Zwei Marktstände: Einer bekommt Umsatzersatz, der andere nicht. Ein DJ, der nicht vom Lockdown betroffen sein soll und keinen Umsatzersatz bekommt. Österreichs Kleinunternehmer leiden unter der Willkür der Stelle, die für ihre Hilfsgelder zuständig ist. Die COFAG vergibt die größte Summe an Hilfsgeldern in der Zweiten Republik, hat aber nur 12 Mitarbeiter für 15 Milliarden Euro. Das Ergebnis sind monatelange Wartezeiten und Absagen mit absurden Begründungen. “Wenn man ihnen böse Absicht unterstellt, würde ich eine COFAG mit viel zu wenig Mitarbeitern gründen, damit die Hilfen nicht ausgezahlt werden“, sagt die Unternehmensberaterin und EPU-Sprecherin Sonja Lauterbach.
In der Nacht von 13. auf 14. Jänner bekamen hunderte Unternehmer eine Massenmail von der Covid-19 Finanzierungsagentur GmbH (COFAG): Leider haben sie keinen Anspruch auf die Hilfsgelder, die sie beantragt hatten. Doch die Ablehnungen ergeben keinen Sinn: Teilweise werden Unternehmen für November als nicht anspruchsberechtigt abgewiesen, bekommen aber für Dezember Hilfsgelder – nach den gleichen Kriterien. Eindeutig von den Schließungen betroffene Unternehmen wie Kaffeehäuser werden als „nicht betroffen“ eingestuft. Anträge, die von Steuerberatern bestätigt wurden, sollen nochmals vom Steuerberater bestätigt werden. Kurz: In der COFAG herrscht Chaos und das zerstört viele Existenzen.
Eine von ihnen ist Dorothee Stanglmayr, Intendantin der Oper in der Krypta. Sie müsste als Veranstalterin von Konzerten, Kinderopern und Liederabenden unter der Peterskirche die Anforderungen für den Umsatzersatz eigentlich erfüllen, ist aber der Willkür der COFAG ausgesetzt und bekam vorerst eine Ablehnung:
“Wichtig ist, dass möglichst alle Menschen erfahren, dass ,Wir lassen niemanden zurück’ nicht stattgefunden hat. Jetzt leben wir von den rapide schwindenden Ersparnissen. Was mich dabei so fertig macht, ist die Inkompetenz, mit der hier agiert wird”, schreibt uns Stanglmayer verzweifelt.
Doch Stanglmayer ist nicht alleine. Kontrast liegen dutzende Fälle von Betroffenen vor, die wochenlang auf kleine Summen warten müssen und vor der COFAG keine Auskunft bekommen. “Jetzt gehen mir langsam wirklich die ersparten Rücklagen aus”, schreibt uns DJ Vladimir Stojic. Nach 61 Tagen Wartezeit bekam er Mitte Jänner den negativen Bescheid zu seinem Antrag auf Umsatzersatz, weil er nicht direkt von den Maßnahmen betroffen sei – beachtlich für jemanden, der sein Geld sonst auf Partys und in Clubs verdient.
12 Mitarbeiter verwalten 15 Milliarden Euro
Die Covid-19 Finanzierungsagentur hat die Regierung eigens für die Corona Krise geschaffen. Es ist eine ausgelagerte GmbH und hat zwischen 10 und 12 Mitarbeiter. Diese Mitarbeiter verwalten Hilfsgelder von in Summe 15 Milliarden Euro, gleichzeitig stellen tausende Unternehmen Anträge. Das größte Wirtschaftsförderprogramm in der Geschichte der Zweiten Republik wird von 12 Menschen durchgeführt.
Zum Vergleich: Das Bundeskanzleramt beschäftigt allein 59 Mitarbeiter für PR und Öffentlichkeitsarbeit.
Zumindest sprach die Cofag selbst immer von 12 Mitarbeitern – noch am 17.12.2020 in einer Pressemappe. Plötzlich heißt es aber aus der Cofag auf Anfrage zur Personalknappheit, dass 125 Personen für die Abwicklung der Anträge und die Betreuung der Antragsteller zuständig seien. Seit November habe man die Ressourcen verdoppelt. Dazu zählen auch Mitarbeiter im Callcenter, in der Kommunikation und im technischen Support, die alle nicht direkt bei der Cofag arbeiten. Fragt man Insider, heißt es nach wie vor: 12 Mitarbeiter sind für die Kern-Aufgabe der Cofag zuständig, nämlich die Entscheidung über Auszahlung und Ablehnung.
In einer Pressemitteilung sprach die Cofag im Dezember noch von 12 Mitarbeitern. Nach Kritik an der verschleppten Auszahlung korrigiert sie die Zahl auf 125 nach oben. Was hinter der Verzehnfachung steckt, lässt sich nicht überprüfen, weil keiner Einsicht in die Cofag hat.
COFAG arbeitet hinter verschlossenen Türen
Was in der COFAG passiert, ist intransparent – weder das Parlament noch die Öffentlichkeit haben Einsicht.
“Die COFAG hat 12 Mitarbeiter und verwaltet 15 Milliarden. Das ist kein Flaschenhals mehr, das ist ein Thrombus, das verstopft alles. Wenn man ihnen böse Absicht unterstellt, würde ich eine COFAG mit viel zu wenig Mitarbeitern gründen, damit die Hilfen nicht ausgezahlt werden“, wundert sich die Unternehmensberaterin Sonja Lauterbach.
Lauterbach hat eine Facebook-Gruppe für EPUs gegründet, mit mittlerweile 9.300 Mitgliedern. Sie tauschen sich über Probleme bei Anträgen und Hilfsgeldern aus. Die COFAG hat dort einen schlechten Ruf: Auskunft gibt es keine, man weiß nicht einmal, wer für die Fälle zuständig ist und sie bearbeitet. Fragt man zu lange, wird auf der Hotline auch gleich mal aufgelegt. Der Entscheidung der COFAG ist man ausgeliefert, selbst wenn ähnliche Fälle ganz anders entschieden werden. Rechtsanspruch besteht keiner, weil die COFAG eine GmbH ist und kein öffentliches Amt:
“Dass es keinen Rechtsanspruch gibt, ist das große Problem. Man kann nur zivilrechtlich vorgehen, da trägt man aber das finanzielle Risiko durch alle Instanzen. Man ist auf den Good Will der COFAG angewiesen”, schildert Sonja Lauterbach die Situation.
Aus der Cofag heißt es dazu: “Nur bei einem kleineren Teil der Antragsteller ist das Prüfergebnis nicht sofort eindeutig. Wenn ein Antrag bereits ausgezahlt wurde und der Antragsteller mit dem erhaltenen Betrag nicht einverstanden ist, kann mittels Steuerberaterbestätigung in bestimmten Fällen (siehe FAQs) eine Korrektur beantragt werden.”
Das kritisieren selbst zwei Experten in Blümels Finanzressort in einem Aufsatz der Zeitschrift SWK: Peter Brandner und Heinrich Traumüller aus dem Finanzministerium sehen die Antragsteller “der Willkür der COFAG ausgeliefert”, weil ihnen mangels Rechtsanspruch “eine Klärung im Rechtsmittelweg nicht möglich” ist.
Corona-Hilfsgelder: Existenzen zerbrechen an absurden Ablehnungen
Und das ist zermürbend, wie die Kunsthandwerkerin Sigrun Schönberger weiß. Sie verkauft ihre Produkte auf Märkten – den Großteil ihres Umsatzes macht sie während der Weihnachtszeit. Im November und Dezember hat sie durch die Einschränkungen gar nichts verkaufen können. Über das gesamte Jahr gerechnet fehlen ihr fast 90 Prozent ihrer Einnahmen. Sie stellte einen Antrag auf Umsatzersatz für November und Dezember. Wochenlang wartet sie auf eine Rückmeldung bis schließlich die Absage kam: Ihre Branche sei nicht vom Lockdown betroffen und sie bekomme daher keine Hilfe. Schönberger weiß aber von vielen anderen Kunsthandwerkern, die Hilfen erhalten haben – unter anderem ihr direkter Standnachbar.
Noch absurder ist der Fall von zwei Brüdern, die beide als Instrumentenbauer selbstständig sind und ihre Instrumente auf einem Markt in Wien verkaufen: Einer von ihnen bekam den Umsatzersatz zugesprochen – der andere schaut durch die Finger. Frau Schönberger kann es zwar noch einmal versuchen, dazu muss sie aber einen Steuerberater bezahlen – so wollen es die Regeln der COFAG.
“Lockdown ist ok, aber ich will für den Schaden eine angemessene Entschädigung und eine Verlässlichkeit. Es gibt Wege, wie man die Gesundheit schützen kann und die Wirtschaft auch. Aber dass 0,2 Prozent der Unternehmen einflüstern, wie die Wirtschaftshilfen ausschauen sollen und die anderen 99,8 Prozent schauen durch die Finger – das kann es nicht sein”, sagt Lauterbach.
Für den deutschen Luftfahrtkonzern AUA wurden über 300 Mio. Hilfsgelder aus der COFAG innerhalb von 42 Tagen bewilligt, viele Kleinunternehmen warten über 60 Tage auf die Ablehnungen oder Bewilligungen von 2.000 bis 3.000 Euro.
Die Cofag verteidigt sich damit, dass von den 115.498 Anträgen für November bereits 98.456 ausbezahlt wurden. Für Dezember sind es erst 36.649 von 95.228, aber auch da wird das Geld bald fließen, versichert ein Sprecher der Cofag. Allerdings ist auch hier nicht klar, wieviele der Anträge in voller Höhe genehmigt wurden und ob die Klein- und Einzelunternehmer damit über die Runden kommen.
Leider verfolgt die Staatstheorie auch heute, in einer Demokratischen Republik, noch immer die Idee aus dem Barock, dass der Staat das Reichweden von Bürgern ermöglichen solle um dann aufzupassen, dass die ungleiche Verteilung aufrecht bleibe oder zunehme.
Staatstheorie anpassen ist notwendig
Sehr richtig!