Costa Rica ging einen ganz eigenen Weg: Ohne Armee, dafür mit Investitionen in Bildung und Gesundheit, einer nachhaltigen Wirtschaftsweise und einer offenen Gesellschaft. So wurde Costa Rica zum Vorzeigestaat in Lateinamerika.
Costa Rica ist eines der wohlhabendsten, friedlichsten und nachhaltigsten Ländern Lateinamerikas. Und das, obwohl das mittelamerikanische Land in einer der unsichersten und instabilsten Regionen der Welt liegt. Das kleine Land es geschafft, seinen Frieden und seine Demokratie zu schützen. Gleichzeitig haben es die Ticos (die gängige Bezeichnung für Menschen aus Costa Rica) zu einem bescheidenen Wohlstand gebracht. So wurde das Land auch zu einem der beliebtesten Reiseziele der Welt. All das trotz der Tatsache, dass Costa Rica vor seiner Unabhängigkeit einer der unbedeutendsten und unterentwickeltesten Teile des spanischen Kolonialreichs war.
Aber wie hat der kleine mittelamerikanische Staat geschafft, sich so zu entwickeln? Und was können anderen Ländern von Costa Rica lernen? Hier sind drei der wichtigsten Punkte.
1. Schulbücher statt Schusswaffen
Costa Rica gewann 1821 gewaltlos seine Unabhängigkeit. Das Land blieb daraufhin aber nicht von Konflikten verschont. Wiederholt kam es zu Kriegen und Bürgerkriegen. So versuchte etwa der US-Amerikaner William Walker, ganz Mittelamerika zu erobern und dort einen Sklavenstaat unter dem Einfluss der USA zu errichten. Unter der Führung Costa Ricas konnten die Staaten Mittelamerikas William Walker aber entscheidende Niederlagen zufügen.
Die Kehrtwende kam mit dem sechswöchigen Bürgerkrieg Costa Rica 1948. Nach Ende des Krieges wurde 1949 die Armee abgeschafft und seither lebt Costa Rica eine unbewaffnete Neutralität. Das macht Costa Rica zu einem der wenigen Staaten weltweit ohne Armee.
Anstatt Geld für Waffen auszugeben, investierte Costa Rica in Bildung und das Gesundheitssystem. Das Ergebnis lässt sich sehen: Die Ticos haben heute die höchste Lebenserwartung Lateinamerikas und schneiden sogar besser ab als die USA. Im Bildungsbereich hat Costa Rica eine der höchsten Alphabetisierungsraten und einen der höchsten Anteile an Hochschulabsolvent:innen in ganz Lateinamerika. Als das hat zu einer starken Zivilgesellschaft und erfolgreichen Wirtschaft geführt.
Costa Rica hat aber nicht nur im eignen Land für Frieden gesorgt, sondern sich in der ganzen Region für die friedliche Lösung von Konflikten eingesetzt. So trat das Land erfolgreich als Vermittler in den Bürgerkriegen in Nicaragua, Guatemala, Honduras und El Salvador auf. Für diesen Einsatz wurde dem damaligen costa-ricanischen Präsidenten Oscar Arias Sánchez der Friedensnobelpreis verliehen.
2. Vorbild im Umweltschutz
Costa Rica ist einer der nachhaltigsten Staaten der Welt und ein Musterbeispiel in Sachen Naturschutz. Das Land bezieht fast 100 Prozent seines Stroms aus erneuerbarer Energie und ist damit gemeinsam mit Länder wie Island und Norwegen weltweit Vorreiter. 2017 kam das Land ganze 300 Tage ohne fossile Energie bei seiner Stromerzeugung aus. Costa Rica ist mit seiner nachhaltigen Energie so erfolgreich, dass es sogar Strom in die Nachbarländer exportieren kann.
Das Land hat außerdem eine der größten Artenvielfalten weltweit. Über 5 Prozent aller bekannten Tier- und Pflanzenarten sind in Costa Rica heimisch und das, obwohl das kleine Costa Rica nur 0,03 Prozent der Landfläche unseres Planeten ausmacht. Im Vergleich: Österreich beherbergt nur ca. 0,53 Prozent der Artenvielfalt, obwohl das Land fast doppelt so groß ist wie der mittelamerikanische Staat.
Das kommt nicht von ungefähr. Costa Rica hat große Anstrengungen unternommen, um seine Natur zu schützen. Bis in die 1980er war das Land von starker Abholzung betroffen und nur mehr rund 30 Prozent des Landes waren von Wald bedeckt. Daraufhin startete Costa Rica eine massive Kampagne zur Aufforstung des Landes. Heute sind wieder fast 60 Prozent des Staatsgebiets mit Wald bedeckt.
Um die Natur langfristig zu schützen, hat Costa Rica eine Vielzahl an Schutzgebieten geschaffen, darunter 26 Nationalparks. Allein die Nationalparks machen über 12 Prozent der Fläche des Landes aus. Um das in ein Verhältnis zu setzen: Österreich hat sechs Nationalparks, die insgesamt weniger als 3 Prozent des Staatsgebiets ausmachen.
Das ist nicht nur gut für Tiere und Pflanzen, sondern auch für die Menschen. Die Nationalparks sind neben grünen Lungen auch Touristenmagneten. Rund 2,5 Millionen Touristen aus dem Ausland besuchen jedes Jahr die Nationalparks Costa Rica. Das macht das Land zu einem Vorreiter bei nachhaltigem Tourismus.
3. Offenheit und Integration
Costa Rica ist Menschen aus anderen Ländern gegenüber sehr offen und einladend. Deshalb ist die Anzahl der Menschen, die in Costa Rica leben, aber in anderen Ländern geboren wurden, in den letzten Jahrzehnten stark gestiegen. Die Menschen kommen aus unterschiedlichen Ländern und aus unterschiedlichen Gründen. Costa Rica hat eine lange Tradition darin, geflüchtete Menschen aufzunehmen. Besonders als viele Länder Mittelamerikas von Bürgerkriegen heimgesucht wurden, nahm Costa Rica Geflüchtete auf. In den letzten Jahrzehnten kam es aber auch vermehrt zu einer Migration von Arbeitskräften von Nicaragua nach Costa Rica, um den Mangel an Arbeitskräften in Tourismus und Landwirtschaft zu beheben. Genauso kommen aber auch viele Menschen aus Nordamerika und Europa wegen der Schönheit der Natur und dem angenehmen Klima nach Costa Rica, um dort zu leben.
Costa Rica ist vergleichsweise erfolgreich darin, diese verschiedenen Gruppen in die Gesellschaft zu integrieren. Neben der Offenheit der Bevölkerung liegt das vor allem an zwei Gründen: die rechtlichen Bestimmungen in diesem Bereich und das Nationalverständnis der Ticos.
Der größte rechtliche Unterschied zwischen Costa Rica und vielen europäischen Staaten ist, dass alle Menschen, die in Costa Rica geboren sind, automatisch Anspruch auf eine costa-ricanische Staatsbürgerschaft haben. Kinder von Costa-Ricanern, die im Ausland geboren sind, haben natürlich auch Anspruch auf die Staatsbürgerschaft. Zusätzlich ist es leichter für Menschen mit ausländischem Pass, die costa-ricanische Staatsbürgerschaft zu erhalten als etwa in Österreich. In Costa Rica muss man nur fünf Jahre im Land leben, in Österreich zehn Jahre.
Auch macht es das Nationalverständnis Costa Rica Menschen aus dem Ausland viel einfacher, sich zu integrieren. Ticosein hat mit Sprache und Werten zu tun. Wer Spanisch spricht und typisch costa-ricanische Ausdrücke benutzt (etwa tuanis für “cool”, mae für “Oida” oder pura vida für alles über “danke”, “bitte” zu “alles gut”) wird schnell als Tico angesehen. Werte, die in der costa-ricanischen Gesellschaft einen hohen Stellenwert haben, sind Pazifismus, Umweltschutz, aber auch Gemütlichkeit und Geselligkeit. Der Fokus des Nationalverständnisses auf Sprache und Werte anstatt Hautfarbe oder Herkunft der Eltern, macht es bedeutend einfach sich in die costa-ricanische Gesellschaft zu integrieren.
Vorbild, aber nicht ohne Fehler
Das heißt nicht, dass Costa Rica ein Paradies ist, das fehlerlos ist. Das Land hat viele Probleme, die es bewältigen muss. Obwohl die Korruption in Costa Rica im Vergleich zu anderen lateinamerikanischen Staaten gering ist, führt sie trotzdem dazu, dass große Infrastrukturprojekte oft nicht realisiert werden, sich verzögern oder Kosten explodieren. Gerade diese Projekte wären aber für den weiteren Kampf gegen den Klimawandel notwendig. So hinkt der Ausbau des öffentlichen Verkehrs in Costa Rica hinterher. Deshalb sind die meisten Menschen selbst in städtischen Gebieten immer noch auf das Auto angewiesen. Zusätzlich ist in den letzten Jahren die soziale Ungleichheit und Kriminalität gewachsen. Auch das öffentliche Gesundheits- und Bildungssystem stehen zunehmend unter finanziellem Druck.
Trotzdem zeigt das Beispiel Costa Ricas, dass ein Land mit einer friedlichen, sozialen und nachhaltigen Entwicklung erfolgreich sein kann und auch Länder wie Österreich können von diesem Beispiel einiges lernen.