Die Regierung bringt neben dem neuen Corona-Konjunkturprogramm ein Hochschul-Paket in den Nationalrat. Die Hauptpunkte: Private Unternehmen können sich Studienplätze kaufen, Österreich bekommt einen zusätzlichen privaten Hochschul-Typ – für die schlechten Ketten-Arbeitsverträge der WissenschafterInnen und Lehrenden gibt es allerdings keine Lösung.
Türkis-Grün will Privatunternehmen an Fachhochschulen Studienplätze für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kaufen lassen. Ganze Studiengänge können so von Firmen gekauft werden. Sie zahlen für die Programme und bestimmen damit ihren Inhalt. Außerdem wird es für private Anbieter leichter, im tertiären Sektor, also bei den Hochschulen, Fuß zu fassen. Mit der aus Studiengebühren und öffentlichen Geldern finanzierten “Privatuni light” dürfen sie in Zukunft Bachelor- und Master-Studien anbieten, nach drei Jahren folgt auf Bewerbung die Beförderung zur Uni. So die Pläne der Regierung.
An anderer Stelle fehlt der Plan: Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) und Eva Blimlinger (von Seiten der Grünen) haben keine Lösung für die Neuregelung der Kettenverträge an den Unis. „Da ist es schwer, eine Balance zu finden“, so der Minister.
Fachhochschulen sind in Österreich besonders beliebt
Fast die Hälfte der Österreicherinnen und Österreicher studiert im Laufe des Lebens. Die Studierendenzahlen an den Fachhochschulen haben sich in den letzten 15 Jahren verdoppelt. Das liegt auch daran, dass es im ländlichen Raum mehr Fachhochschulen (FH) und Pädagogische Hochschulen (PH) als Unis gibt. Deswegen ist auch die soziale Durchmischung an FHen hoch: PH- und FH-Studierende kommen überwiegend aus ländlichen Regionen, und Studierende aus ländlichen Regionen haben wiederum häufiger Eltern mit niedriger Bildung als Studierende aus städtischem Umfeld. Dazu kommt ein Drittel aller FH-Studierenden berufsbegleitend studiert.
Einige Unternehmen fördern die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter bereits: Wer seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das Studium erleichtern will oder mit einer FH kooperieren will, hat dazu jetzt schon die Möglichkeit: Betriebe können die Studienbeiträge für MitarbeiterInnen bezahlen oder mit dualen Studiengängen und Praktikaplätzen an FHen andocken. Dieses Angebot, in Kooperation Studiengänge zu entwicklen und sich an den Kosten zu beteiligen, wird von Unternehmen nur verhalten angenommen, erklärt Eva Schiessl-Foggensteiner, Geschäftsführerin der FH BFI Wien.
Privatisierte Studienplätze an FH
Die türkis-grüne Bundesregierung will diese Möglichkeiten trotzdem ausbauen – und zwar in Form von gekauften Studienplätzen. “Die neue eröffnete Option von rein unternehmens- oder organisationsfinanzierten Studienplätzen sehe ich kritisch”, urteilt Schiessl-Foggensteiner. Da die dualen Studiengänge kaum Anklang finden, führt die Neuregelung zudem zu einer weiteren inneren Differenzierung des FH Sektors.
Private Unternehmen können dann nicht nur einzelne Studienplätze, sondern ganze Studiengänge kaufen – und entscheiden, wer studieren darf. Das kritisiert vor allem die AK. Daneben besteht die Gefahr der Einmischung in die Lehre: “Es besteht die Gefahr, dass durch private Geldgeber eine gewisse Abhängigkeit der FH entsteht”, befindet die Arbeiterkammer (AK). Auch Schiessl-Foggensteiner sieht die Gefahr der Intransparenz:
“Wer zahlt hier was und was ist es am ‘Arbeitsmarkt dann wert’?”
Sie befürchtet außerdem eine noch schwachere Finazierung durch den Bund: “Es macht es der öffentlichen Hand leichter, sich vielleicht in Zukunft auch stärker aus der Finanzierung von Studienplätzen zurückzuziehen. Verhalten ist man ja jetzt schon, wie wir an der abgeflachten Ausbau der letzten Jahre sehen kann.” Ähnlich sieht das die Österreichischen Hochschüler_innenschaft (ÖH):
“Statt die wesentlichen Probleme der Hochschulen zu lösen, lässt das Ministerium jetzt Unternehmen Studiengänge kaufen. Damit läuft man Gefahr, sich in Zukunft die Studienpläne von Privaten diktieren zu lassen”, kritisiert Dora Jandl vom ÖH-Vorsitz.
Noch eine Privat-Uni
Neben den privaten FH-Studiengängen führt Regierung noch einen privaten Hochschultyp ein. Dabei kritisieren ÖH und Experten schon lange, dass der tertiäre Bildungssektor in Österreich zerspragelt ist. Insbesondere die kostenpflichtigen Studienangebote sind in den letzten Jahren stark angestiegen, kritisiert die Arbeiterkammer. Privatuniversitäten sind seit der Einführung 2003 von 1.000 auf 10.000 Studierende gewachsen.
Neben öffentlichen Universitäten Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen gibt es Privatuniversitäten, Weiterbildungs- und Fernstudien und zahlreiche Studienangebote von ausländischen Anbietern – für die man allerdings ordentliche Summen bezahlen muss. Die Paracelsus Medizinische Privatuniversität zum Beispiel kostet 14.700 Euro im Jahr – und das fünf Jahre lang.
Nun gibt es noch einen weiteren Typ: Die Privathochschule ist eine “Privatuni light”, ein erster Schritt auf dem Weg zur Privatuni. Drei Jahre lang dürfen sie nur Bachelor- und Master-Studien anbieten – natürlich zahlungspflichtig. Dann können sie sich um die Akkreditierung zur Universität bewerben um dann auch PhD-Studien anzubieten. Dafür müssen sie hochkarätig besetzte Professuren, Forschungsleistungen und Nachwuchsfördermaßnahmen nachweisen. Die Unis freuen sich – so bleibt ihnen das Promotionsrecht vorbehalten.
Schiessl-Foggensteiner hält diese “Vorstufe zur Privatuniversität für entbehrlich”: “Ich kann nicht erkennen, welche Lücke dieses Angebot füllen soll.” Sie befürchtet eine weitere Segmentierung der Hochschullandschaft und die Verschiebung hin zu teuren privaten Ausbildungsangeboten. Im Regierungspaket fehlen außerdem Regeln, wie die Kosten transparent ausgewiesen werden, kritisiert sie.
“Von freier Bildung und gleichen Chancen keine Rede”
Die AK lehnt den “zusätzlichen, gebührenfinanzierten Typus Privathochschule“ in einer Stellungnahme zur Gesetzesnovelle ab, “da dies die Kleinteiligkeit, Kommerzialisierung und Unübersichtlichkeit des Sektors weiterbefördert.” Stattdessen soll der öffentlich finanzierte Fachhochschulsektor stärker ausgebaut werden, um den Hochschulzugang für sozial schwächere Studierende sowie berufstätige Studierende zu stärken.
Das wäre dringend notwendig: Die Wahrscheinlichkeit, ein Studium aufzunehmen, ist für junge Menschen, deren Eltern Matura haben, mehr als doppelt so hoch wie für jene, deren Eltern keine Matura haben ehemalige Haupt- und NMS-Schülern fangen deutlich weniger oft an zu studieren. Seit 2015 ist die Zugangsquote von Studierenden, die als Kinder oder Jugendliche nach Österreich kamen, von 30 auf 19 Prozent gesunken.
“Statt an einem einheitlichen, öffentlichen Hochschulsektor zu arbeiten, eröffnet türkis-Grün husch-pfusch einen neuen Hochschultyp. Das Gesetz sprüht vor sozialer Selektion, weniger Mitsprache für Studierende und Einschränkungen der freien Lehre”, urteilt Jandl.
Baustelle Schule
Auch bei den Jüngeren fischt Minister Faßmann im Trüben. Während er meint, dass Österreich im Europavergleich beim Distance Learning ‚sehr gut unterwegs‘ sei, hagelt es Kritik von der Opposition. “Das grenzt an Realitätsverweigerung“, kritisiert SPÖ-Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid. „Wochenlang wurden Lehrerinnen, Eltern und Kinder mit dem Home Schooling völlig alleine gelassen, das Bildungsministerium schaffte es erst rund zwei Monate nach der Schulschließung, Leihgeräte für Schüler aufzustellen. Da waren die Schulen aber bereits wieder teilweise geöffnet.“
Zwei Drittel der Lehrer und Schüler waren laut Umfrage der Uni Wien mit dem Home Schooling überfordert. 76 Prozent der Lehrer sorgen sich nun um die Leistungsrückfälle von benachteiligten Schüler. Das Projekt „neue Oberstufe“ wird einmal mehr verschoben – diesmal auf das Schuljahr 2023/2024.
Das ist der größte Anschlag auf das Bildungssystem in der 2. Republik. Als Master-Mind gilt die Wirtschaftsuniversität Wien mit ihren gesponsorten Hörsälen und Sitzplätzen. Bald auch schon Studienpülätzen?
Damit ist klar, dass es kein Phänomen einer privaten Fachhochschule bleiben wird. In Zukunft wird man sich den Studienplatz kaufen müssen.