Lohnt es sich, hohe Schulde aufzunehmen und auf vieles zu verzichten, um eine Eigentumswohnung zu besitzen? Nein, sagt der Wohnexperte der Arbeiterkammer, Thomas Ritt. Der Markt sei überhitzt und die Immobilien überbewertet. Ritt empfiehlt, sich rechtzeitig für eine geförderte Wohnung anzumelden und etwas zu warten. Dort seien sowohl die Wohnqualität besser, als auch die Wohnkosten viel günstiger.
In großen Städten Österreichs wird mehr gebaut als nachgefragt wird. Trotzdem steigen die Quadratmeterpreise rapide an. Wie kann das sein? Eine Antwort darauf gibt Thomas Ritt. Wir haben mit dem Wohnexperte über explodierende Bodenpreise, die Wirkung von gemeinnützigem Wohnbau, die Leerstandsabgabe und die alte Frage “Mieten oder Kaufen?” gesprochen.
In Wien und anderen Städten Österreichs steigen die Preise, obwohl mehr als genug gebaut wird. Woran liegt das?
Thomas Ritt: Ja, das ist in Wien, aber auch in Graz und Linz so. In Innsbruck oder Salzburg ist es sogar noch schlimmer. Bis vor fünf oder sechs Jahren konnte man sagen, dass die Preise steigen, weil die Bevölkerung stark wächst und nicht genug gebaut wird, um die Nachfrage zu decken. Aber in den letzten Jahren ist enorm viel gebaut worden, besonders im privaten Sektor. Und die Nachfrage nach Wohnraum ist wieder zurückgegangen. In Wien wird zum Beispiel dreimal so viel gebaut, wie eigentlich gebraucht wird. Wenn es alleine um den Wohnbedarf und das Angebot an Wohnungen gehen würde, müssten jetzt die Preise sinken.
Dass die Preise trotzdem steigen, hat mit Investoren zu tun, die Wohnungen vor allem als Geldanlage nutzen. Solange die Zinsen so niedrig sind und viel Geld in den Immobiliensektor fließt, steigen die Preise.
Das merkt man noch stärker an den Bodenpreisen, die haben sich in den letzten 20 Jahren verzehnfacht. Und wenn die Bodenpreise hoch sind, kann man insgesamt nicht mehr günstig bauen – das treibt dann auch die Wohnungspreise in die Höhe.
Wo liegen die Bodenpreise aktuell und wie wirkt sich das auf die Wohnkosten aus?
Ritt: Anfang der 2000er Jahre konnte man am freien Markt noch Boden um 300 Euro pro Wohn-Quadratmeter kaufen, heute liegen die Preise in Wien bei 3.000 Euro pro Quadratmeter. Das ist alleine der Bodenpreis! Dazu kommen dann Baukosten von 1.700 oder 1.800 pro Quadratmeter. Das sind am Ende dann Selbstkosten von fast 5.000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Man zahlt heute für das Grundstück alleine mehr als man noch vor 15 Jahren für das fertige Haus samt Grundstück gezahlt hat. Das ist eine Wahnsinnsentwicklung!
Heute zahlt man also im 10. Bezirk in Wien 6.000 bis 7.000 Euro pro Quadratmeter für eine Eigentumswohnung. Das sind zum Teil schlechte Wohnungen mit dunklen Gängen, aus denen jeder Quadratmeter rausgepresst wird.
Aber weil diese Wohnungen dennoch verkauft werden, an wen auch immer, kommen immer mehr Investoren, die Wohnungen kaufen wollen – das treibt die Spirale weiter hinauf.
Die Gemeinnützigen werden aus dem privaten Bodenmarkt gedrängt – private Anbieter bauen aber nur extrem teure Wohnungen
Welche Rolle spielt da der soziale und gemeinnützige Wohnbau?
Ritt: Es ist ein großer Segen für die Stadt, dass es den kommunalen Wohnbau und die Gemeinnützigkeit gibt. Das zeigt der Vergleich mit Hamburg, Berlin, London und Paris – dort findet man keine Wohnung mehr unter 2.500 oder 3.000 Euro Miete. Da können sich Normalverdiener keine Wohnung mehr leisten. In Wien herrscht der Ansatz vor, dass Wohnen zur Grundversorgung gehört – und zwar nicht nur für die ärmeren Teile der Bevölkerung, sondern bis hinein in die obere Mittelschicht. Der starke gemeinnützige Sektor ist natürlich vielen privaten Investoren ein Dorn im Auge, weil das ihre Profite verkleinert.
Aber die steigenden Bodenpreise setzen auch den gemeinnützigen Wohnbau unter Druck. Bei geförderten Bauprojekten darf der Boden pro Wohnquadratmeter maximal 300 Euro kosten. Um das Geld kann man sich am freien Markt aber keinen Boden leisten.
Die Gemeinnützigen werden aus dem privaten Bodenmarkt gedrängt und können nur mehr auf den Bodenvorräten der Stadt Wien bauen. Die privaten Anbieter können nur mehr extrem teuer bauen, weil die Bodenpreise so hoch sind. Die Wohnungen kosten dann sehr viel, obwohl die Wohnqualität das gar nicht rechtfertigt.
Wohnungen sollen nicht “Sparbücher aus Beton” sein, sondern Orte zum Leben
Wie könnte man gegensteuern?
Ritt: In Wien gibt es die Widmungskategorie geförderter Wohnbau. Die Stadt reserviert zwei Drittel des Bodens für den geförderten Wohnbau. Aber diese neue Widmungskategorie ist erst im Anlauf, die hilft jetzt noch nicht viel. Beim Wohnbau ändert sich alles immer nur langfristig. Man könnte auch den großen Bodenbesitzern im Bund vorschreiben, dass sie ihre Grundstücke nicht an Investoren verkaufen, sondern der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen sollen. Die ÖBB oder die Bundesforste haben als große Grundstücksbesitzer schon gut von den steigenden Bodenpreisen profitiert.
Natürlich muss man sich auch mit den Anreizen zur Vermietung beschäftigen, wie einer Leerstandsabgabe. Wenn so viele Wohnungen gebaut werden, die nicht gebraucht werden – wo sind diese Wohnungen? Im Moment ist es quasi ein Geschäftsmodell, eine Wohnung leer stehen zu lassen. Wenn meine Eigentumswohnung jedes Jahr um 1 bis 3 Prozent mehr wert ist, spekuliere ich einfach auf die Wertsteigerung ohne mir den Aufwand der Vermietung anzutun. Da müsste der Bundesgesetzgeber die gesetzliche Möglichkeit schaffen, dass Städte und Gemeinden Strafzahlungen auf spekulativen Wohnungsleerstand verlangen können, wenn der Wohnungsmarkt angespannt ist.
Man kann freie Bodenflächen auch strenger widmen, dann werden bestimmte Häuser nicht mehr gebaut, die in erster Linie Anlageobjekte sind und tendenziell leer stehen werden.
Man muss eine Stadt nicht zubauen, damit sich reiche Menschen Sparbücher aus Beton errichten, weil die Zinsen so niedrig sind.
Würden Sie jemandem raten, jetzt eine Wohnung zu kaufen?
Ritt: Als Anlageobjekt würde ich das jetzt grundsätzlich nicht raten, das halte ich für unethisch. Das ist so, wie wenn man nach dem Zweiten Weltkrieg mit Lebensmitteln spekuliert. Mit den Lebensgrundlagen der Menschen sollte man grundsätzlich nicht spekulieren.
Wenn es um die eigene Wohnung geht, ist es schwieriger. Wir sind in einem überhitzten Markt. Die Nationalbank spricht von rund 30 Prozent Überbewertung der Immobilienpreise in Wien. Eine kleine Blase deutet sich an. Das Risiko ist nicht unerheblich, wenn man bei so hohen Preisen wie jetzt einsteigt. Diese kleine Blase kann auch platzen. Wenn die EZB dann noch die Zinsen anhebt, ist die ganze Grundlage des Geschäfts weg. Denn das beruht nur auf Verzinsung, nicht auf einem Wohnbedarf. Dahinter steht keiner, der mir diese Wohnung abnimmt oder einen teuren Mietvertrag eingeht.
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Die Spekulations-Blase könnte jederzeit platzen
Bei Kaufpreisen von 700.000 bis 800.000 Euro für eine 100 Quadratmeter Wohnung müsste ich einen Mietzins von 15 bis 17 Euro verlangen, damit sich das halbwegs auszahlt. Aber wer zahlt für eine 100m2 Wohnung im 10. Bezirk 1.700 Euro? Da steckt nichts Reelles dahinter. Ich würde es daher aus ethischen Gründen und aus Risikogründen niemandem raten, eine Wohnung zu kaufen. Schon gar nicht, wenn man dafür einen Kredit aufnehmen muss. Dann sind wir bald dort, wo wir 2008 in den USA waren.
Es ist keine kluge Strategie, sich bis über beide Ohren zu verschulden, um jetzt eine Wohnung zu kaufen.
Also doch mieten? Aber da steigen doch die Preise auch …
Ritt: Im gemeinnützigen Wohnbau und bei den Gemeindewohnungen sind die Mietpreise nur um die Inflation gestiegen. Im privaten Sektor um ein Vielfaches der Inflation. Daran ist vor allem die Zunahme von befristeten Mietverträgen schuld. Im privaten Sektor sind mittlerweile zwei Drittel aller privaten Mietverträge befristet. Diese Befristungen würde ich ersatzlos streichen, das würde die Mietpreise im Altbau senken. Aber selbst die Mietpreise am privaten Markt steigen bei weitem nicht so stark wie die Kaufpreise. Da merkt man, dass wahnsinnig viel Geld im Immobilienmarkt ist – auch aus dem Ausland.
Wenn mich wer fragt, würde ich raten: Rechtzeitig bei einer Genossenschaft anmelden und ein bisschen Geduld haben. Eine Genossenschaftswohnung hat Gemeinschaftsräume, hat Grünräume und einen Kinderspielplatz. Das gibt es in den neuen Eigentumsobjekten meistens nicht. Im geförderten Wohnbau sind die Ansprüche an die Qualität viel höher, die Investorenprojekte werden auf Ausnützung des letzten Quadratmeters gebaut, um viel verwertbare Fläche zu erzeugen. Außerdem zahlt man acht Euro pro Quadratmeter und nach 30 Jahren, wenn es ausfinanziert ist, zahlt man 6 Euro. Soviel zahlt man bei manch privatem Eigentumsprojekt schon oft an Betriebskosten.
Zur Person: Thomas Ritt ist Ökonom und Leiter der Abteilung Kommunalpolitik und Wohnen der Arbeiterkammer Wien. Ritt beschäftigt sich mit Strategien für eine nachhaltige und zukunftsfähige Stadtentwicklung und forscht mit seiner Abteilung zu Stadtentwicklung und Wohnbau, öffentlicher Raum, und Verkehr.
Gemeinnützige haben zweistellige m2-Mieten, sind also auch teuer.
Gemeinnützige sind oft unseriös, da viele Bau- und Fördersysteme mit denen Wohnungen gebaut wurde einem Pyramidenspiel gleichen. Billig die ersten Jahre, extrem teuer danach.
Sehr einseitiges und ideologisches Interview.
“zahlt man acht Euro pro Quadratmeter und nach 30 Jahren, wenn es ausfinanziert ist, zahlt man 6 Euro”
Worauf genau bezieht sich diese Aussage? Bitte um Erläuterung, denn diese Passage verstehe ich gar nicht.
Ich wohne im geförderten Wohnbau und bin sehr froh darüber, aber es war mehr als nur ein bisschen Geduld nötig. Es waren Jahre des Hoffens und des Glücks beim Wiener Wohnservice.
Die 50 000 Euro Genossenschaftsbeitrag für 90m2 sind auch nicht auf die Schnelle zu verdienen.
Ja, die Miete war und ist in Relation sehr günstig, hat sich dennoch in 10 Jahren um 300 Euro erhöht. Und steigt ständig an, und die Betriebskosten mit all dem Gemeinschaftsräumen sind auch nicht zu unterschätzen. So hat alles sein Für und Wider.
Die Rechnung ist ganz einfach 500.000 mehr Einwohner bedeutet Genau eine Verknappung des Wohnraumes, und somit Teuere Wohnungen und mehr Verbau von Grünraum
Ich würde raten sich über wiener wohnen für eine supergeförderte Wohnung anzumelden. Nein es ist nicht dasselbe wie ein Gemeindebau. Nur ähnlich und besser.
Zwar darf man da keinen Zeitstress haben, aber wenns mal fertig ist, dann hat man mal eine 50m² Wohnung für 330 kalt. und 4000 Anzahlung
8€??? Von welchen Genossenschaften spricht der Herr? Genossenschaften beginnen in Wien eher bei 10, wenn man Glück hat. Ich bin bei 9 eingestiegen, mittlerweile nach 5 Jahren kostet meine Wohnung fast 11/m2 und das “nur” mit Inflationsanstieg. Oder sind hier die BK rausgerechnet!?
also ich bin in meine Genossenschaftswohnung in Wien 2019 eingezogen und bezahle ca. € 7,50 pro m²
Schön für dich, in meinem Grätzl zahlt niemand so wenig.