Die Umweltministerin Leonore Gewessler hat verlautbart, dass Österreich das Erdöl-Embargo der EU gegen Russland mittragen würde. Das würde bedeuten: Kein Ankauf und Transport von russischem Erdöl in EU-Länder. Was bedeutet das für die EU, für Österreich und die VerbraucherInnen? Und: Wie steht es um ein Erdgas-Embargo? Energie-Experte Marc Hall hat Antworten auf diese Fragen.
Österreich hat jetzt signalisiert, ein Öl-Embargo mitzutragen, wenn das ein EU-weites Vorhaben ist. Wie würde das ablaufen?
Marc Hall: Grundsätzlich melden sich in erster Linie jene Länder schnell zum Embargo an, die am wenigsten betroffen sind – oder für das Segment, in dem sie wenig mitspielen.
Beispiel: Die USA haben als erste das Embargo für russisches Rohöl bis zum Jahresende angekündigt. Im März wissen alle Raffinerien der USA bereits sehr genau, welche Öle im Laufe des Jahres noch geliefert und verarbeitet werden. Da waren sicher nur ein, zwei oder gar kein Tankschiff aus Russland vorgesehen, denn die USA kaufen normalerweise kaum Öl aus Russland. Bei Kernbrennstäben wäre das schwieriger, denn 25 % der Kernkraftwerke in den USA laufen derzeit mit Uran aus Russland oder Kasachstan. Die wären so schnell nicht zu ersetzten.
Setzt so ein Embargo Russland wirtschaftlich unter Druck?
Marc Hall: Österreich schafft ein befristetes Rohölembargo mit Russland. Es gab immer wieder Jahre, wo die Raffinerie in Schwechat ohne russisches Öl gefahren wurde. Das beeindruckt niemand, auch Russland nicht.
Was sind die Folgen für die österreichische Energieversorgung bei so einem Embargo?
Marc Hall: Die OMV hätte einen bedeutenden Nachteil, denn russisches Öl kann man derzeit mit einem starken Preisabschlag zum Weltmarktpreis einkaufen. Die österreichischen Verbraucher:innen zahlen sowieso weiterhin die Preise, die von der Börse vorgegeben werden. Eine Verknappung der Anzahl der Lieferanten bei gleicher Nachfrage könnte die Preise weiter hochtreiben.
Das Embargo soll ja ein EU-weites sein, doch die Abhängigkeit von russischem Erdöl ist je nach Land verschieden.
Marc Hall: Richtig. Innerhalb der EU differenziert sich die Abhängigkeit sehr deutlich: In Deutschland läuft nur eine Raffinerie, die in Schwedt an der polnischen Grenze, mit viel russischem Öl. Es sollte sich ausgehen, die Lieferungen innerhalb von Deutschland zu verlagern. Die Raffinerie Schwedt gehört den Franzosen. Die slowakischen und ungarischen Raffinerien hängen stark am russischen Rohöl und an den russischen Pipelines. Einen kompletten Umstieg auf andere Rohöle und Lieferwege schaffen die Raffinerien in ihrer aktuellen Anlagenkonstellation nur schwer.
Und wie sieht es mit dem Vorschlag eines Gas-Embargos aus? Könnte Österreich ohne russisches Erdgas auskommen?
Marc Hall: Einige EU-Mitglieder brauchen gar kein Gas aus Russland. Andere, darunter Deutschland, Ungarn, die Slowakei und Österreich, aber auch die Ukraine, kommen ohne Gas aus Russland nicht aus. Das Gas aus Russland kann kurzfristig von anderen Quellen nicht ersetzt werden. Selbst die Ankündigung, die Erdgaslager vor dem nächsten Winter per Gesetz voll füllen zu lassen, geht nur mit russischem Erdgas.
Marc Hall
Der gebürtige Brite arbeitet als Autor und Berater in Wien. Er war Topmanager in Deutschland, Tschechien und Österreich. Hall hat unter anderem für die OMV AG, RWE AG, Transgas, Bayerngas und Wiener Stadtwerke AG gearbeitet. Er ist Vorstandsmitglied im deutschen Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) und Chairman in der International Gas Union (IGU). Im Leykam-Verlag erschien 2021 sein Buch “Mutig, aber realistisch gegen die Klimakatastrophe“.