Wir drücken unseren sozialen Status oftmals über Konsum aus. Das beginnt beim vierfach überteuerten Gin Tonic im Club und geht bis zum Urlaub am Biobauernhof in Südtirol. Dabei wird zunehmend so getan als wäre das was sich die Reichen leisten können die Normalität. Aber gleichzeitig geht die Schere bei den Einkommen und Vermögen auseinander. Wenn die einen aber mehr Geld zum Ausgeben haben als die anderen, wird der Stress beim Konsumwettbewerb mitzuhalten nochmals größer.
Die Ungleichheit in der Gesellschaft macht eindeutig unglücklich, wie sozialmedizinische Studien festgestellt haben. Die Menschen sind nicht nur zufrieden, wenn sie akute Not und Elend überwinden. Sie sind auch zufriedener, wenn in ihrem Umfeld der Lebensstandard ähnlich ist. Die Gesellschaft könnte es sich auch locker leisten, die relative Armut zu beseitigen. Stattdessen gibt es bei uns wirtschaftlichen Existenzkampf für Menschen in prekären Verhältnissen und erbitterten Statuswettbewerb für die Mittelschicht.
Wie das zustande kommt und dass es auch anders geht, erkläre ich in “Kowall redet Tacheles, Folge 10”:
Das nachfolgende Transkript des Videos entstammt dem Blog von Nikolaus Kowall:
Jeden Tag zeigt uns die Werbung die schicksten Accessoires und die exklusivste Einrichtung. Film- und Serienhelden wohnen stets in ausgefallenen Immobilien. Social Media verdeutlicht uns, wie der perfekte Urlaubsmoment auszusehen hat. Die alten und neuen Massenmedien schreien es uns jeden Tag zu: Ein normales Leben ist nicht genug! Ein fettes Designerhaus am Stadtrand mit alten Bäumen im Garten und einem neuen SUV in der Garage, ist das der Standard an dem wir uns messen sollen?
Reden wir einmal Tacheles!
Wir drücken unseren sozialen Status oftmals über Konsum aus. Das beginnt beim vierfach überteuerten Gin Tonic im Club und geht bis zum BMW, dem Lieblingsstatussymbol vieler junger Burschen. Das reicht vom Café Latte um vier Euro Fünfzig bis zum Urlaub am Biobauernhof in Südtirol. Welcher Konsum hipp ist vermitteln uns die Massenmedien, Influencer und die gute alte Werbung. Sie beschallt uns damit, dass nur exklusiver Konsum glücklich macht. Luxuskonsum ist für die Wirtschaft nämlich einnahmeträchtiger als Ramsch. Deshalb wird das was die Reichen konsumieren zum Standard für die ganze Bevölkerung erhoben. Die Gesellschaft tut dann so, als wäre das die Normalität. Damit stehen aber alle anderen unter ziemlichem Druck dieser Normalität zu genügen. Wie viele sich das wirklich leisten können wird gar nicht hinterfragt.
Und das spiegelt sich auch in der Wirtschaftstheorie wieder. In der Wirtschaft sind die Wünsche des Konsumenten ausschlaggebend, der Kunde ist König sagt man! Das was die Menschen dann wirklich kaufen wird als Nachfrage bezeichnet. Die Nachfrage wird also nicht in Wünschen gezählt, die die Menschen haben, sondern in Wünschen, die sich die Menschen leisten können.
Ein Beispiel: Der Werner hat 700 Euro am Konto. Das Implantat für seinen kaputten Zahn, kostet aber 2.000 Euro. Dem Werner sein Wunsch ist wirtschaftlich unerheblich, seine Nachfrage nach Implantaten ist null. Der “Kunde ist König” ist nämlich keine neutrale Aussage. Dahinter versteckt sich der Umstand, dass der Alexander König auf der Messe für Luxusautos ist, wenn er zwischen Maybach und Maserati wählt. Der Werner ist aber nur König im Café Bauchstich, wenn er zwischen Gambrinus und Landgraf Märzen entscheidet. Beide übrigens ned soo schlecht.
Die Verteilung des Geldes wird von der Wirtschaftstheorie nicht hinterfragt. Wer hat der hat, fertig. Gewisse Bevölkerungsgruppen haben aber weniger vom Anstieg des Wohlstands profitiert oder wurden am Arbeitsmarkt überhaupt aussortiert. Außerdem gibt es immer mehr prekäre Arbeit, etwa Leiharbeit, befristete Jobs oder Scheinselbstständigkeit. Für Geringverdienende ist die Teilnahme an der Gesellschaft, also, dass sie sich leisten können ins Kaffeehaus zu gehen oder die Kinder beim Skikurs mitzuschicken, ein Kampf. Geht der Kampf verloren verarmt man dann sozial.
Und das ist nun der springende Punkt: Auf der einen Seite wird der Konsum der Reichen als Standard gesetzt, auf der anderen Seite geht die Schere bei den Einkommen und Vermögen auseinander. Wenn die einen aber mehr Geld zum Ausgeben haben als die anderen, wird der Stress beim Konsumwettbewerb mitzuhalten nochmals größer. Wenn sich meine Freunde einen Skiurlaub leisten können, dann möchte ich das auch. Womöglich hat der Nachbar schon zwei Garagen für seine beiden Audis, ich habe nicht einmal ein Carport für meinen alten Seat. Viele Leute hackeln sich krum mit Schichtarbeit oder Montage, stürzen sich in Schulden oder hoffen auf das große Glück im Casino und fangen sich dabei eine entsetzliche Spielsucht ein. Die ganze Gesellschaft wird unter Stress gesetzt, den sozialen Status nicht zu verlieren.
Die Ungleichheit in der Gesellschaft macht eindeutig unglücklich
Die Ungleichheit in der Gesellschaft macht eindeutig unglücklich, wie die Wissenschaftler Richard Wilkinson und Kate Pickett in einer umfassenden sozialmedizinischen Studie festgestellt haben. Die Menschen sind also nicht nur zufrieden, wenn sie akute Not und Elend überwinden. Sie sind auch zufriedener, wenn in ihrem Umfeld der Lebensstandard ähnlich ist. Das ist auch logisch, weil das soziale Prestige dann gleichmäßiger verteilt ist und sich mehr Menschen wertgeschätzt fühlen. Das heißt zwei Dinge verursachen Stress: Absolute Armut, aber auch relative Armut im Vergleich zu anderen. Die zunehmende Ungleichheit ist kontraproduktiv für das Glück in einer Gesellschaft. Dazu kommen Jahrzehnte neoliberaler Gehirnwäsche, dass man flexibel und anpassungsfähig sein muss, dass der schnelle den langsamen frisst und dass überhaupt nur die Fitten überleben. Das trägt auch nicht gerade zur Tiefenentspannung bei. Die Angst abgehängt zu werden, ist eine wesentliche Ursache für unsere immer weiter wachsende Konsummaschinerie. Die Ursache für Druck, Stress und das gesamte Hamsterrad!
Die Pointe der Geschichte: Das wäre alles gar nicht nötig! Die österreichische Volkswirtschaft ist extrem produktiv, im Durchschnitt erarbeitet jeder Erwerbstätige sagenhafte 55 Euro pro Stunde. Die Gesellschaft könnte es sich locker leisten die relative Armut zu beseitigen. Also die Armut, die Leute von der Teilnahme an der Gesellschaft ausschließt. Die Maßnahmen liegen auf der Hand, denken wir an Mindestlöhne oder öffentlichen Wohnbau. Und wenn man dafür die Reichen stärker besteuert, dann können die weniger Luxusgüter kaufen. Für die Mittelschicht wäre das eine doppelt gute Nachricht: Es gäbe weniger Stress den Reichen nachzueifern und die Angst abzusteigen wäre geringer, weil die Gesellschaft nach unten eine Grenze eingezogen hat.
Stattdessen gibt es bei uns wirtschaftlichen Existenzkampf für Menschen in prekären Verhältnissen und erbitterten Statuswettbewerb für die Mittelschicht. Wir halten also ein Hamsterrad am Laufen um einen Überlebenskampf zu simulieren. Und das ohne Not! Wie der Ausstieg aus dem Hamsterrad aussehen könnte, das werden wir in den nächsten beiden Folgen diskutieren.
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