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Gastro und Hotels: Millionen Corona-Hilfen bekommen, aber jetzt wollen sie „Sozialleistungen überdenken“

45 „Mangelberufe“ und 20% weniger Lohn für ausländische Fachkräfte erzeugen Lohndruck für alle

Photo by Nick Karvounis on Unsplash

Patricia Huber Patricia Huber
in Arbeit & Freizeit
Lesezeit:5 Minuten
18. Juni 2021
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Die Woche haben Bäckerei-BetreiberInnen und Gastronomen eine Kampagne gegen Arbeitslose begonnen: Jeden Tag beschwert sich einer von ihnen in einer Boulevardzeitung über zu wenige BewerberInnen. Die Forderung: Das Arbeitslosengeld kürzen. Selbst haben sie den Beschäftigten aber kaum etwas zu bieten: Harte Arbeit für wenig Geld, jeden Tag kann man gekündigt werden. Statt attraktivere Stellen anzubieten, träumen sie von 400 Euro Arbeitslosengeld und dem Zwang zu Dumping-Lohnarbeit. 

“Wenn dein Geschäftsmodell nicht in der Lage ist, gute Löhne zu zahlen, dann ist es kein Geschäftsmodell”, ist ein beliebter Satz auf der nicht gerade linken Internet-Plattform Nine Gag. Auch die Washington Post titelte diese Woche, dass Unternehmen in den USA nach Monaten vergeblicher Suche nach Arbeitskräften für Jobs mit 8 bis 12 Euro Stundenlohn jetzt herausgefunden hätten, wie sie BewerberInnen finden: Den Stundenlohn auf 15 Euro erhöhen – und schon melden sich hunderte motivierte BewerberInnen auf eine Stelle.

Wenn der Markt es nicht zu ihren Gunsten regelt, soll der Staat helfen

In Österreich sind derzeit einige Unternehmen erstaunt: Die Bäcker, Kellnerinnen und Köche, die sie zu Beginn der Krise ohne Schulterzucken auf die Straße gesetzt haben, kommen nach der Krise nicht mit offenen Armen zu ihnen zurückgelaufen. Da bietet man einen Arbeitsplatz um 1.500 Euro brutto an, inklusive 6-Tage-Woche und Schichtarbeit, und am Arbeitsmarkt findet sich keine Nachfrage dafür.

Plötzlich glauben ausgerechnet jene, die immer alles der selbstregulierenden Kraft von Angebot und Nachfrage regeln lassen wollen, nicht mehr an den Markt. Die hohe Nachfrage an Arbeitskräften, die jetzt, nach den Lockdowns, in der Gastronomie und Hotellerie besteht, hat in der Marktlogik natürlich höhere Preise für das nachgefragte Gut zur Folge: die Arbeitskraft. Doch sobald es der Markt nicht zum Vorteil der Unternehmerinteressen regelt, wollen einige von ihnen die Marktgesetze außer Kraft setzen. Da ruft man nach staatlichen Eingriffen (Kürzungen bei Arbeitslosen) und mehr Zwang.

Starkoch Max Stiegl sagt gegenüber Heute: “Vielleicht sollte man auch einmal die Sozialleistungen überdenken”, er zahle immerhin 1.700 Euro netto und Arbeitssuchende würden mit 1.200 Euro Arbeitslosengeld „lieber auf der Couch liegen“. Was Stiegl nicht sagt: Wer 1.200 Euro Arbeitslosengeld bekommt, hat vor seiner Kündigung 2.200 Euro netto verdient – um 500 Euro mehr als bei Stiegl. Man kann niemandem übel nehmen, nach der Krise einen ähnlich gut bezahlten Arbeitsplatz zu suchen und nicht auf 500 Euro Einkommen im Monat zu verzichten.

Sehe ich das richtig – wenn Markt regelt, dass Miete für eine 3-Zimmer-Wohnung 1400€+ ist, dann ist das halt so. Wenn Markt regelt, dass niemand für 1500€ brutto den schweren Job bei e Bäckereikette macht, dann muss d Staat eingreifen und die faulen Arbeitslosen sanktionieren?

— Natascha Strobl (@Natascha_Strobl) June 18, 2021

Eine Restaurantbesitzerin im 8. Wiener Bezirk träumte unlängst im ORF-Wirtschaftsmagazin eco davon, das Arbeitslosengeld auf 400 Euro zu senken. Dann würden die Leut schon arbeiten gehen. 400 Euro würden nicht einmal als Existenzsicherung reichen – was das Arbeitslosengeld anders als die Sozialhilfe aber nicht ist. Es ist eine statussichernde Versicherungsleistung, die arbeitende Menschen eingezahlt haben, um sich gegen das Risiko abzusichern, dass ihr Arbeitgeber sie auf die Straße setzt. Und es ist eine Form der Lohnuntergrenze, die alle Beschäftigten und Arbeitslosen vor Hungerlöhnen schützt.

Höhere Löhne sind ein Zeichen, dass der Markt funktioniert

Anders entwickelt sich der US-Arbeitsmarkt, besonders im Dienstleistungsbereich: Die Restaurant-Kette the 5th Street Group hat nach erfolgloser Suche die Löhne drastisch angehoben. 23,80 Euro bekommen Abwäscher und Linienköche dort, weil sie kein Trinkgeld bekommen. Von 50 bis 60 Prozent Personalauslastung war die Restaurantgruppe innerhalb von drei Wochen voll besetzt mit Personal, wie ihr Miteigentümer Patrick Whalen der Washington Post berichtet. Die US-Zeitung hat 12 andere Gastro-Unternehmer interviewt, die ähnliches erzählen.

Enrique Lopezlira, eine Arbeitsökonomin von der Berkeley Universität in Kalifornien, sagt dazu:

„Dass US-Unternehmen wegen dem Arbeitskräftemangel jetzt die Löhne erhöhen, sei “ein Zeichen, wenn auch nur anekdotisch, dass der Markt so funktioniert wie er soll, angesichts der enormen Nachfrage an Arbeitskräften”.

Für Österreich kann man sagen: Die ausbleibenden Bewerbungen sind der Preis für die massenhaften Entlassungen der Arbeitskräfte in der Krise – trotz Kurzarbeit und Wirtschaftshilfen. Die ehemaligen BäckerInnen und Köche haben sich zum Teil neu orientiert und nicht auf die Rückkehr in ihren schlechent Job gewartet, wo man sie vor die Tür gesetzt hat.  Die ArbeitgeberInnen müssen ihnen jetzt mehr bieten, wenn sie sofort verlässliche Beschäftigte wollen.

Bäcker: Überstunden und Zuschläge werden oft nicht ausbezahlt

Statt bessere Arbeitsbedingungen anzubieten, gehen UnternehmerInnen wie die Chefin der Bäckerei-Kette Felber, Doris Felber, lieber in die Medien und schimpfen dort über ihre zukünftigen Beschäftigten: “90 Prozent der BewerberInnen wollen gar nicht arbeiten, sondern nehmen lieber das Arbeitslosengeld”, empört sich Felber in der Gratiszeitung Heute. Man stelle sich den umgekehrten Fall vor: Ein Arbeitsloser, der sich in einer Boulevardzeitung beschwert, dass 90 Prozent der Unternehmer faule Ausbeuter sind, die von der Arbeit anderer leben. Seine Chancen am Arbeitsmarkt dürften dadurch zumindest nicht steigen.

Im Marketing gibt es den Begriff “Employer Branding”. Große Unternehmen haben eigene Abteilungen dafür, als Arbeitgeber für zukünftige BewerberInnen attraktiv zu sein: Arbeitszeiten, Entlohnung und das Image der Arbeitskultur spielen da eine Rolle. Man muss kein Marketing-Experte sein, um zu wissen: Den potenziellen BewerberInnen seine Verachtung über die Zeitung auszurichten, ist wohl keine gute Strategie.

Auch das Image der Bäckerei-Branche ist nicht hilfreich: Da sind nicht nur die KV-Löhne unanständig niedrig, oft werden Überstunden und Nachtarbeitszuschläge erst gar nicht ausgezahlt. Dila M. war knapp 13 Monate als Ladnerin in einer Bäckerei beschäftigt. Vereinbart war eine Wochenarbeitszeit von 35 Stunden, 1.380 Euro war ihr KV-Lohn im Monat. M. arbeitete an sechs Tagen pro Woche bis zu 60 Wochenstunden, die ihr aber nie ausbezahlt wurden. Ein Jahr hielt die Landnerin dennoch durch, dann wandte sie sich an die Arbeiterkammer, rund 1.000 Euro pro Monat an Mehr- und Überstunden hat man ihr nicht ausbezahlt. Mit Unterstützung der Arbeiterkammer zieht sie jetzt vor Gericht. Fälle wie diese sind kein Einzelfall, die Beschwerden aus der Branche sind hoch: 134 MitarbeiterInnen von Bäckereien suchten laut Arbeiterkammer seit dem Vorjahr arbeitsrechtliche Unterstützung. 

“Als Bäcker arbeitet man sechs Tage die Woche von Montag bis Samstag. Im ersten Lehrjahr habe ich täglich um 4 Uhr früh begonnen, auch samstags. Im zweiten Lehrjahr hat meine Schicht um 2 Uhr früh begonnen, im dritten dann um 23 Uhr”, erzählt ein Bäcker dem Magazin Moment.

„Nach 8 Stunden Handsemmel flechten, fallen dir die Finger ab. In der Backstube hat es knapp 40 Grad, weil die Öfen natürlich eine Menge Hitze verbreiten“. Dazu kommen keine genauen Arbeitsaufzeichnungen und die Angst, jeden Tag gekündigt zu werden, wenn man seine Rechte einfordert. Weniger als 1.500 Euro für so einen Job ist kein großer Anreiz. 

Staatshilfen für Unternehmen, aber nicht für Beschäftigte

Das AMS rät Hotels, den Angestellten zumindest das gleiche Menü zu gönnen wie den Gästen oder Kinderbetreuung anzubieten, um ein attraktiverer Arbeitgeber zu werden. Martin Stanits, der Sprecher der Hoteliervereinigung, winkte gleich ab: Das wäre nicht möglich. Das Bemühen um Arbeitskräfte – es ist kaum vorhanden.

In der Krise soll der Staat einspringen und Unternehmen gerne mit Kurzarbeit, Fixkostenzuschuss und Umsatzersatz fördern – zum Teil auch überfördern. Aber sobald andere vom Sicherheitsnetz des Staates aufgefangen werden, wird dieses infrage gestellt. Man will nichts bieten, sondern verbieten: Nämlich die Möglichkeit, „Nein“ zu sagen.

Parlament Das Thema "Arbeitslose" im Parlament

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David Heidschuster
David Heidschuster
19. Juni 2021 13:12

Bin selbst aus der Branche und seit drei Jahren selbstständig. Kenne daher nur zu gut beide Seiten. Die Löhne sind niedrig, die Arbeitsbelastung hoch. Der Staat macht es den Unternehmen aber nicht einfach. Es ist ein sehr hoher Bürokratieaufwand zu stemmen der auch unnötige Kosten bringt. Bis jetzt

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David Heidschuster
David Heidschuster
Reply to  David Heidschuster
19. Juni 2021 13:12

Bin ich nicht in der Lage jemand zu beschäftigen obwohl der Bedarf durchaus vorhanden ist!

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rudolf
rudolf
Reply to  David Heidschuster
21. Juni 2021 09:24

Lieber David und warum nicht?

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In keinem Land der Eurozone ist Vermögen so ungleich verteilt wie in Österreich. Die reichsten 1 Prozent besitzen 41 Prozent des gesamten Vermögens, während die ärmere Hälfte Österreichs zusammen nur 3 Prozent des Vermögens besitzt. Der Großteil der Superreichen ist nicht durch harte Arbeit oder kluge Geschäftsideen zu Reichtum gekommen, sondern hat sein Vermögen geerbt. Auf diese gigantischen Erbschaften zahlen sie außerdem keinen Cent Steuern. Der Sozialökonom Stephan Pühringer argumentiert, dass diese Ungleichheit Gift für unsere Gesellschaft ist. Immer mehr Geld und Macht sind in der Hand von einigen wenigen konzentriert, während der Rest der Bevölkerung durch eigene Arbeit kaum mehr zu bescheidenem Wohlstand kommt. Zitat: Das Verhältnis zwischen Superreichen und dem Rest der Bevölkerung ist komplett aus dem Lot geraten. Gigantische Vermögen werden ohne jegliche Leistung oder Besteuerung vererbt. Das gefährdet den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Stephan Pühringer

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In keinem Land der Eurozone ist Vermögen so ungleich verteilt wie in Österreich. Die reichsten 1 Prozent besitzen 41 Prozent des gesamten Vermögens, während die ärmere Hälfte Österreichs zusammen nur 3 Prozent des Vermögens besitzt. Der Großteil der Superreichen ist nicht durch harte Arbeit oder kluge Geschäftsideen zu Reichtum gekommen, sondern hat sein Vermögen geerbt. Auf diese gigantischen Erbschaften zahlen sie außerdem keinen Cent Steuern. Der Sozialökonom Stephan Pühringer argumentiert, dass diese Ungleichheit Gift für unsere Gesellschaft ist. Immer mehr Geld und Macht sind in der Hand von einigen wenigen konzentriert, während der Rest der Bevölkerung durch eigene Arbeit kaum mehr zu bescheidenem Wohlstand kommt. Zitat: Das Verhältnis zwischen Superreichen und dem Rest der Bevölkerung ist komplett aus dem Lot geraten. Gigantische Vermögen werden ohne jegliche Leistung oder Besteuerung vererbt. Das gefährdet den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Stephan Pühringer
In keinem Land der Eurozone ist Vermögen so ungleich verteilt wie in Österreich. Die reichsten 1 Prozent besitzen 41 Prozent des gesamten Vermögens, während die ärmere Hälfte Österreichs zusammen nur 3 Prozent des Vermögens besitzt. Der Großteil der Superreichen ist nicht durch harte Arbeit oder kluge Geschäftsideen zu Reichtum gekommen, sondern hat sein Vermögen geerbt. Auf diese gigantischen Erbschaften zahlen sie außerdem keinen Cent Steuern. Der Sozialökonom Stephan Pühringer argumentiert, dass diese Ungleichheit Gift für unsere Gesellschaft ist. Immer mehr Geld und Macht sind in der Hand von einigen wenigen konzentriert, während der Rest der Bevölkerung durch eigene Arbeit kaum mehr zu bescheidenem Wohlstand kommt. Zitat: Das Verhältnis zwischen Superreichen und dem Rest der Bevölkerung ist komplett aus dem Lot geraten. Gigantische Vermögen werden ohne jegliche Leistung oder Besteuerung vererbt. Das gefährdet den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Stephan Pühringer

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