Der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz fordert harte Maßnahmen gegen Finanzinstitute und Länder, die Steuervermeidung befördern statt sie zu bekämpfen. Im Panama-Untersuchungsausschuss des Europäischen Parlaments sprach Stiglitz darüber, wie multinationale Konzerne und ihre Handlanger dazu gezwungen werden können, ihren fairen Beitrag zu leisten. Von “schwarzen Listen” war die Rede sowie davon, Länder unter Quarantäne zu stellen. Für den Kontrast-Blog erklärt Julia Freidl, wie das funktionieren kann.
Im April 2016 wurden 11,5 Millionen Dokumente mit Hintergründen zu 214.000 Briefkastenfirmen der internationalen Anwaltskanzlei Mossack Fonseca geleaked: die sogenannten „Panama Papers“. Seit Sommer 2016 arbeitet der „Panama-Untersuchungsausschuss“. Das Ziel: Die Fehler der nationalen Steuerbehörden aufzuklären. Dafür wird dem Untersuchungsausschuss auch Zugang zu den Dokumenten der nationalen Behörden gewährt. Bis zum Sommer 2017 sollen alle Gesetzeslücken aufgespürt und Steuerschlupflöcher geschlossen werden.
Zur Sitzung des Panama-Untersuchungsausschusses am 16. November 2016 wurde Nobelpreisträger Joseph Stiglitz geladen. Steuervermeidung und -hinterziehung gehören für ihn zur „dunklen Seite der Globalisierung“ und können nur global bekämpft werden. Da Konzerne international agieren, führen Lösungen auf rein nationaler Ebene in eine Sackgasse.
Finanzinstitute als Handlanger der multinationalen Konzerne sind die bedeutendsten Akteure im System der Steuervermeidung. Stiglitz fordert harte Sanktionen gegenüber den Banken und Wirtschaftsprüfern: Halten sie sich nicht an die Regeln, sollen sie ihre Lizenzen verlieren.
Länder unter Quarantäne stellen
Sanktionen fordert Stiglitz auch für die Länder. Wenn sich Finanzgebiete mit ihrer Politik schädlich für die Weltgemeinschaft verhalten, muss man sie unter Quarantäne stellen. Das bedeutet: Sie sollen vom globalen Finanz- und Wirtschaftssystem ausgeschlossen werden. Doch wie kann das gehen? Stiglitz hat darauf hingewiesen, dass die USA und Europa bereits geheime Geldflüsse an TerroristInnen und an Nordkorea gestoppt haben. Dasselbe ist auch mit Staaten möglich, die sich in Sachen Steuerflucht nicht an die Regeln halten.
Man kann KonsumentInnen und Wirtschaftstreibenden beispielsweise verbieten, Bankkonten, Firmen oder Ähnliches in Staaten zu haben, die sich nicht an die Spielregeln halten. Genauso kann man Unternehmen verbieten, Töchter, Stiftungen oder Beteiligungen in diesen Ländern zu halten. Außerdem kann den Banken verboten werden, Geschäftsbeziehungen in irgendeiner Art mit Instituten dieser Gebiete zu pflegen.
Auf diese Weise könnte die EU auch Druck auf die USA ausüben. Denn nicht nur auf karibischen Inseln, sondern auch in Europa und den USA werden Unternehmen mit Geheimhalterei und unermesslichen Steuererleichterungen angelockt. Allein im US-Bundesstaat Delaware sind über eine Million Firmen registriert – mehr als der Bundesstaat EinwohnerInnen hat.
Eine „Schwarze Liste“ soll Abhilfe schaffen
In der EU wird gerade an einer schwarzen Liste jener Länder gearbeitet, die der Geldwäsche zu wenig entgegensetzen. Die Kriterien für die Liste sind noch strittig. Die Abgeordnete Evelyn Regner fordert beispielsweise, dass Länder, in denen keine Körperschaftssteuer zu zahlen ist, auf diese Liste kommen.
Transparenz ist ein weiteres Mittel gegen Steuertrickserei. Nur wenn klar ist, wer die EigentümerInnen hinter den leeren Hülsen von Briefkastenfirmen sind, kann auch gegen sie vorgegangen werden. Außerdem muss einsehbar sein, wo Unternehmen ihre Gewinne erwirtschaften und wo sie ihre Steuern zahlen – oder eben nicht zahlen. Die Kommission hat im April 2016 eine länderbezogene Berichterstattung (Country By Country Reporting) vorgeschlagen. Dabei geht es darum, dass Unternehmen länderweise auflisten sollen, wieviele Beschäftigte sie haben, wo sie wie viel Umsatz machen und wie viel Steuern sie zahlen. Ziel ist, dass Unternehmen dort Steuern zahlen, wo sie Gewinne erwirtschaften.
Den Kapitalismus mit den eigenen Waffen bezwingen
Im Untersuchungsausschuss empfahl Stiglitz, Transparenzklauseln in internationale Handelsabkommen aufzunehmen. Man muss, so Stiglitz, den Kapitalismus mit den eigenen Waffen bezwingen:
„Wir müssen es schaffen, die Globalisierung zu zügeln, in dem wir Steueroasen schließen und der Steuertrickserei ein Ende setzen. Nur so können wir erreichen, dass nicht nur die oberen zehn Prozent vom System profitieren.“
Steuertrickserei hat massive negative Auswirkungen auf das EU-Budget. Den europäischen Staaten fehlen dadurch rund 1.000 Milliarden Euro pro Jahr. Dieses Geld wird dringend gebraucht: für Investitionen in Infrastruktur, Bildung und den Arbeitsmarkt in Europa.
Wozu das Ganze?
In den letzten Jahren haben die Steuertricks multinationaler Konzerne dank WhistleblowerInnen und investigativen JournalistInnen große Aufmerksamkeit erlangt. Der „Panama-Untersuchungsausschuss“ ist nicht der erste Versuch der EU, gegen Steuervermeidung vorzugehen. Nach den Enthüllungen von „LuxLeaks“ im Jahr 2014, die zeigten, dass Unternehmen wie Amazon oder IKEA weniger als ein Prozent Steuern zahlen, wurden Sonderausschüsse im Europäischen Parlament eingerichtet. Im November 2015 (TAXE1) und im Juni 2016 (TAXE2) legte das Parlament umfassende Forderungskataloge vor, die von der Europäischen Kommission übernommen wurden.
Der „Panama-Untersuchungsausschuss“ selbst kann Steuerbetrug nicht verhindern. Jedoch können die Mitglieder durch Akteneinsicht und Informationen nationaler Behörden globale Schlupflöcher ausmachen. Auf Basis dessen erarbeitet das Europäische Parlament Vorschläge, welche gesetzlichen Maßnahmen es braucht. Am Ende sind immer die Mitgliedsländer über den Europäischen Rat am Zug und müssen entscheiden, ob die Vorschläge umgesetzt werden.
Weiterführende Infos:
Die Sitzung des Panama-Untersuchungsausschusses am 16. Nov mit Stiglitz kann man hier Nachschauen: http://www.europarl.europa.eu/ep-live/de/committees/video?event=20161116-1100-COMMITTEE-PANA
Alle Infos zum Panama-Untersuchungsausschuss: http://evelyn-regner.at/
Overcoming the Shadow Economy (Stiglitz & Pieth, 2016): http://files.newsnetz.ch/upload/1/0/100909.pdf