Hoteliers und Gastro-Betreiber klagen über zu wenige Fachkräfte. Eine gute Lösung wäre, mehr Geld in Fach-Ausbildungen zu investieren und die Arbeitsbedingungen – vor allem die Löhne – in Tourismus und Gastro zu verbessern. Stattdessen wollen ÖVP und Grüne das „Ausländerbeschäftigungsgesetz“ ändern: Künftig sollen mehr Drittstaats-Angehörige in Österreich arbeiten und bisherige Obergrenzen fallen. Während die ausländischen Arbeitskräfte hier zu Dumping-Löhnen arbeiten, nimmt der Lohndruck für österreichische Beschäftigte zu.
„Ausländer-Beschäftigung” in Österreich” kurz erklärt
Personen aus EU-Staaten dürfen ohne Beschränkung in Österreich arbeiten. Wer aus einem Drittstaat kommt, also einem Land außerhalb des EU/EWR-Raums, muss eine Beschäftigungsbewilligung beantragen. Das gilt auch für Saisoniers, also für Menschen, die z.B. für 3 Monate auf Baustellen, in Hotels oder im Gastgewerbe arbeiten. Beispielsweise während der Sommer- und Winterstoßzeiten.
Bevor so eine Bewilligung ausgestellt wird, führt das AMS noch eine sogenannte Arbeitsmarktprüfung durch. Das heißt, das AMS prüft, ob eine offene Stelle auch von Arbeitssuchenden in Österreich besetzt werden könnte. Denn es gilt: Jobsuchende aus Österreich und der EU haben Vorrang. Für Fachkräfte, die besonders gesucht sind, gibt es zusätzlich die Möglichkeit, eine Rot-Weiß-Rot-Karte zu erwerben.
Arbeitsminister setzt Kontingente für Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Ländern fest
Das Arbeitsministerium erlässt jedes Jahr für die Saisonarbeit Verordnungen, die für die Sommer- und Wintersaison regeln, wie viele Personen aus Nicht-EU-Staaten in Hotel- und Gastgewerben arbeiten dürfen. Der Arbeitsminister setzt also eine Obergrenze, ein Kontingent, fest. Das Kontingent gilt für das gesamte Jahr, eine einzelne Saisonarbeitskraft kann im Normalfall bis zu sechs Monate in Österreich arbeiten. Da aber eine Jahresbetrachtung durchgeführt wird und die Kontingente in Saisonspitzen zudem überschritten werden dürfen, können noch mehr Drittstaats-Arbeitskräfte ins Land geholt werden, als die Zahl auf den ersten Blick vermuten lässt.
Kontingente selbst haben einen Sinn: Sie sollen dafür sorgen, dass man verstärkt innerhalb Österreichs nach Facharbeiter:innen sucht. Denn Österreich hat überdurchschnittlich viele Langzeitarbeitslose, die Arbeitsplätze brauchen.
2022: 60% mehr Saisonarbeitskräfte im Tourismus
Die Saison-Kontingente für 2022 legt ÖVP-Arbeitsminister Kocher per Verordnung fest. In der Tourismusbranche bringt sie – laut Entwurf – eine Erhöhung um mehr als 60% auf knapp 2.000 Plätze (dazu kommt eine Überziehungsmöglichkeit um bis zu 50%). Für die Land- und Forstwirtschaft und die Erntearbeit bleiben die Kontingente gleich hoch wie 2020 – noch vor der Corona-Krise verordnet – festgelegt wurden.
Zusätzlich zu diesem Kontingent kommen weitere sogenannte Stamm-Saisoniers, deren Zahl sich ab nächstem Jahr aufgrund einer geplanten Gesetzesänderung um weitere 3.100 Personen erhöhen wird.
Die Festlegung so hoher Kontingente mitten in der Krise ist nicht nachvollziehbar. Statt die Arbeitsbedingungen in den Branchen zu verbessern und Jobs für die aktuell 371.000 Arbeitslose attraktiver zu machen, holt die Bundesregierung mehr Arbeitskräfte aus Drittstaaten nach Österreich, als in den Jahren zuvor.
Laut Ausländerbeschäftigungsgesetz wäre Arbeitsminister Kocher verpflichtet, bei der Berechnung der Kontingente auch die Lage am Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Ob er diesem Auftrag nachgekommen ist, will der SPÖ-Abgeordnete und Gewerkschafter Rainer Wimmer jetzt mit einer parlamentarischen Anfrage herausfinden.
“Stamm-Saisoniers”: Kontingente fallen – die Arbeitsmarktprüfung ebenso
Neben dem jährlich neu festgelegten Kontingent dürfen auch Stamm-Saisoniers in Österreich arbeiten. Diese Gruppe soll zukünftig noch weiter vergrößert werden. Dazu haben ÖVP und Grüne im Ministerrat am 17. November 2021 den Plan für eine Gesetzesänderung vorgelegt:
Saisonarbeitskräfte, die im Zeitraum zwischen 2017 und 2021 in drei Jahren jeweils mindestens 3 Monate in Österreich gearbeitet haben, fallen dann nicht mehr ins Kontingent. Das betrifft laut Arbeitsministerium ca. 3.100 Menschen, die zusätzlich Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt erhalten. Sie bekommen eine gesonderte Beschäftigungsbewilligung – obendrein entfällt die Arbeitsmarktprüfung.
Dieser Gesetzesvorschlag wurde mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und Neos am 16. Dezember im Nationalrat beschlossen und soll ab nächstem Jahr in Kraft treten.
Eine solche Regelung gibt es zwar in ähnlicher Form bereits, sie ist aber weniger „großzügig“ ausgestaltet, da Saisonkräfte länger in Österreich beschäftigt sein müssen, um als „Stamm-Saisoniers“ zu gelten, wie die Arbeiterkammer kritisiert.
All das bedeutet eine Verdrängung österreichischer und europäischer Arbeitskräfte – und mehr Lohndruck. Denn je größer das Angebot verfügbarer Arbeitskräfte aus In- und Ausland wird, desto stärker der Wettbewerb und der Druck auf Löhne und Gehälter.
Was ausbleibt: Investitionen in Jobs, um Arbeitslosenzahlen zu senken
Am heimischen Arbeitsmarkt gibt es viele Baustellen. So werden immer noch Asylwerber:innen, die in Österreich eine Lehre gemacht haben, abgeschoben, wenn sie einen negativen Bescheid ausgestellt bekommen – obwohl sie künftige Fachkräfte wären. Dann wäre da auch noch die hohe, stagnierende Langzeitarbeitslosigkeit durch die Corona-Krise. Gerade Menschen, die älter als 50 Jahre alt sind, haben es schwer, wieder Fuß zu fassen. Hinzu kommt, dass eine hohe Arbeitslosenzahl auch mehr Armut bedeutet. Die Armutsgrenze in Österreich liegt für eine Person bei 1.328 Euro. Sieht man sich an, wie viel Geld Jobsuchende im Monat zur Verfügung haben, zeigt sich: 9 von 10 Jobsuchende leben an oder unter der Armutsgrenze.
Lösungen gäbe es einige. Man könnte das Arbeitslosengeld erhöhen. Jeder Euro mehr bei den Betroffenen fließt in die Wirtschaft zurück. Oder man könnte mehr in die Ausbildung von Fachkräften investieren – oder ein staatliches Job-Programm umsetzen.
Doch stattdessen weitet man Migration in den Saisonbereich aus, bei dem die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung schlecht sind. Die Arbeitgeber haben keine Anreize, daran etwas zu ändern.
Wirtschaftskammer hocherfreut – Arbeiterkammer und Gewerkschaften alarmiert
Unternehmervertreter freuen sich: Die WKÖ „begrüßt ausdrücklich“ das Vorhaben der ÖVP-geführten Regierung, immerhin enthält es „langjährige Forderungen“ der Wirtschaftskammer. Geht es nach ihr, soll die Regelung schon in der kommenden Wintersaison gelten. Der Pool an möglichen Beschäftigten soll so groß wie möglich sein. Je weniger Arbeitgeber bezahlen müssen, desto besser. Der WKÖ gehen die Pläne nicht weit genug. Sie will überhaupt die Höchstgrenzen für ausländischen Saisonarbeiter einstampfen.
Ganz andere Töne schlagen die Arbeiterkammer und die Gewerkschaft vida an. Roman Hebenstreit spricht in einer Stellungnahme der vida davon, dass sich im Tourismus die Zahl der Drittstaats-Beschäftigten verdoppeln würde. Während gleichzeitig keine neuen Jobs geschaffen werden und sich die Arbeitsbedingungen nicht verbessern.
Nicht der erste Schritt zu mehr Lohndumping: ÖVP und Grüne haben Kumulationsprinzip abgeschafft
Die Regierungsparteien haben es den Unternehmen im Sommer schon einmal erleichtert, Lohndumping zulasten der Beschäftigten zu betreiben. Im Juli haben ÖVP und Grüne das sogenannte Kumulationsprinzip abgeschafft und damit die Strafen für Lohndumping, unterlassene Arbeitsmeldungen und Stundenaufzeichnungen gesenkt. Übersetzt: Beschäftigte auszubeuten ist ab jetzt für Arbeitgeber vielfach billiger. Und es gilt: Je größer das Unternehmen, je mehr Geschädigte – desto billiger ist Lohndumping. Denn die Strafen werden nicht mehr pro Betroffenem addiert, sondern pauschal verhängt.
Wer 100 MitarbeiterInnen zu wenig zahlt, bekommt keine weit höhere Strafe als ein Kleinbetrieb, der zwei Mitarbeiterinnen zu wenig bezahlt. Damit stehen die Strafen nicht mehr im Verhältnis zum Profit, der durch das Lohndumping erzielt wird.
Dank ÖVP und Grünen gelten jetzt nicht einmal mehr Mindeststrafen. Für die maximale Strafe sind die Kriterien hoch: Es müssen mehr als 100.000 Euro Entgelt vorenthalten worden sein – und es muss ein Vorsatz nachgewiesen werden. Dann kann ein Arbeitgeber in Summe mit maximal 400.000 Euro belangt werden.