“Wir werden in Österreich mit einer generellen Arbeitszeitverkürzung das Licht abdrehen”, droht WKO-Präsident Harald Mahrer in der Pressestunde. Eine 35-Stunden-Woche in der Pflege schließt er kategorisch aus. „Die WKO soll ihre ideologisch motivierten Interventionen in laufende KV Verhandlungen lieber sein lassen“, entgegnet GPA-Vorsitzende Barbara Teiber.
Harald Mahrer holte in der ORF-Sendung Pressestunde am Sonntag zum Angriff auf die streikenden Pflegekräften aus. Gibt aber selbst zu, von den Arbeitsbedingungen in der Pflege wenig Ahnung zu haben: “Das wusste ich, bevor ich mich da briefen hab lassen auch nicht”, sagt Mahrer und meint: 70 Prozent der Pflegerinnen, Heimhelferinnen und Pflegeassistentinnen arbeiten weniger als die 38,5 Stunden die Woche.
Denn der Beruf ist körperlich und seelisch so anstrengend, dass kaum jemand langfristig Vollzeit arbeiten kann. Also nehmen die meisten den geringeren Lohn und langfristig die Gefahr von Altersarmut in Kauf. Obwohl – oder gerade weil sie ihren Beruf gerne ausüben. Und es sind vor allem Frauen. 30 bis 40 Prozent der Beschäftigten liegen mit ihrem Lohn sogar unter der Schwelle für Armutsgefährdung laut Zahlen der Statistik Austria.
Mahrer ist “völlig ahnungslos”
Doch Mahrer ist sich sicher: Auf keinen Fall dürfe man der Forderung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach einer 35-Stunden-Woche bei vollem Lohn nachgeben.
Man würde mit einer Arbeitszeitverkürzung „die gesamte Branche der Sozialwirtschaft maßlos überfordern“. Dass die Pflegerinnen schon jetzt durch zu harte Arbeitsbedingungen überfordert sind, und deswegen kaum jemand Vollzeit arbeitet, kommt Mahrer nicht in den Sinn.
“Völlige Ahnungslosigkeit” wirft ihm daher Barbara Teiber, die Vorsitzende der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) vor. Denn genau diese 70 Prozent der Teilzeit-Beschäftigten würden von einer Verkürzung der Arbeitszeit am meisten profitieren. Außerdem würde es dadurch leichter, Pflegekräfte zu finden – denn bei voller Arbeitszeit schafft das „kaum jemand“.
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ÖVP funkt in KV-Verhandlungen
Mahrer schlägt er in die Kerbe der ÖVP, die sich in die anfangs gut laufenden Verhandlungen rund um den Kollektivvertrag der Sozialwirtschaft einmischte – und damit ausbremste.
Denn zu Beginn der Verhandlungen waren die Arbeitgeber bereit, über eine 35-Stunden-Woche zu verhandeln. Das war ein Novum. Die Durchsetzung der 35-Stunden-Woche würde nicht nur den Pflegeberuf enorm aufwerten, es wäre auch eine Signalwirkung für andere Branchen. Denn quer durch alle Berufe wünschen sich die Beschäftigten kürzere Arbeitszeiten. Und genau das wollen die Wirtschaftskammer und die Industriellen-Vereinigung verhindern.
Doch mittlerweile sind die Arbeitgeber gespalten. Während die Volkshilfe und die Wiener Pensionisten-Häuser der Forderung offen gegenüber stehen, blockiert der Verhandlungsführer der Arbeitgeber Walter Marschitz eine Lösung.
„Es gibt offenbar eine Einmischung der ÖVP, die den Arbeitgebern aufgetragen hat, nicht abzuschließen“, berichteten SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch und SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher.
„Natürlich spielt die ÖVP im Hintergrund mit“, sagt auch Axel Magnus, Betriebsrat der Sucht- und Drogenkoordination Wien (SWD). ÖVP-Klubobmann August Wöginger soll mit dem Chefverhandler der Arbeitgeber Marschitz gesprochen haben, weil dieser der 35-Stunden-Woche anfangs offen gegenüberstand. Magnus vermutet, dass Wöginger aus der Wirtschaftskammer und dem Wirtschaftsbund angerufen wurde, um eine Einigung zu verhindern.
Nach mehreren ergebnislosen Verhandlungsrunde machen die Arbeitnehmervertreter Warnstreiks. So hat etwa zum ersten Mal in ihrer Geschichte ein Streik bei der Caritas stattgefunden – für die 35-Stunden-Woche. Am 6. März gehen die Verhandlungen in die nächste Runde.
BESSERE ARBEITSZEITEN GEGEN FACHKRÄFTEMANGEL
„Wer Menschen im Pflegeberuf will, der muss den Beruf attraktivieren. Eine 35-Stunden-Woche kann eine solche Attraktivierung sein“, sagt die Chefverhandlerin der Gewerkschaft Eva Scherz.
So könnte man mehr Menschen in die Branche holen – und damit einen großen Teil des zusätzlichen Personalbedarfs decken. Die freiwerdenden Stellen können auf Teilzeitkräfte verteilt werden, die ohnehin schon mehr arbeiten wollen. Außerdem gibt es derzeit 40.000 Menschen in Österreich, die eine Pflegeausbildung absolviert haben, aber nicht (mehr) in der Pflege arbeiten. Mit besseren Arbeitsbedingungen könnte man diese Leute wieder für ihren Beruf gewinnen.
Mangelberuf und Pflegelehre anstatt besserer Arbeitsbedingungen
Die Regierung findet eine andere Antwort: Pflege gilt jetzt schon als einer der 45 Mangelberufe in Österreich. Anstatt den Beruf für die 40.000 ausgebildeten Pflegekräfte wieder attraktiv zu machen, soll nun die Jugend ran: Eine Pflege-Lehre soll Jugendliche ab 15 Jahren theoretisch ausbilden, ab 17 sollen sie auch aktiv ans Krankenbett. Lehrlinge sind besonders billige Arbeitskräfte. Österreich könnte so mit 7.000 zusätzlichen Plegekräften pro Jahr rechnen. Dass die Branche so entlastet würde, bezweifelt Hanna Mayer, Vorständin des Instituts für Pflegewissenschaft an der Universität Wien:
Die Idee, (…) eine Pflegelehre einzuführen, ist weder bildungspolitisch noch berufspolitisch und schon gar nicht angesichts der komplexen und anspruchsvollen Aufgaben in der Pflege sinnvoll. Kein Mensch käme auf die Idee, einen drohenden Ärztemangel mit der Maßnahme „Medizin als Lehrberuf“ lösen zu wollen. Bei der Pflege scheint jedoch jedes Mittel recht.
Ich lade Herrn M gerne ein, mal eine Woche in der Pflege zu arbeiten. In dem Fall im mobilen Dienst. Vorhande Kräfte gehören unterstützt und aufgewertet. Deswegen ein klares Ja zur 35 Stunden Woche und für die weniger Arbeiten ist es eine Lohnerhöhung von 8 Prozent, die wir schon längst verdient hätten.
Aber ist eh klar, er verdient ja genug. LG eine Pflegerin aus dem mobilen Dienst