Amazon-Gründer Jeff Bezos ist der reichste Mensch der Welt. Aber Fleiß oder Einfallsreichtum reichen nicht aus, um dorthin zu kommen: Amazon ist international immer wieder wegen der schlechten Arbeitsbedingungen in den Schlagzeilen. Seit Oktober 2018 betreiben sie auch ein Verteilzentrum in Österreich. Jetzt klagen die Mitarbeiter und erzielen erste Erfolge.
Nicht nur beim Verkauf – auch an der Zustellung in Österreich will Amazon verdienen. Deswegen hat das Unternehmen 2018 in Großebersdorf (NÖ) ein Verteilzentrum mit 150 Mitarbeitern eröffnet. Doch angestellt sind dort nur 16 Menschen, die meisten Kollegen werden von Leiharbeitsfirmen „geborgt“. Ein Praxis, die eigentlich für nur Auftragsspitzen gedacht ist.
Überwachen und Strafen
Maarten N. ist einer von ihnen; er berichtet von Überwachung, Disziplinierungsmaßnahmen und erniedrigenden Vorschriften:
Das Hauptarbeitsgerät, der Scanner wird zum Überwachungstool. Er registriert genau die Arbeit der einzelnen Beschäftigten. Wer zu langsam ist fliegt raus, vermuten die Kollegen, wissen tun sie es nicht: Die Mitarbeiter haben keine Möglichkeit, ihre persönlichen Daten einzusehen und zu vergleichen.
„Der Scanner registriert, wie viel wir leisten. Wir selbst können diese Leistungen aber nicht sehen und wissen nicht, wie wir beurteilt werden. Wir wissen nicht, wenn wir in die Arbeit gehen, ob wir noch einen Job haben oder nicht.“
Maarten N., Beschäftigter am Amazon Standort Großebersdorf
Doch nicht nur die Geschwindigkeit wird geahndet. Wer etwa unsicheres Schuhwerk oder falsche Bekleidung trägt, wird mit sinnlosen Aufgaben bestraft. Sie werden gezwungen die Pakete einzeln und unter Aufsicht zu scannen, obwohl es auch einfach in der Gruppe funktioniert.
Niemand übernimmt Verantwortung
Üben die Arbeiter bei ihrer Leiharbeitsfirma Kritik, schickt die sie zu Amazon. Gehen sie zu Amazon, schickt der Konzern sie wieder zur Leiharbeitsfirma. Die Mitarbeiter können sich kaum für Verbesserungen einsetzen, alleine schon weil niemand ihnen zuhört. Dieselbe Strategie verfolgen 5-Jährige, die sich einfach die Ohren zu halten, wenn die Eltern ihnen etwas sagen, das ihnen nicht passt.
Das „unternehmerische Risiko“ trägt der Mitarbeiter
Ist die Auftragslage schlechter werden die MitarbeiterInnen „ersucht“, ihre Arbeitszeit zu reduzieren – mit Verweis auf Stellenkürzungen. Amazon verlangt außerdem, dass die MitarbeiterInnen während der Arbeitszeit keine persönlichen Gegenstände mit sich führen. Dazu zählen etwa auch Uhren, Gürtel, Handys oder sogar Kaugummi. Wer etwas dabei hat, steht unter Pauschalverdacht, es womöglich aus einem Paket entwendet zu haben.
Die Arbeit verdichtet sich zunehmend ohne Ausgleich durch zusätzliches Personal. Das äußert sich etwa auch dadurch, dass Regale immer weiter zusammengestellt werden. In Regalgängen mit einer Länge von etwa 2,5 Metern arbeiten regelmäßig zwischen fünf und sieben MitarbeiterInnen. Diese Regale sind nicht am Boden befestigt, aber sehr hoch, was zu Gefahrensituationen führt. Fahrer, die die Pakete ausliefern, müssen beim Wiederankommen am Gelände im Auto sitzen bleiben, bis sie hineingepfiffen werden. Dies gilt auch bei großer Hitze. Ein Kreislaufkollaps war bereits die Folge. Fahrer müssen bis zu 300 Pakete täglich ausliefern.
Gewerkschaften kämpfen für bessere Arbeitsbedingungen
Die Gewerkschaften fordert eine angemessene und respektvolle Behandlung der Beschäftigten durch Amazon, ein Ende der Überwachung von Beschäftigten durch Amazon und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen.
„Wir werden nicht zulassen, dass ArbeitnehmerInnen in Österreich menschenunwürdig und wie seelenlose Maschinen behandelt werden. Dazu gehört ein Ende der Überwachung und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen.“
Barbara Teiber, GPA-djp Bundesvorsitzende
Der Einsatz der Gewerkschaften hat bereits erste Erfolge erzielt. Nur einen Tag nach den Enthüllungen von Maarten N., hat Amazon angekündigt die Halle in Großebersdorf umzubauen. Außerdem kündigte Amazon Versetzungen und Entlassungen im Management an. Die Gewerkschaften fordern aber weitere Veränderungen.
Es muss eine Prüfung des Standorts Großebersdorf durch die Finanzbehörden durchgeführt werden, um zu klären, ob es sich um eine Betriebsstätte oder eine Hilfsstätte handelt.
Gestern reichten die Gewerkschaften außerdem ein Prüfersuchen beim Arbeitsinspektorat ein, das nun kontrollieren wird, ob die teils gefährlichen Arbeitsbedingungen rechtskonform sind. Zusätzlich wird die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse eingeschaltet, um zu prüfen, ob bei den Amazon-Fahrern Scheinselbstständigkeit vorliegt.
Grundsätzlich forderten die Gewerkschaften außerdem eine echte Digitalsteuer, die über die Erweiterung der Werbeabgabe auf Online-Werbung hinaus eine faire Besteuerung von Online-Giganten sicherstellt.