Mega-Geschäft Christkindlmarkt: 2019 werden an Ständen in Österreich etwa 390 Millionen Euro Umsatz machen. Doch bei jenen, die uns Punsch und Glühwein ausschenken, kommt das Geld nicht an. Wir haben mit 7 Stand-MitarbeiterInnen über ihre Arbeitsbedingungen gesprochen. Das Resümee: Stress, fehlende Klo-Pausen und Löhne, die niedriger sind als Punsch-Preise.
Die Schichten beginnen je nach Christkindlmarkt am späten Vormittag. „Waren werden beliefert und der wird Stand hergerichtet. Das Mittags-Geschäft ist eher ruhig. Da kommen auch eher TouristInnen in Reisebussen“, erzählt Caro. Erst am späteren Nachmittag, wenn die Leute aus den Betrieben und den Büros kommen, geht es richtig los: „Wenn die anderen aus dem Büro gehen, geht es bei uns erst so richtig los. Dann arbeitest du auf Hochtouren“, erzählt Goran. Auch er arbeitet in einem Gastro-Stand an einem Christkindlmarkt.
„An den Wochenenden, wenn die TouristInnen mit den Bussen angekarrt werden, ist es Fließband-Abfertigung“, sagt Mario. Er hat am Markt zwischen Natur- und Kunsthistorischem Museen in Wien gearbeitet.
“Am Christkindlmarkt braucht man ein dickes Fell.”
Ajda, die vor zehn Jahren auf einem Christkindlmarkt Glühwein und belegte Brote verkauft hat, erinnert sich besonders an die Männer-Runden, die nach der Arbeit auf den Markt rauschen: „Da musste man sich als junge Frau diverse ‘Witze’ anhören. Das war auch der Grund, wieso ich mir dauerhaft das Kellnern nicht vorstellen konnte. Als Frau wird man nicht nur einmal am Abend blöd angequatscht und wenn man den ‘Spaß’ nicht mitmacht, ist man schnell die, die keinen Spaß versteht. Überhaupt fand ich, dass gerade Männer in Gruppen sich gestärkt fühlten wenn es um das herablassende Behandeln ging.“
Ähnliche Erfahrungen hat Sabine gemacht, die nicht nur am Christkindlmarkt, sondern auch im Handel gearbeitet hat:
„Die Kunden am Weihnachtsmarkt sind nicht so arrogant wie ich es im Sportfachhandel erlebt habe, dafür sexistischer. Selbst Haube und Winterkleidung schützen Frauen nicht vor schlechten Anmachsprüchen“, erzählt sie uns.
Sabine sagt, man braucht ein dickes Fell: „Sexismus steht an der Tagesordnung.“
Arbeitsbedingungen und Löhne
Marita hat auf einem Stand in Wien Schokolade verkauft. Sie war geringfügig beschäftigt. Hat sie mehr gearbeitet, bekam sie den Rest bar auf die Hand.
Saras Beschäftigungsverhältnis war ähnlich. Sie hat auf einem Christkindlmarkt in Wien Kristalle verkauft. Sie hat es gut erwischt, wie sie findet. „Ich war geringfügig angestellt. Alles was drüber war, wurde ‚schwarz‘ ausbezahlt.“ Saras Mann und sie hätten grundsätzlich zehn Euro pro Stunde bekommen. Eine Gewinnbeteiligung gab es nicht.
„Gerade bei meinem Mann, der selbstgemachten Weihnachtsschmuck verkauft hat, wäre eine Gewinnbeteiligung gut gewesen. Er spricht neben Deutsch auch Arabisch, Französisch und Italienisch. Das freut die Kunden besonders“, erzählt Sara.
Für Saras Mann war die Arbeit am Weihnachtsmarkt ein guter Einstieg in den österreichischen Arbeitsmarkt.
Der Punsch-Preis ist höher als der Stundenlohn
Ein Blick auf die Stellenausschreibungen aus dem Jahr 2017 für Weihnachtsmärkte zeigt, dass Sara und ihr Mann mit ihrem zehn Euro Stundenlohn im Höchst-Segment liegen. Zwischen 6 und 10 Euro verdient das Verkaufspersonal. Niedrigere Löhne kommen vor allem im Gastro-Bereich vor, wo es dafür häufiger Trinkgeld gibt.
Caro, deren Betrieb einen Punsch-Stand betrieben hat, erzählt: „Ich habe 6,30 netto verdient, dazu kam das Trinkgeld. Touristinnen und Touristen sind im Kontakt mit den Verkäufern nett, aber geben wenig Trinkgeld. Andersherum ist es bei denen, die nach der Arbeit noch schnell auf einen Punsch gehen. Die sind oft laut und etwas unhöflich, dafür stimmt das Trinkgeld.“ Die Arbeit in der Gastronomie ist grundsätzlich schlecht bezahlt, aber die Studentin schüttelt angesichts des Verhältnisses zwischen ihrem Lohn und den Punsch-Preisen mit Häferl-Pfand den Kopf:
„Ein Punsch kostet mehr als ich in der Stunde ohne Trinkgeld verdiene. Das ist schon absurd.“
Ähnlich war es auch bei Mara: „Die Preise waren komplett überzogen und mega überteuert. Sobald der Chef da war, hat der nur Dollarzeichen in den Augen gehabt. Da sollte nicht geredet, sondern nur verkauft werden.“
Punsch wird teurer, Stundenlohn bleibt niedrig
Mario bekam 9 Euro pro Stunde – über alle drei Jahre hinweg, die er am Punsch-Stand gearbeitet hat: „Angehoben oder an die Preisentwicklung angepasst wurde der Lohn nicht. Und wenn ich die aktuellen Ausschreibungen richtig mitbekommen habe, ist er bis heute nicht angehoben worden.“
Goran, der Leberkäse auf einem kleineren Christkindlmarkt verkauft hat, bekam 9 Euro plus Trinkgeld, das er behalten durfte: „Bei uns ist das Trinkgeld aber weniger üblich, glaub ich. Ich bin dann auf 12 Euro gekommen, manchmal mehr. Das ist für einen Studi-Job schon gut, da hab ich auch die eine oder andere Vorlesung gespritzt. Bei den langen Schichten kommt da schon was zusammen.“
Tatsächlich arbeiten viele Studierende nebenher hinter Christkindlmarkt-Buden. Prekäre Jobs sind für sie ohnehin Alltag. Die Befristung mit dem 24. Dezember kommt ihnen entgegen: „Danach kannst Du zu den Eltern heimfahren, du musst dir nicht frei nehmen. Du suchst dir halt was Neues. Irgendwas gibt’s immer“, sagt Goran.
12 Stunden ohne Klo-Pause
Caro hat viel Erfahrung in der Gastronomie. Sie meint, die Arbeit am Christkindlmarkt ist vergleichbar mit stressigen Gastro-Betrieben: „Der Hauptunterschied ist, dass es noch engere und kleinere Arbeitsplätze sind.“ Außerdem gibt es kaum Möglichkeit, sich zurück zu ziehen: „Auch wenn nichts los ist, wird man immer gesehen von den Gästen. In unserem Fall war es auch immer so, dass es während des Betriebs quasi unmöglich war, aus der Hütte rauszugehen, weil die Häferl die Tür versperrt haben. Das heißt, 12 Stunden nicht aufs Klo, Hände Waschen oder eben Pause machen“, erinnert sich Caro.
Goran erzählt Ähnliches: „Irgendwann weißt du, dass für die Toilette nur wenig Zeit bliebt. Da denkst Du über jeden Schluck Wasser doppelt nach.“
Besonders stressig fand Sabine, die ebenfalls Punsch verkauft hat, das Mischen von aufwendigem Punsch: „Fancy-Angebote mit Likör, Obers & anderem Schnickschnack sind sehr mühsam, vor allem, wenn viel los ist.“
Druck lastete laut Mario auf der Hütten-Chefin: „Das ist überhaupt ein schräger Job. Zweieinhalb Monate fast jeden Tag von 9 Uhr bis spät in die Nacht. Volle Verantwortung und Haftung für alles. Wenn die Kassa nicht stimmt, also 100 Liter Punsch fehlen, aber nur 95 Liter verrechnet wurden, musste sie die Differenz begleichen. Viele geben den Druck oft nach unten weiter, an die anderen Beschäftigten. Da gibt’s dann den einen oder anderen Kniff: Etwa die Anweisung beim Glühwein oder Punsch immer ein bisschen unter dem Strich einschenken. Das rechnet sich über den Tag schon.“
Strenge Regeln beim Becher-Pfand
Eine Anweisung „von oben“, die es zumindest auf Marios Christkindlmarkt gegeben hat, und gegen die er sich gewehrt hat, war, „dass die Pfandhäferl von Sammlern nicht retourniert wurden. Also von meist migrantischen Zeitungs- oder BlumenverkäuferInnen. Das hab ich, wenn es unauffällig gegangen ist, sehr wohl gemacht. Die meisten Leute in den Buden haben das eher befolgt. Die, die besonders nett waren, haben hin und wieder auch eine Käsekrainer an Personen hergeschenkt, die gefragt haben, weil sie sich keine leisten konnten.“
Goran erzählt ähnliches vom Christkindlmarkt am Karlsplatz in Wien, wo eine Studienkollegin gearbeitet hat: „Die geben jetzt zusätzlich Rückgabe-Chips ab, die Becher können nur mit den Chips retourniert werden.“
Im nächsten Jahr wieder?
Vor allem jene Beschäftigten, die an Ständen gearbeitet haben, die nicht zu einem regulären Betrieb gehören, der ganzährig tätig ist, berichten von Missständen. So erzählt Mario: „Am meisten hat mich genervt, dass wir das Trinkgeld nicht behalten durften. Das waren 10-25 Euro pro Person. Es musste einfach in die Kassa gelegt werden um damit mögliche Unstimmigkeiten bei der Abend-Abrechnung auszugleichen. Obwohl ich wusste, dass das nicht legal war, hab ich mich nicht aufgeregt, da ich den Job im nächsten Jahr gerne wieder machen wollte – zwecks Geld.“
Linda hat die Arbeit am Christkindlmarkt nachhaltig geprägt: „Seit meinem Job dort weiß ich, wie mühsam es ist, wenn die letzten Gästen nicht und nicht gehen wollen. Seit dem war für mich klar, dass ich als Gast die Sperrstunde einhalte und nicht noch ewig an meinem Getränk schlürfe.“
Goran und Sara machte die Arbeit in Summe Freude: „Wenn es schneit und die Leute gut drauf sind, ist es eigentlich trotz allem sehr nett, am Weihnachtsmarkt zu arbeiten. Man muss halt ein Fan von „Last Christmas“ sein, sonst dreht man irgendwann durch“, erzählt Goran.
Die Namen der GesprächspartnerInnen wurden abgeändert, sind jedoch der Redaktion bekannt.