Europa feiert das Comeback des Nachtzugs, das ist dem Klimawandel geschuldet. Und die österreichische Bahn mischt ganz vorne mit. 500 Millionen Euro investiert die ÖBB in neue Nachtzüge. „Alles auf Schiene“ ist eine umweltfreundliche Alternative zum Flug- und Lkw-Verkehr. Allerdings setzt der Bahn die Kostenverzerrung des Lkw-Güterverkehr und der Fernbusse speziell seit Corona zu. Auch von der Corona-Hilfe der österreichischen Regierung ist die ÖBB ausgeschlossen, gleichzeitig hat Österreich die defizitäre AUA mit einer halben Milliarde gerettet.
Im Corona-Lockdown kam der Passagierverkehr fast zum Erliegen. Und noch immer macht der Verlust vieler Pendlerinnen und Pendler der Österreichischen Bundesbahn schwer zu schaffen – denn halbleere Züge kosten genauso viel wie volle. Dennoch wird investiert: Die ÖBB steckt 500 Millionen Euro in das Nachtzug-Netz. Das bedeutet 20 neue Züge bis 2024. Bis 2022 sind schon 13 neue Züge bei Siemens bestellt und bereits in Produktion. Die insgesamt 33 neuen Züge werden aus 231 Wagen bestehen: Schlaf-, Liege- und Sitzwagen. Wie von Infrastrukturministerin Leonore Gewessler (Grüne) bereits Anfang Juni angekündigt, wird also enorm in den Ausbau des Nachtzugnetzes investiert.
Von Wien in die EU-Haupstadt Brüssel über Nacht
Bereits im Januar diesen Jahres ging die neue Nachtzugstrecke Wien-Brüssel ans Netz. Europaweit ist der Nachtzug wieder enorm nachgefragt: Gerade der Schlafwagen ist auf vielen Linien oft schon Tage vor der Fahrt ausgebucht. Im vergangenen Jahr ist die Sparte Nachtzug bereits kostendeckend betrieben worden, so die ÖBB. Dieses Jahr kommen nach der Brüssel-Route auch noch die Routen nach Amsterdam dazu: Von Wien, Innsbruck und München aus.
Andere Hauptstädte haben es dagegen noch nicht geschafft: Die Strecke Berlin – Brüssel etwa konnte immer noch nicht umgesetzt werden. Und das obwohl sie parteienübergreifend von deutschen Europaabgeordneten der Grünen, Linke, CDU und SPD als Anregung für die deutsche Ratspräsidentschaft gefordert wurde. Mitunter Schuld ist der Umstand, dass europaweit ein Mangel an modernen Schlaf- und Liegewagen herrscht, wie das Handelsblatt berichtet.
ÖBB gilt als EU-weiter Vorreiter
Die ÖBB gilt als EU-Vorreiter. Bereits im Jahr 2016 kaufte die ÖBB Teile des deutschen Schienennetzes. Nachdem Deutschland seine Nachtzugstrecken einstellte, kaufte die ÖBB rund 40 Prozent der Nachtzüge und Nachtrouten der Deutschen Bahn. Das wurde damals von der Öffentlichkeit noch ungläubig beobachtet, erwies sich aber als visionärer Schritt.
ÖBB-Chef Andreas Matthä erklärt im Falter: „ Der Nachtzug hat viele Vorteile, er fährt einen ohne Hetzerei und Umsteigen mitten ins Zentrum der Zieldestination. Er ist eine andere Form des Reisens. Am Anfang haben uns die europäischen Bahnen belächelt, das stimmt.“ Aber seit dem Aufkommen der Klimawandel-Diskussion mit Greta Thunberg in der breiten Öffentlichkeit, kam es zu einer „Explosion der Fahrgastzahlen.“ Die österreichische Bahn war ihrer Zeit voraus.
ÖBB setzt auf Nachhaltigkeit
Zusätzlich setzt die ÖBB auch jetzt schon auf Strom aus 100 Prozent erneuerbarer Energie. Als Fahrgast ist man also jetzt schon emissionsfrei unterwegs. Als Wettbewerbsvorteil für die Bahn gegenüber dem Lkw-Transit macht sich das aber noch nicht spürbar. Das wird sich aber noch ändern, glaubt der ÖBB-Chef.
Europäischer Lagevorteil für Österreich
Durch die zentrale Lage Österreichs in der EU fährt der Nord-Süd als auch der West-Ost Verkehr Europas auf dem heimischen Schienennetz. Außer Passagieren werden wichtige Güter wie Kohle, Erz, Schrott, Stahl und Baustoffe bis hin zu Containern mit Konsumgütern verfrachtet. Insgesamt spart das rund 2 Milliarden Tonnen CO-2 und entspricht der Fracht von vier Millionen Transit-Lkws. Diese wären sonst auf Österreichs Straßen unterwegs und brächten enorme Lärmbelastung und Luftverschmutzung. Schon jetzt stammen 30 Prozent der Schadstoffausstoße im heimischen Verkehr alleine vom Lkw-Verkehr.
Und in der Corona-Krise hat sich gezeigt: Die nachhaltige ÖBB verliert im Endeffekt doch an den Lkw-Güterverkehr. Schuld sind vor allem Wettbewerbsverzerrungen zwischen Lkw und Bahn. Aber auch die Bedingungen für den Erhalt von Staatshilfe durch die Cofag sind zum Nachteil der Bahn.
ÖBB und Covid
Beginnen wir letzten März: Mit dem Corona-Lockdown kamen auch die LKW-Frachtrouten zum Erliegen. Die ÖBB hingegen garantierte mit ihren Frachtzügen weiterhin die Versorgungssicherheit mit Waren des alltäglichen Gebrauchs. Von Spaghetti und Tomatensauce bis zum Klopapier.
Gleichzeitig wird ihr aber genau das jetzt zum Verhängnis: Um für den Güterverkehr Staatshilfen aus dem Cofag-Hilfsgeldertopf zu beantragen, muss laut türkis-grünem Beschluss der Umsatzrückgang mindesten 40 Prozent betragen.
„Diesen Wert erreichen wir auch deshalb nicht, weil wir es gewesen sind, die in der Hochphase der Covid-19-Krise die Versorgung aufrechterhalten konnten, weil die Güterbahnen anstandslos über die Grenzen kamen. Während die Lkws an der Grenze im Stau standen.“, wie ÖBB-Chef Andreas Matthä erklärt.
Dann kam allerdings die sogenannte „green lane“, die Durchfahrtsgenehmigung für den Lkw-Verkehr: Der Warentransport wurde sofort wieder von der Schiene auf die Straße verlagert. Die ÖBB verlor an die billigeren Lkws. Denn der Preisdruck ist enorm: Güterzüge sind gegenüber Lkws im Wettbewerb benachteiligt – „zumindest unter den derzeitigen Rahmenbedingungen.“ Denn wie nach der Finanzkrise verliert die Bahn auch jetzt in der Corona-Krise an die Lastwägen.
„Der Lkw fährt inzwischen um 50 Cent pro Kilometer, obwohl nicht einmal ein Euro kostendeckend wäre. Wir haben sogar jene Transporte wieder verloren, die wir in der Corona-Krise gewonnen haben. Das Tomatenmark fährt jetzt leider wieder Lkw.“, so Matthä zum Standard.
Wettbewerbsverzerrung und Preisdruck sind enorm
Da Kosten nicht bepreist werden, die etwa durch Treibhausgas-Ausstoß anfallen, und in die Operationskosten der Lkw eingerechnet werden, kann hier klar von Kostenverzerrung gesprochen werden. Denn bei der Bahn ist das anders: „Auf der Schiene zahle ich überall eine Schienenmaut. Auf der Landstraße zahlt der Lkw gar nichts, und der Treibstoff genießt das Dieselprivileg.“ Dazu kommt noch: Bahnstrom ist in Österreich hoch besteuert. Die ökologische Bahn wird also unfair benachteiligt und kann mit den Dumpingpreisen der Transit-Lkw gar nicht mithalten.
Auch die europäischen Sozialstandards bei Lkw-Fahrerinnen und Fahrern verzerren die Kosten weiter. Denn sie sind EU-weit unterschiedlich: Fahr-Personal wird in Niedriglohn-Ländern angestellt und fährt dann durch ganz Europa. Das sei ein soziales Problem und auch eine enorme Kostenverzerrung. Erst kürzlich vereinheitlichte die EU die Sozialstandards für Lkw-Personal teilweise um das Problem etwas zu entschärfen. Dies sorgte aber für Widerstand von der Wirtschaftskammer und der ÖVP, kontrast.at hat berichtet.
Neben dem Güterverkehr spielt aber auch der Passagierverkehr eine Rolle. Nicht nur haben die ÖBB durch die Corona-Pandemie 90 Prozent ihrer Passagiere verloren. Auch hier herrscht generell Kostenverzerrung: Denn Fernbusse bieten mit Dumpingpreisen von wenigen Euro Strecken zwischen EU-Hauptstädten an. Da kann die Bahn nicht mithalten.
Militärisches Erbe
Ein weiterer Nachteil des europäischen Schienennetzes ist auch sein militärisches Erbe. So war auch die österreichische Bahn, wie alle europäischen Bahnen Teil eines militärischen Systems. Und jeder Nationalstaat sorgte dafür, dass es ab der Grenze unterschiedliche Normen gab. „Damit ein Zug nicht einfach von einem Land ins andere durchfahren kann.“, erklärt Matthä.
Mit guten Rahmenbedingungen die Bahn der Zukunft sichern
Was aus damaliger Sicht verständlich klingt, ist heute im vereinten Europa mehr als unpraktisch. Auf EU-Ebene wird daher gerade an einheitlichen Brems- oder Zugbinderegeln gearbeitet. Momentan müssen die Züge nämlich etwa an jeder Grenzen angehalten werden, um die Hebel umzustellen. So gilt es nun also entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen, um europaweiten Bahnverkehr weiter zu vereinfachen. Denn nur mit dem Bahn-Ausbau werden die mittel- und langfristigen Klimaziele des Europäischen Green Deal erreicht werden können. Die Rolle Österreichs wird dabei zentral sein.