In der Schweiz hat die Volksabstimmung für die verbindliche Regulierung von Konzernen eine Mehrheit der Stimmen erreicht, trotzdem scheitert sie am Wahlsystem: Denn “die Konzernverantwortungsinitiative” hatte eine Mehrheit der Stimmen erreicht, nicht aber die Mehrheit der Kantone. Im Zentrum der Initiative stand, dass die Konzerne auch für ihre Lieferketten verantwortlich sind und so die Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen, wie Kinderarbeit, nicht auf Zulieferer abgewälzt werden. Auch in Österreich braucht es endlich ein Lieferkettengesetz, um Menschenrechte und die Umwelt zu schützen – deswegen hat das Netzwerk Soziale Verantwortunggemeinsam mit anderen Organisationen eine Kampagne unter dem Titel “Menschenrechte brauchen Gesetze” gestartet. Ein Kommentar der Koordinatorin der Kampagne Bettina Rosenberger.
Es ist Zeit für verbindliche Regeln. Die Einhaltung der Menschenrechte und der Schutz der Umwelt müssen entlang von globalen Lieferketten selbstverständlich sein. Das seit Jahrzehnten propagierte Dogma der freiwilligen Standards ist fulminant gescheitert. Für die Schokolade in den Supermärkten schuften noch immer rund 1,5 Millionen Kinder unter ausbeuterischen Bedingungen auf westafrikanischen Kakaoplantagen. ArbeiterInnen nähen in Bangladesch unsere Kleidung und produzieren in China unsere IT-Produkte – sie müssen dort mit Chemikalien hantieren, die ihre Gesundheit massiv gefährden. Organisieren sie sich, weil ihr Einkommen nicht zum Auskommen reicht, werden sie auch im Jahr 2020 noch verfolgt.
Für das Palmöl in unseren Keksen wird auf den Plantagen in Indonesien noch immer das Herbizid Paraquat verwendet. Es gehört zu den gefährlichsten der Welt und ist in der EU verboten. Die Gefährdung von ArbeiterInnen sowie die Verpestung der Umwelt werden entlang von globalen Lieferketten bewusst in Kauf genommen.
Weltweite Bemühungen
Damit Menschenrechtsverletzungen, die Verfolgung von Menschen, weil sie sich in Gewerkschaften organisieren, Kinderarbeit und die Zerstörung unserer Umwelt endlich der Vergangenheit angehören, mobilisieren seit Jahren weltweit zahlreiche zivilgesellschaftliche Bewegungen und NGOs für die verbindliche Regulierung von Unternehmen. Seit 2015 wird im UN Menschenrechtsrat jährlich über das verbindliche Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten verhandelt. Dieses wäre ein wichtiger Meilenstein, um die Straflosigkeit von Konzernen, die Menschenrechtsverletzungen begehen, zu beenden. Ende Oktober fand die sechste Verhandlungsrunde in Genf statt. Österreich ist derzeit nicht nur Mitglied des UN Menschenrechtsrats, sondern stellt sogar die Präsidentin und steht daher besonders in der Verantwortung sich aktiv und konstruktiv in die Verhandlungen einzubringen. Doch wie in den Jahren zuvor nahm Österreich nur passiv an den Verhandlungen teil, genauso wie die meisten EU-Staaten. Eine positive Ausnahme stellt Frankreich dar.
Frankreich und die EU
Auch hinsichtlich der nationalen Gesetzgebung lohnt es sich einen Blick nach Frankreich zu werfen: dort existiert bereits seit 2017 ein Gesetz, das die verbindliche Regulierung von Unternehmen festhält und für die gesamte Lieferkette gilt. Zudem fiel die Schweizer Abstimmung in eine äußerst brisante Zeit, denn auch auf EU-Ebene wird seit dem Frühjahr intensiv über ein Lieferkettengesetz diskutiert. Der zuständige EU-Justizkommissar Didier Reynders ließ im Frühjahr mit der Ankündigung aufhorchen, dass er im Jahr 2021 den Entwurf für eine EU-Rechtsvorschrift vorlegen wird. Diese soll eine verbindliche Regulierung der unternehmerischen Sorgfaltspflicht beinhalten und damit sicherstellen, dass Menschenrechte und die Umwelt entlang globaler Lieferkette geschützt werden. Ebenso wird in Deutschland bereits seit Monaten auf Regierungsebene über den Entwurf für ein Lieferkettengesetz verhandelt.
https://www.enforcinghumanrights-duediligence.eu/de
Österreich braucht ein Lieferkettengesetz
Auch in Österreich braucht es endlich ein Lieferkettengesetz, das sicherstellt, dass in unserer Schokolade, unseren Smartphones und unseren T-Shirts weder Kinderarbeit noch Arbeitsausbeutung stecken. Aus diesem Grund startete das zivilgesellschaftliche Bündnis der Treaty Alliance Österreich im Herbst die Kampagne “Menschenrechte brauchen Gesetze! – Damit Lieferketten nicht verletzen!”. Das Bündnis aus NGOs und ArbeitnehmerInnenvertretungen fordert daher, dass die Regierung den Entwurf für ein Lieferkettengesetz in Österreich vorlegt. Dieses Gesetz soll Unternehmen dazu verpflichten entlang ihrer internationalen Lieferketten Menschenrechte und Umweltstandards zu achten. Das Gesetz muss die gesamte Lieferkette abdecken und damit auch Tochterfirmen und Zulieferbetriebe betreffen. Weiters besteht die Notwendigkeit, dass das Gesetz für alle Sektoren gilt. Zudem müssen Verstöße gegen Menschenrechte und Umweltstandards klare juristische Konsequenzen haben.
Das Zeitalter der freiwilligen Selbstverpflichtungen muss beendet werden.
Nur verbindliche Regeln und damit einhergehende Strafen und Sanktionen können sicherstellen, dass Menschen nie wieder in einstürzenden oder brennenden Textilfabriken ihr Leben verlieren. In diesem Zusammenhang wird es notwendig sein, dass sich die österreichische Regierung ebenso in die laufenden Prozesse auf EU- und UNO-Ebene konstruktiv und aktiv einbringt.
Nachdem abwarten und Tee trinken den ArbeiterInnen auf den Teeplantagen nicht hilft, braucht es dringend Regierungsmitglieder, die handeln.
Bettina Rosenberger ist Geschäftsführerin des NeSoVe (Netzwerk Soziale Verantwortung) und Koordinatorin der Kampagne „Menschenrechte brauchen Gesetze ! – Damit Lieferketten nicht verletzen“. Die Kampagne startete im Herbst und wird von einem zivilgesellschaftlichen Bündnis aus dem ÖGB, der AK und zahlreichen NGOs getragen. Mehr zur Kampagne auf der Website www.menschenrechtebrauchengesetze.at, Facebook oder Twitter.