweit rund eine Million Menschen der Glaubensgemeinschaft der Jesiden an. Die rund 4.000 Jahre alte Religion vereint Elemente altorientalischer Religionen. Im Zentrum der jesidischen Symbolik steht der Melek Taus, der Pfauenengel und Stellvertreter Gottes auf Erden. Seine Ähnlichkeit mit der Figur des gefallenen Engels (im Christentum der Teufel) führte zur falschen Zuschreibung, Jesiden seien Teufelsanbeter. 

Jesid:innen gibt es vor allem im Nordirak, Iran, in der Türkei und in Syrien. Nicht selten kommt es vor, dass Jesiden von ihren muslimischen Landsleuten diskriminiert werden. So flohen etwa 2014 Zehntausende, als die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) sich im Nordirak ausbreitete. Jesidische Männer wurden vom IS getötet, ihre Frauen als Sklavinnen verkauft. Daraufhin suchten viele Schutz in Syrien. Jesiden wurden im Laufe der Jahrhunderte immer wieder verfolgt, sowohl religiös als auch – wegen ihrer Zugehörigkeit zu den Kurden – ethnisch.

Christen

Verlässliche Angaben zur Zahl der Christ:innen gibt es seit Beginn des Bürgerkriegs vor 14 Jahren nicht mehr. Vor dem Krieg lebten etwa 1,5 Millionen Christen in Syrien. Optimisten schätzen heutzutage die Zahlen auf rund 500.000. Es könnten aber auch nur 300.000 sein. Landesweit existieren heute noch 400 christliche Pfarren. 

Die Christen in Syrien spielten eine bedeutende Rolle im kulturellen und politischen Aufbruch des Landes. Christliche Intellektuelle waren in der politischen und gesellschaftlichen Elite gut vertreten. So war beispielsweise Michel Aflaq, einer der Gründer der Baath-Partei, Christ. In den langen Jahren der Baath-Herrschaft schwand der Einfluss der Christen allerdings. Zwar bot die weltliche Ausrichtung des Regimes den Christen ein Gefühl von Sicherheit und Integration, doch an den politischen Machtzentren hatten sie kaum Anteil. Viele betrachteten die Baath-Partei dennoch als Schutzmacht, die sie vor religiöser Diskriminierung bewahrte.

Mit dem Aufstand und dem darauffolgenden Bürgerkrieg setzte die größte Fluchtbewegung der Christen in der neueren syrischen Geschichte ein. In Städten wie Aleppo verließen bis zu 80 Prozent ihre Heimat. Fast zwei Jahrtausende lang galt Syrien als eine der zentralen Stätten des Christentums im Nahen Osten, doch die Gemeinschaft wird immer kleiner. Der Aufstieg des von Ahmed al-Scharaa geführten HTS-Bündnisses verschlechtert ihre Zukunftsperspektiven zusätzlich. Erst im Sommer gab es in einer christlichen Kirche in Damaskus einen Selbstmordanschlag – die syrischen Behörden machen die Terrormiliz Islamischer Staat dafür verantwortlich.

Vor dem Bürgerkrieg lebten etwa 1,5 Millionen Christen in Syrien. Foto: unsplash.com

Kurden

Die Kurden bilden die größte ethnisch-nationale Minderheit in Syrien und leben überwiegend in den Grenzregionen zur Türkei und zum Irak. Sie sind weltweit die größte Ethnie, ohne einen eigenen Staat. Während des Bürgerkriegs bauten sich die Kurden im Nordosten Syriens allerdings eine eigene Verwaltung auf – mit eigener Regierung und eigenen Streitkräften. Besonders im Kampf gegen den IS spielten die kurdischen Streitkräfte eine entscheidende Rolle. Mit Unterstützung westlicher Staaten gelang es ihnen, wichtige Gebiete von der IS-Herrschaft zu befreien. Noch heute befinden sich tausende mutmaßliche IS-Anhänger in Gefängnissen unter kurdischer Verwaltung.

Der syrische Staat erkannte sie nie offiziell als Minderheit an. Die meisten Kurden sind sunnitische Muslime. Es gibt unter ihnen allerdings auch andere Religionszugehörigkeiten. Unter dem Baath-Regime (ab 1963) wurden ihnen systematisch nationale, kulturelle und bürgerliche Rechte verweigert, zudem betrieb die Regierung eine Politik der Ausgrenzung und Ansiedlung von Nichtkurden in kurdischen Gebieten. 

Das Verhältnis zwischen dem Baath-Regime und den Kurden war nicht ausschließlich von Konflikten geprägt. Britische Dokumente belegen beispielsweise, dass die syrische Regierung kurdische Milizen für Einsätze gegen die Muslimbruderschaft im Norden einsetzte. In gewisser Weise legte zudem der Kampf gegen dschihadistische Gruppen in den Jahren vor Assads Sturz den Grundstein für eine pragmatische Zusammenarbeit zwischen den Baathisten und dem von Kurden geführten Militärbündnis Demokratische Kräfte Syriens (SDF). 

Mit dem Bürgerkrieg eröffneten sich den Kurden neue Möglichkeiten: Durch die Schwäche der Zentralregierung, die Unterstützung der USA und die Kontrolle über Syriens Ölreserven erklärten sie im Nordosten de facto ihre Autonomie und bauten militärische Stärke auf. Der Sturz des Assad-Regimes festigte dieses Streben nach Selbstverwaltung.

Ein Haupthindernis bleibt jedoch die Türkei, die eine kurdische Autonomie in Syrien als existenzielle Bedrohung betrachtet und ihre Politik konsequent auf deren Verhinderung ausrichtet. Damit stehen die kurdischen Autonomiebestrebungen in direktem Gegensatz zu den strategischen Interessen Ankaras.

Neben Arabern und Kurden leben in Syrien noch weitere ethnische Gruppen, deren Zahl jedoch deutlich geringer ausfällt. Dazu zählen Aramäer, Armenier, Assyrer, Turkmenen und Tscherkessen. Hinzu kommen hunderttausende palästinensische Flüchtlinge, die in den vergangenen Jahrzehnten nach Syrien kamen – viele bereits während der Vertreibungen im Zuge der Staatsgründung Israels in den 1940er Jahren, andere infolge der späteren israelisch-arabischen Kriege. Zudem flohen in den letzten Jahren zahlreiche Iraker vor der angespannten Lage in ihrem Land nach Syrien.

Der Angriff der Türkei auf die Kurden in Nordsyrien – Alle Fakten

 

Wie sieht die Zukunft Syriens aus?

Gegenüber der WZ betont Politikwissenschafterin Bente Scheller, dass innerhalb der Milizen und Gruppierungen vor allem jene Kräfte gestärkt werden müssten, die auf Ausgleich und Verständigung statt auf Lautstärke und Extremismus setzen – um den Weg zu einem stabilen und inklusiven Syrien zu ebnen. Genauso wichtig wie die Ahndung der aktuellen Verbrechen an den Minderheiten sei es, „dass die Verbrechen der letzten Jahrzehnte aufgearbeitet werden – und insbesondere das Schicksal der über 130.000 Menschen aufgeklärt wird, die, zumeist in Händen des Regimes, verschwunden sind.“ Wenn die Aufarbeitung fehle, stehe es um ein echtes Miteinander schlecht.

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    27% 27%
    129 Stimmen - 27% aller Stimmen
  • Die Tätigkeit macht mir Spaß und ich genieße die Gemeinschaft mit anderen Freiwilligen. 21%, 21%
    21% 21%
    99 Stimmen - 21% aller Stimmen
  • Ich sehe es als meine Pflicht, in einer Gesellschaft Hilfe für andere zu leisten. 19%, 19%
    19% 19%
    91 Stimme - 19% aller Stimmen
  • Ich möchte anderen Menschen helfen. 18%, 18%
    18% 18%
    85 Stimmen - 18% aller Stimmen
  • Ich möchte selbst auch Hilfe bekommen, wenn ich sie benötige. 6%, 6%
    6% 6%
    30 Stimmen - 6% aller Stimmen
  • Ich habe die Möglichkeit, zu lernen und mich weiterzubilden. 4%, 4%
    4% 4%
    21 Stimme - 4% aller Stimmen
  • Es ist ein guter Ausgleich für meinen Beruf. 2%, 2%
    2% 2%
    11 Stimmen - 2% aller Stimmen
  • Ich engagiere mich nicht, weil ich keine Zeit/Lust dazu habe. 1%, 1%
    1% 1%
    7 Stimmen - 1% aller Stimmen
  • Es hilft mir für meinen Beruf. 1%, 1%
    1% 1%
    4 Stimmen - 1% aller Stimmen
  • Ich engagiere mich nicht, möchte es aber tun. 1%, 1%
    1% 1%
    3 Stimmen - 1% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 480
Voters: 181
9. Dezember 2025
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Seit Beginn von Donald Trumps zweiter Amtszeit als US-Präsident erlebt die amerikanische Demokratie eine Krise. Radikale Gruppierungen gewinnen zunehmend Einfluss. Im Interview spricht die Journalistin und Autorin Annika Brockschmidt über die Entwicklung der Republikanischen Partei, die rechten Strömungen, die sie geprägt haben, und darüber, warum es innerhalb der Republikaner heute kaum noch eine Grenze zwischen konservativen Positionen und offenem Rechtsextremismus gibt. Zitat: Rechtsradikale und Rechtsextreme geben bei den Republikanern jetzt den Ton an. Sie streiten sich zwar, welches inhaltliche Sub-Thema sie betonen, aber insgesamt ist diese Partei fest in der Hand von Extremisten. Auch unabhängig davon, wie sich die Partei personell weiter entwickelt - das wird sich so bald nicht ändern. Annika Brockschmidt
Seit Beginn von Donald Trumps zweiter Amtszeit als US-Präsident erlebt die amerikanische Demokratie eine Krise. Radikale Gruppierungen gewinnen zunehmend Einfluss. Im Interview spricht die Journalistin und Autorin Annika Brockschmidt über die Entwicklung der Republikanischen Partei, die rechten Strömungen, die sie geprägt haben, und darüber, warum es innerhalb der Republikaner heute kaum noch eine Grenze zwischen konservativen Positionen und offenem Rechtsextremismus gibt. Zitat: Rechtsradikale und Rechtsextreme geben bei den Republikanern jetzt den Ton an. Sie streiten sich zwar, welches inhaltliche Sub-Thema sie betonen, aber insgesamt ist diese Partei fest in der Hand von Extremisten. Auch unabhängig davon, wie sich die Partei personell weiter entwickelt - das wird sich so bald nicht ändern. Annika Brockschmidt

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