Von 9. bis 11. Mai 2023 finden die Wahlen der Österreichischen Hochschüler:innenschaft statt. 350.000 Studierende an allen Universitäten, und Fachhochschulen können ihre Vertretung für die nächsten zwei Jahre wählen – so viele wie nie zuvor. Zentrales Thema ist auch hier die Teuerung: Für immer mehr Studentinnen und Studenten wird das Leben unleistbar. Deshalb fordert der Verband Sozialistischer Student_innen eine Reihe an Maßnahmen: von einem Mietpreisdeckel und gratis Kinderbetreuung über die Erhöhung der Studienbeihilfe auf langfristig 1.400 Euro bis hin zur Möglichkeit eines Teilzeitstudiums. Kontrast hat mit VSStÖ-Spitzenkandidatin Nina Mathies über ihre bisherigen Erfolge in der Bundesvertretung und ihre Vorhaben gesprochen.
Ihr habt bei eurer Arbeit, den Beratungen und Anlaufstellen viel Kontakt mit Studierenden: Was belastet die Studentinnen und Studenten derzeit am meisten?
Nina Mathies: Gerade jetzt während der Teuerung kommen vor allem zwei Probleme immer häufiger vor: Aktuell können sich viele Studierende gerade das Leben nicht mehr leisten und tun sich schwer, vor allem die Miet- und Lebenshaltungskosten zu zahlen. Konsequenz daraus ist,
dass zwei Drittel aller Studierenden arbeiten. Dabei kommt ein zweites Problem auf: Wer arbeitet, hat weniger Zeit fürs Studium und fällt schneller aus dem Beihilfesystem raus. Denn das Studium ist schlichtweg nicht mit der Arbeit vereinbar.
Wer aus der Beihilfe rausfällt, dem fehlt noch mehr Geld, was zu noch längerer Arbeit neben dem Studium führt. Das Ganze entwickelt sich also in einen Kreislauf, aus dem Studierende ohne Unterstützung nur schwer ausbrechen können.
Und welche Lösungen habt ihr dafür?
Nina Mathies: Unsere Forderungen und Projekte bauen auf vier Blöcke auf: soziale Absicherung, leistbares Wohnen, gerechte Studienbedingungen und diverse Hochschulen. Studierende müssen endlich sozial abgesichert sein.
Dazu braucht es eine maßgebliche Erhöhung der Studienbeihilfe. Als erster Schritt auf die Höhe der Mindestsicherung, also ca. 1.100€ und langfristig über die Armutsgefährdungsgrenze. Diese liegt derzeit bei fast 1.400€.
Eine Erhöhung muss auch Hand in Hand mit einer Ausweitung des Bezieher:innenkreises gehen. Im Bereich Wohnen sehen wir dringenden Handlungsbedarf. Mieten steigen ins Unendliche und bei jeder Rechnung, die uns neu ins Haus flattert, müssen wir zittern. Wie zahlreiche Expert:innen schon seit einem Jahr erklären, müssen die Mieten und Energiepreise endlich gedeckelt werden! Andere Länder machen hier schon vor, wie gut eine Deckelung funktioniert. Um die Vereinbarkeit von einem Studium mit anderen Verpflichtungen zu gewährleisten, fordern wir die Einführung eines Teilzeitstudiums.
Studierende sollen jedes Semester entscheiden können, ob sie mit 30 ECTS Vollzeit oder mit 16 ECTS Teilzeit studieren wollen. Zusätzlich soll es die Möglichkeit geben, das Studium zu pausieren. Damit passt sich das Studium an unsere Lebensrealität an.
Unsere Hochschulen sind auch 2023 noch kein Platz für alle – das muss sich ändern! Wir fordern einen Aktionsplan gegen Rassismus an Hochschulen und wollen selbst mitreden! Wir wollen als ÖH eine Antirassismuskonferenz veranstalten, bei der wir gemeinsam mit Expert:innen, antirassistischen Aktivist:innen und Organisationen einen solchen Aktionsplan entwerfen.
Wie hat sich das Studieren in den letzten drei Jahren verändert?
Nina Mathies: Zuerst war die Pandemie der stärkste Einschnitt ins Studierendenleben. Von heute auf morgen musste das Studium zu 100% in den digitalen Raum umgestellt werden. Konzepte vom Bildungsministerium gab es keine und wir Studierenden wurden ignoriert. Wir wurden mit schlechten Online-Angeboten vertröstet, die psychische Gesundheit vieler Studierender hat darunter stark gelitten.
Heute verstaubt das technische Equipment der Unis im Keller. Anstatt die hybride Lehre zu nutzen, um auch arbeitenden Studierenden und Studis mit Kind mehr Flexibilität im Studium zu bieten, sitzen wir noch immer in starren Frontalvorlesungen. Wir wollen eine Wahlmöglichkeit zwischen gutem online Angebot und präsenter Lehre!
Mit der jetzigen Teuerungsdynamik fällt den Studierenden ein weiterer Felsbrocken in den Weg. Auch hier verschlimmert das Nichthandeln der gesamten Bundesregierung die Situation immens. Wäre vor einem Jahr schon gehandelt worden, müssten wir heute nicht dabei zuschauen, wie immer mehr Studierende in die Armut abrutschen. Das betrifft natürlich auch das Studieren. Wer sich Sorgen um die eigene Existenz machen muss, kann nicht unbeschwert studieren!
Der VSStÖ war in der Bundesvertretung fast 3 Jahre lang in einer Koalition mit GRAS (Grünen & Alternativen Student_innen) und FLÖ (Unabhängigen Fachschaftslisten Österreichs). Was sind deiner Meinung nach eure drei größten Erfolge?
Nina Mathies: Sowohl in der Pandemie, als auch als Reaktion auf den Angriffskrieg von Russland konnte die ÖH betroffene Studierende finanziell unterstützen. Es gab mehrere Auflagen des Coronahärtefonds, für den Studierende Anträge stellen konnten, die aufgrund der Pandemie in eine finanzielle Notlage geraten sind. Durch die Ukraine-Soforthilfe konnten zahlreiche Studierende, die aufgrund des russischen
Angriffskrieges keinen Zugriff auf ihre Konten hatten oder ihre Lebensgrundlage verloren haben, finanziell unterstützt werden. Zudem konnte die ÖH erwirken, dass die Studiengebühren für ukrainische und iranische Studierende im Wintersemester 22/23 erlassen wurden.
Ein weiterer großer Erfolg der ÖH ist die Valorisierung der Studienbeihilfe. Die jahrelange Forderung von uns als VSStÖ und der ÖH wurde vergangenen Sommer angekündigt und tritt mit dem Wintersemester 2023/24 in Kraft.
Für Studierende an den Pädagogischen Hochschulen konnte die ÖH außerdem erreichen, dass der Einsatz in der Sommerschule in Zukunft entlohnt wird. Zuvor mussten Studierende im Rahmen ihres Studiums diese Arbeit oft umsonst ausführen.
Viele dieser Erfolge sind dem zu verdanken, dass die ÖH kein Blatt vor den Mund nimmt, wenn die Regierung mal wieder auf uns Studierende vergisst. Eine regierungskritische ÖH gibt es nur mit uns als VSStÖ!
Zu euren Forderungen zählen auch die Deckelung der Miet- und Energiepreise oder gratis Kinderbetreuung. Aber wie realistisch ist es überhaupt, dass sich eine Studi-Fraktion in der Bundesregierung durchsetzt, wo solche Entscheidungen ja getroffen werden?
Nina Mathies: Natürlich sind allgemeinpolitische Forderungen als ÖH nicht direkt umsetzbar, sondern auf den politischen Willen verschiedener Entscheidungsträger:innen angewiesen. Als VSStÖ sind wir allerdings laut für alle und immer eine kritische Stimme gegenüber der Bundesregierung. Die Erfolge der letzten beiden Jahre zeigen auch, dass unser Einsatz wirkt. Die ÖH ist schließlich die Vertretung von fast 400.000 Studierenden, das hat mehr Gewichtung als so manches Bundesland. Langfristig ist es zusätzlich wichtig, dass Interessensvertretungen, wie auch die ÖH, wieder mehr Gewichtung in der Arbeit der Bundesregierung beigelegt werden. Wir Studierende sollten mitbestimmen dürfen, wo es langgeht mit unseren Hochschulen!
Wie erlebt ihr die Zusammenarbeit mit dem ÖVP-Bildungsministerium?
Nina Mathies: Gerade im November, als den öffentlichen Unis in Österreich das Geld aufgrund der Teuerung ausging und ganze 1,2 Milliarden Euro gefehlt haben, hat sich gezeigt, wie egal Bildungsminister Polaschek unsere Bildung ist. Trotz breiten Protesten nicht nur von uns Studierenden, sondern auch von Angestellten, Lehrenden und selbst den Rektoraten, finanziert Polaschek lieber sein Prestigeprojekt und Wahlkampfzuckerl, die TU Oberösterreich, anstatt sich um die bestehenden Universitäten zu kümmern. Gerade in Krisen wie diesen ist es wichtig, sich mit allen an einen Tisch zu setzen und gemeinsam am Krisenmanagement zu arbeiten. Das erleben wir mit dem Bildungsminister allerdings nur selten.
“Wer sich Sorgen um die eigene Existenz machen muss, kann nicht unbeschwert studieren!”
Na das geht ja gar nicht. Ich würde mal sagen wer sich Sorgen um die Existenz machen muss kann generell nicht unbeschwert sein. Willkommen im Leben liebe Studenten.