Die kürzlich veröffentlichten FinCEN Files belegen die korrupten Geschäfte von internationalen agierenden Großbanken, aber auch kleiner österreichischer Banken. Zahlreiche Geldwäsche-Verdachtsmeldungen dokumentieren, wie das Geld von Terroristen, Drogenbossen und anderen Kriminellen reingewaschen wird. „Es müssten mehr Banker ins Gefängnis gehen, bis die großen Banken den Schuss hören“, fordert ein Experte. Um Geldwäsche in Europa wirksam zu bekämpfen, muss es endlich eine international agierende EU-Behörde geben: ein EU-FBI, fordert EU-Abgeordnete Regner (SPÖ).
Jeden Tag werden rund 15 Billionen Dollar um die Welt geschickt. Von Konto zu Konto, als Kartenzahlung oder Überweisung. Um Geldwäsche handelt es sich dabei, wenn Geld aus kriminellen Geschäften verdient wurde und man deswegen die Herkunft des Geldes verschleiern will. Täglich passiert das mit 5,4 Milliarden Dollar, schätzen die Vereinten Nationen.
Um Geldwäsche wirksam zu bekämpfen, muss die EU so international arbeiten wie die Kriminellen selbst. Nur strengere Kontrollen und höhere Strafen hindern Banken daran, weiter am Geld illegaler Geschäfte zu verdienen.
FinCEN Files: Leak von Geldwäsche-Verdachtsmeldungen
Wenn Banken Transaktionsbewegungen verdächtig finden, müssen sie diese den Behörden melden – als Geldwäsche-Verdachtsmeldungen. Und genau das sind die sogenannten FinCEN Files: Eine Sammlung von mehr als 2.000 Verdachtsmeldungen, die an die US-Behörde FinCEN gemeldet wurde. Das ist die US-amerikanische Anti-Geldwäschebehörde.
FinCEN Files: 400 Journalisten, 90 Länder
Bekannte Großbanken haben aber trotz dieser Verdachtsmeldungen enorme Geldmengen von Kriminellen transferiert, die Kontrollmechanismen haben versagt. Mehrere Hunderte Milliarden Dollar pro Jahr wirkten verdächtig, wurden aber trotzdem überwiesen.
Die entsprechenden Dokumente wurden dem US-Onlinemedium BuzzFeed News zugespielt, welches dann eine weltweite Recherche mit über 400 Journalisten in 90 Ländern gestartet hat. Am Rechercheprojekt International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) waren in Österreich der ORF und das profil beteiligt, in Deutschland die Süddeutsche Zeitung, NDR und WDR. Die Herkunft der Quelle bleibt selbstverständlich geheim. Die Echtheit der Daten wurde durch den Abgleich mit Daten der Banken bestätigt.
Jobbeschreibung: Geldwäscher
Die Spuren führen durch die ganze Welt. Mafiosi oder Kriminelle beauftragen auf Geldwäsche spezialisierte „Finanzdienstleister“ – die Geldwäscher. Die Geldwäscher richten dann überall auf der Welt Briefkastenfirmen ein. Wie etwa in Neuseeland, Panama oder auch Zypern, wie der britische Finanzexperte Graham Barrow erklärt:
„Das ist ein gigantisches Geschäft. Wenn man diese Dienstleister [Anm.: die Geldwäscher] danach fragt, sagen sie: ‘Ich mache doch nichts Schlimmes, ich richte nur für meine Kunden Firmen ein.’ Das ist Unsinn. Sie sind willfährige Gehilfen von Kriminellen.“
Das Geld stammt dabei zum Großteil aus Entwicklungs- und Schwellenländern, wo es weniger strenge Kontrollen gibt. Dort ist es noch leichter, Geld durch Korruption oder Steuerhinterziehung zu stehlen.
Der Weg des Geldes: Von der Kleinbank über die EU zum begehrten Dollar
“Geldwäsche” mag harmlos klingen, aber das Geld, das gewaschen wird, stammt aus Verbrechen von Terrorgruppen, Menschenhändlern, Mafia-Clans und Betrügern. “Wenn Sie einer dieser Kriminellen sind, wollen Sie Ihr vieles schönes Geld aber sicher verwahrt wissen und es nicht in einem Land lassen, das von anderen Kriminellen geführt wird“, erklärt Barrow.
Deshalb landet das Schwarzgeld in einem sicheren EU-Land. „Das gehört zur bitteren Ironie der Geldwäsche: Die Kriminellen suchen Sicherheit.“ Dieses Geld wird nun in Folge durch eine Folge von Banken überwiesen. Denn die schauen oft nicht genau hin, wo das Geld herkommt.
Barrow erklärt: „Üblicherweise beginnt es bei kleineren, lokalen Banken, wo niemand zu viele Fragen stellt. Dort gelangt das Geld ins System. Die Kunst besteht darin, es von diesen kleinen Instituten ins große Bankensystem zu bekommen, wobei besonders die EU ein Ziel ist. Denn innerhalb der EU ist es sehr einfach, Geld zu verschieben.“
Denn um Geld in der begehrten Währung Dollar zu bewegen, wird eine sogenannte Korrespondezbank mit Dollar-Linzenz benötigt, wie etwa die Deutsche Bank oder die HSBC. So gelangt das schmutzige Geld über kleine Banken zu den großen europäischen Banken, und von dort schließlich ins Dollar-System. Zur Tarnung gründen Geldwäscher Briefkastenfirmen, an die die Beträge dann überwiesen werden.
Ist das Geld erstmal in Dollar auf einem Großbank-Konto, können die Geldwäscher das Geld zwischen vielen verschiedenen Firmenkonten bewegen. Mittels gefälschter Verträge und Rechnungen erwecken sie den Anschein, als machten diese Firmen tatsächliche Geschäfte miteinander.
Turkmenistan kauft Süssigkeiten für 1,6 Millionen Dollar
Das System ist ausgeklügelt. Wie also dahinter kommen? Verdächtig kann etwa der Überweisungszweck erscheinen.
Ein Beispiel aus den FinCEN Files: Jemand überweist 1,6 Millionen Dollar für Süßigkeiten. Das kann nun eine Firma für Süßigkeiten sein, im vorliegenden Fall kam die Überweisung aber vom turkmenischen Handelsministerium. Und sie ging an eine schottische Briefkastenfirma. Hier sollte man nicht nur hellhörig werden, sondern auch eine Überprüfung statt einer Überweisung einleiten, wie der an den Recherchen beteiligte Investigativjournalist Frederik Obermaier erklärt.
Die Kontrolle versagt aber sehr oft: Das System ist zu langsam, die Behörden sind überfordert und die Banken handeln teils zu nachlässig.
Mitschuld der Banken: Geldwäsche-Meldung ging 18 Jahre zu spät ein
Ein weiterer Schwachpunkt betrifft das Tempo der Banken. Die Verdachtsfälle werden nämlich oft mit erheblicher Verzögerung gemeldet. In den USA gilt offiziell die Frist von 30 Tagen. Oft gelangen Meldungen aber Monate oder sogar Jahre später ein.
Eine Meldung gelang sogar erst 18 Jahre nach der Überweisung des verdächtigen Geldbetrags ein. Das bedeutet: Die Meldung bringt gar nichts mehr. Das Geld kann schon überall sein: Ausgegeben, in Immobilien oder Gold investiert.
Geldwäsche und Großbanken: Ein System
Die Files zeigen: Die Banken schauen nicht genau genug hin, wer welche Überweisung tätigt, und geben die Meldungen nicht rechtzeitig ab. Dafür sind die Strafen auf diese Vergehen im Vergleich dazu, was sie jedes Jahr an den dubiosen Kunden verdienen, sehr gering, so Obermaier.
Auf der anderen Seite sind die Behörden stark unterbesetzt. Sie kommen mit der Wucht an Meldungen einfach nicht zurecht. Auch der Informationsaustausch zwischen den Behörden unterschiedlicher Länder funktioniert oft nicht oder ist zu langsam. Gelangt etwa eine Meldung der Deutschen Bank über eine verdächtige Überweisung in der US-Behörde FinCEN ein, so erfahren die Deutsche Behörden davon oft gar nicht. Obwohl die Bank ihren Hauptfirmensitz in Frankfurt hat.
Genau hier liegt das Problem: Die Finanzwirtschaft agiert global, die Behörden nicht. Sie sind so viel zu langsam, um die gemeldeten Geldflüsse tatsächlich nachzuverfolgen.
Geldwäsche-Verdachtsfälle bis nach Österreich
Großteils geht es in den FinCEN Files um Geldwäsche-Verdachtsfälle bei Großbanken wie der HSBC, der JP Morgan – und vor allem der Deutschen Bank.
Aber die Spuren führen auch nach Österreich: Überweisungen an Konten der Oberbank und der kleinen Sparkasse Pregarten (beide in Oberösterreich) wurden als verdächtig gemeldet eingestuft.
Die Empfängerkonten beider Banken gehörten zwei Firmen, die Flüge organisierten. Eigentümer der Firmen war eine Holding-Firma, und die wiederum gehörte einer Stiftung. Stiftungsgründer war ein Schulfreund von FPÖ-Chef Norbert Hofer. Und der, damals Nationalratsabgeordneter, saß von 2010 bis 2014 im Stiftungsvorstand, wie der ORF berichtet. Dessen Sprecher gab auf Anfrage bekannt, Hofer seien diese Umstände völlig unbekannt. Auch die Erste Group erscheint in der Verdachtsmeldung als zwischengeschaltete Bank. Die Vorfälle werden nun untersucht.
Niemand fühlt sich bei Geldwäsche zuständig
Behörden und Banken schieben sich derweil beim Thema Geldwäsche weltweit gegenseitig die Verantwortung zu. Gleichzeitig sieht man auch, dass Großbanken immer wieder zu Strafzahlungen verurteilt werden, aber dennoch weiterhin an dubiosen Überweisungen beteiligt sind. Lerneffekt scheint also nicht vorhanden. Auch Laure Brillaud, Anti-Geldwäsche-Expertin bei Transparency International EU, sagt:
“Die Banken tun nicht genug, um illegales Geld zu erkennen und dieses zu stoppen. Wir erleben immer wieder, dass Banken Transaktionen für Kunden durchführen, die sie selbst als verdächtig eingestuft haben.“
Barrow fügt aber hinzu, nicht nur Banken hätten wieder und wieder versagt – sondern auch Wirtschaftsprüfer, Anwälte und Behörden. “Die EU muss dringend den Kampf gegen Geldwäsche verstärken”, fordert Brillaud weiter.
Die EU muss wie die Kriminellen agieren: international
Es braucht einen globalen Ansatz, eine globale Eingreif-Truppe, die grenzübergreifend agiert, sind sich die Experten Brillaud und Graham einig. Außerdem müssen die bereits bestehenden Regeln auch eingehalten werden. Das geht nur mit Kontrolle und harten Strafen. Würden etwa die Beteiligten bei Verstößen persönlich dafür haften müssen, wäre das sichergestellt.
„Es müssten mehr Banker ins Gefängnis gehen, bis die großen Banken den Schuss hören“, ist Barrow überzeugt.
Auch die EU-Kommissarin für Justiz, Věra Jourová, sieht Handlungsbedarf: „Wir verfügen zwar auf EU-Ebene über strenge Vorschriften zur Bekämpfung der Geldwäsche, müssen aber auch sicherstellen, dass alle Mitgliedstaaten diese Vorschriften auch anwenden.“
Neuer EU-Plan gegen Geldwäsche
Bereits im Mai 2020 stellte die EU-Kommission einen sechsteiligen Aktionsplan vor. Sie will eine europäische Aufsicht gegen Geldwäsche schaffen. Ziel der neuen Initiative ist, “alle verbleibenden Schlupflöcher zu schließen und Schwachstellen in den EU-Regeln zu beseitigen”, erklärte EU-Vize-Kommissionspräsident Valdis Dombrovskis. Der ausgearbeitete Vorschlag für die neue EU-Aufsichtsstelle liegt erst Anfang 2021 vor.
Außerdem soll ein neuer EU-Mechanismus den Austausch von Informationen über verdächtige Transaktionen zwischen den EU-Ländern erleichtern. Zudem erweiterte die EU-Kommission die „Schwarze Liste“ mit jenen Ländern, die als Geldwäsche-Risiko-Länder gelten.
Bereits im Jahr 2015 wurde im Europaparlament über den verpflichtenden gegenseitigen Informationsaustausch der Mitgliedsstaaten zu Steuerfragen abgestimmt – ÖVP und FPÖ stimmten damals dagegen. Kontrast.at hat berichtet.
Im Europäischen Parlament gibt es nun aber seit Herbst 2020 den neuen Sonderausschuss FISC. Hier werden sich 30 Abgeordnete mit EU-Steuerfragen beschäftigen: Mit der Bekämpfung von Steuerbetrug, Steuerhinterziehung und Steuervermeidung sowie mit der finanziellen Transparenz für Steuerzwecke. Vizepräsident des Ausschusses ist der ÖVP-Abgeordnete Othmar Karas, auch die SPÖ-Abgeordnete Evelyne Regner vertritt Österreich im Unterausschuss.
„Wo bleibt das EU-FBI gegen Finanzkriminalität?“
Auch Regner ist überzeugt: Nur länderübergreifende Vernetzung kann „kriminelle Finanz-Sümpfe trocken legen.“ Das größte Problem ortet Regner in den national ausgerichteten Kontrollsystemen:
„Die EU schärft seit Jahren in der Anti-Geldwäsche-Gesetzgebung nach, aber die nationale Umsetzung lässt große Schlupflöcher. Langfristig gesehen führt an einer Anti-Geldwäschebehörde – einem europäischen FBI gegen Finanzkriminalität – kein Weg vorbei.“
Laut einer Schätzung von Europol kann circa ein Prozent des EU-BIP krimineller Geldwäsche zugeordnet werden.
Schmutziges Geld wird saubergemacht, so dass man dem Geld nicht mehr ansieht wo es eigentlich herkommt. Der Begriff soll auf die Prozesse des US-Verbrechers Al Capone in den 1930er Jahren zurückgehen. Dieser mischte die Einnahmen aus illegalen Geschäften unter die offiziellen Einnahmen aus seinem legalen Geschäft. Und das waren tatsächliche Wäschereien. Geldwäscher bewegen dann das gestohlene Geld so lange umher, bis niemand mehr sehen kann, wo es eigentlich herkommt.
Geldwäscheexperte Graham Barrow erklärt das mit einer tatsächlichen Waschmaschine: Wenn man die Wäsche verschiedener Menschen wäscht und sauberes Wasser hineinfließt, kann danach niemand mehr den Dreck im Abwasser den einzelnen Kleidungsstücken oder den Besitzern zuordnen.