Österreichs Regierung bleibt seit zwei Jahren untätig, der EU einen Plan gegen Kinderarmut vorzulegen. Mittlerweile sind wir die letzten in Europa, die noch nichts ausgearbeitet und übermittelt haben. Und so wartet nicht nur die EU darauf, den politischen Willen und Taten zu sehen, sondern auch über 353.000 Kinder in Österreich. Durch die Langzeitfolgen von Kinderarmut entsteht unserer Gesellschaft jährlich ein Schaden von 17,2 Milliarden Euro, wie eine OECD-Studie zeigt.
2021 haben sich die EU-Mitgliedsländer – basierend auf einer Initiative der Kommission – auf eine Europäische Garantie für Kinder geeinigt. Sie beinhaltet das Ziel, bis 2030 für alle Kinder und Jugendliche, die in der EU beheimatet sind, mitunter Gesundheitsversorgung, frühkindliche Betreuung und Bildung, gesundes Mittagessen in der Schule sowie gesunde Ernährung sicherzustellen – und zwar kostenlos. Dazu sind jedoch die Mitgliedsländer am Zug. Der Auftrag: Über nationale Aktionspläne sollen sie zeigen, wie sie diese Ziele schrittweise umsetzen und so Kinderarmut im eigenen Land eindämmen.
Österreich ist Schlusslicht: Kinderrechts- und Wohlfahrts-Organisationen kritisieren Regierung
In Österreich haben sich 2021 über 250 engagierte Vertreter:innen aus der Zivilgesellschaft und Expert:innen aus thematisch eingebundenen Organisationen zusammengefunden. Sie alle haben Inhalte für einen solchen Aktionsplan erarbeitet. Seitdem ist allerdings nichts passiert. Eingereicht wurde nichts.
In Österreich ist das Sozialministerium unter Johannes Rauch (Grüne) federführend zuständig. Ihm gilt die Kritik der am Arbeitsprozess beteiligten Organisationen – darunter die Arbeiterkammer, die Caritas, die Kinder- und Jugendanwaltschaft Wien, das SOS Kinderdorf sowie die Volkshilfe. Sie und andere haben einen Appell an die Bundesregierung unterzeichnet und fordern, rasch aktiv zu werden und Kinderarmut auf die Agenda zu setzen. Die Länder Bulgarien, Kroatien, Deutschland, Griechenland, Italien, Litauen und Spanien haben ihre Pläne bereits übermittelt bzw. veröffentlicht.
Abgeordnete der SPÖ haben schon im Dezember 2022 eine parlamentarische Anfrage an Sozialminister Rauch gestellt, in der sie Antworten über Fertigstellung und Umsetzung des Plans einfordern.
Zuletzt waren neben Österreich auch Rumänien und Lettland bei der Übermittlung säumig. Mittlerweile sind wir Schlusslicht, die beiden anderen Länder haben bereits Vorhaben erarbeitet und übermittelt.
Kinder und Jugendliche sind die Bevölkerungsgruppe, die am heftigsten von Armut betroffen ist
Ohne Sozialleistungen wären 35 Prozent der ganzen Bevölkerung armutsgefährdet. Anders ausgedrückt: Löhne, Gehälter und Pensionen reichen nicht aus – sie würden jede dritte Person in Armut leben lassen. Sozialleistungen verringern die Armutsgefährdung auf zumindest 15 Prozent.
Am stärksten von Armut betroffen – bzw. der Gefahr am stärksten ausgesetzt – sind Kinder und Jugendliche. Ohne Sozialleistungen wären etwa 550.000 betroffen. So sind es aber immer noch etwa 300.000 Kinder und Jugendliche.
Kindergarantie ist Empfehlung, könnte aber vielen Familien helfen
Die Kindergarantie zielt nicht alleine auf armuts- und ausgrenzungsgefährdete Kinder und Jugendliche ab, sondern auf alle Kinder der EU-Länder. Finanziert werden sollen die Maßnahmen zur Umsetzung der Kindergarantie aus dem Budget des Europäischen Sozialfonds (ESF+) sowie des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE). Jeder Mitgliedsstaat soll zumindest fünf Prozent aus dem Sozialfonds für die Kindergarantie einsetzen. Insgesamt ist der Fonds mit 88 Milliarden Euro ausgestattet, Österreich wird für die Jahre 2021-2027 rund 900 Millionen Euro zur Verfügung haben. Nur ein Teil davon wird für die Kindergarantie zur Verfügung stehen, auch viele andere Projekte (wie „Aktives Altern“ oder „Lebenslanges Lernen“) werden aus dem Topf finanziert.
Die Europäische Kindergarantie hat keinen verbindlichen Charakter, sie ist nur eine „Empfehlung“ der EU und keine Verordnung.