In Österreich arbeiten rund 4.500 Menschen als Fahrradbot:innen: Sie bringen das bestellte Essen bis vor die Tür und radeln bei jedem Wetter durch die Städte. Die Arbeitsbedingungen sind mitunter schlecht und der Lohn reicht kaum zum Leben. Trotzdem will die Arbeitgeberseite nicht einmal die Inflation abgelten. Deshalb gehen die Beschäftigten jetzt auf die Straße, und zwar gleichzeitig mit den EM-Fußballspielen der österreichischen Nationalmannschaft.
Rund 4.500 Fahrradbot:innen gibt es in Österreich. Die allermeisten sind männlich (84%) und im Schnitt 30 Jahre alt. Nur ein Drittel aller Boten hat die österreichische Staatsbürgerschaft, ein weiteres Drittel sind EU-Bürger:innen. Jedes Jahr legen sie bei Vollbeschäftigung rund 40.000 Kilometer zurück – das ist ein Mal um die ganze Welt. Laut Kollektivvertrag (KV) bekommen sie dafür 10 Euro brutto pro Stunde. Oder 1.730 Euro im Monat – bei Vollzeit. Da bleiben einem gerade einmal 1.430 Euro netto übrig – deutlich unter der Armutsgrenze von 1.572 Euro. Seit November letzten Jahres verhandelt die Gewerkschaft mit den Arbeitgeber:innen über eine Lohnerhöhung angesichts der hohen Inflation in Österreich.
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Die Gewerkschaft will eine Abgeltung der Inflation sowie einen „angemessenen Reallohnzuwachs“ – dadurch sollen Fahrradbot:innen zumindest 2.000 Euro brutto pro Monat verdienen. Zusätzlich wird eine Zulage bei Extremwetter wie Hitze, Frost, Sturm, Starkregen etc. gefordert. Die Arbeitgeberseite bleibt aber seit Monaten stur und will lediglich 5,8 Prozent mehr zahlen. Deshalb sind die Fahrradbot:innen schon im März auf die Straße gegangen – jetzt gibt es erneut Warnstreiks.
„Wenn wir hier von Lohnerhöhungen sprechen, dann reden wir von Beschäftigten in einer Niedriglohn-Branche, in der die Arbeitgeber den Beschäftigten bei 1.730 Euro brutto im Monat für 40 Stunden pro Woche keine Teuerungsabgeltung gönnen wollen. Das drückt natürlich auf die Motivation der Beschäftigten, die mit ihren Nettolöhnen derzeit knapp an der aktuellen Armutsgrenze liegen“, sagt Toni Pravdic, KV-Verhandlungsleiter in der Gewerkschaft vida.
Auch Fabian Warzilek sieht das so. Er ist Betriebsrat bei Lieferando und bei den Verhandlungen dabei. „Leistung bei jedem Wetter und hohe körperliche Anstrengung sollte sich lohnen und darf nicht zu Armut und verzweifelten Lagen führen. Wie soll man nach zwei Jahren extremer Teuerung noch seine laufenden Rechnungen für Energie, Wohnen und Lebensmittel begleichen können, wenn man die Teuerung nicht abgegolten bekommt?“, fragt er.
Für den Chef und Fußball-Sponsoring ist Geld da – für die Beschäftigten nicht
Gestreikt wird an Abenden, an denen ein EM-Spiel mit der österreichischen Nationalfußballmannschaft stattfindet. Denn ausgerechnet für Sponsoring von Fußball-Events haben die Konzerne Delivery Hero (zu dem Foodora gehört) und Just Eat Takeaway (Lieferando) genug Geld. Ebenso wie für die Chef-Etagen: Für den Lieferando-Chef etwa gab es im letzten Jahr ein Gehaltsplus von 22 Prozent.
„Es ist ein Skandal, dass die Arbeitgeber zwar Unsummen für u.a. UEFA-Sponsoring ausgeben, aber für die Mitarbeiter:innen nicht genug Geld da ist”, kritisiert Gewerkschafter Markus Petritsch.
Gefährliche Situationen auf der Straße und häufige Beleidigungen
Neben der schlechten Bezahlung haben die Essenslieferant:innen auch mit dem gefährlichen Straßenverkehr und Beleidigungen im Arbeitsalltag zu kämpfen. Laut einer Studie berichten 84 Prozent aller Radzusteller:innen von gefährlichen Situationen im Straßenverkehr und rund jede zweite Person wurde während der Arbeit schon beleidigt und erniedrigt. Ein Viertel der Befragten sind sogar schon bedroht worden – und ein Drittel musste unerwünschte Annäherungsversuche über sich ergehen lassen.
Scheinselbständigkeit als großes Problem
Neben den niedrigen Löhnen und widrigen Arbeitsbedingungen ist auch Scheinselbständigkeit ein großes Problem in der Branche, sagt Arbeitsrechtsexperte Martin Gruber-Risak. Rund die Hälfte arbeitet als freie Dienstnehmer:innen. Während Lieferando seine rund 1.000 Beschäftigten fix anstellt, sind es beim Foodora-Konzern nur fünf Prozent der 3.000 Fahrradbot:innen. Für sie gelten weder Mindestlohn noch bezahlter Urlaub oder Weihnachtsgeld. Auch Krankengeld gibt es erst ab dem vierten Tag – und selbst dann nur die Hälfte der Bemessungsgrundlage. Für die Botendienste sind die Arbeitskräfte somit günstiger, weil sie sich Lohnnebenkosten sparen. Laut Chef-Verhandler Pravdic entsteht dadurch Lohndumping, das sich auch auf die KV-Verhandlungen auswirkt.
“Die Gewerkschaft fordert daher die Bundesregierung auf, die notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit freie Dienstnehmer:innen zukünftig bessere Arbeitsbedingungen (u.a. bessere Bezahlung, Entgeltfortzahlung bei Krankheit und Urlaub, keine unlimitierten Arbeitszeiten) vorfinden“, so der Gewerkschafter.
Der Artikel wurde am 12. März 2024 veröffentlicht und am 19. Juni 2024 aktualisiert.
Österreich ist ein grindiges Niedrigstlohnland mit den menschenverachtendsten Unternehmern die man sich nur vorstellen kann. Die glauben man kann mit Menschen alles machen solange man einen Netsch dafür zahlt. Wo ist der “Arbeitgeber”-Führerschein, eine Berechtigung die die nötige menschliche Kompetenz für die Verantwortuhng den Werktätigen gegenüber bescheinigt?
Würde man den Produktivitätsfortschritt abgelten müssten heutige Niedriglöhner mindestens viertausend Euro netto bekommen.
Man hat diejenigen die Alles erwirtschaften immer verraten, auch von links.
Raiffeisen, Lagerhaus, ja, die gehören zusammen, und viele Posten reichster Firmen werden auch nicht besser bezahlt: um die 12 € werden da geboten. Wahnsinn ist das. Und fahren kann man dafür 40 km und weiter. Das AMS zwingt einen dazu.
Schafft das Drecksamt dieses, ach, so schönen Dr. Kopf endlich ab!