Rainer Seele war mit einer Gage von 7 Millionen Euro der bestbezahlte Manager Österreichs. Jetzt droht dem 2021 ausgeschiedenen Vorstand der teilstaatlichen OMV ein tiefer Fall: Aktionärsvertreter wollen ihm seine Entlastung verweigern. Anleger drohen gar mit einer Strafanzeige.
Rainer Seele dürfte kein großer Fan der Recherche-Plattform Dossier sein. Die Journalist:innen haben eine ganze Serie von Artikeln veröffentlicht, die für den Top-Manager nun Folgen haben könnten. So berichtete Dossier, dass die OMV mutmaßlich die Umweltaktivist:innen von Fridays for Future ausspionieren ließ. Zusätzlich soll Seele, während er dem Unternehmen einen strengen Sparkurs verschrieb, mit dem Geld der OMV geprasst haben. Seit dem Antritt Seeles im Juli 2015 hat die OMV 2.000 Mitarbeiter:innen abgebaut, 2020 kündigte er ein 2 Milliarden Euro schweres Sparpaket an. Bei sich selbst sparte der Deutsche allerdings nicht. Er gab mehr als 400.000 Euro für Flüge in Privatjets aus – auch für Strecken, für die in einer firmeninternen Vereinbarung eigentlich die Economy-Class vorgesehen ist. Die Kosten für die OMV-Weihnachtsfeier sind unter Seele explodiert: Leistete man sich 2016 noch eine Feierlichkeit um schlanke 70.000 Euro – waren es drei Jahre später bereits 270.000.
Er präsentierte sich auch gerne als Kunst und Kultur-Mäzen – finanziert durch die OMV: Die Wiener Staatsoper erhielt vom Ölkonzern etwa eine halbe Million pro Jahr. Laut Dossier gehen Insider vom Doppelten aus. Im Gegenzug soll Seele eine Ehrenloge am Opernball und ein Kontingent für Premierentickets auch für bereits ausverkaufte Vorstellungen bekommen haben. Auch für den Sport erwärmte sich das Herz des Millionen-Managers:
An die Jugendmannschaft von Zenit St. Petersburg überwies die OMV seit 2018 jedes Jahr fünf Millionen Euro – insgesamt wurden 25 Millionen versprochen. Rapid Wien erhielt mit 1,2 Millionen Euro deutlich weniger als der Lieblingsverein von Vladimir Putin.
25 Millionen für Putins Lieblingsverein
Das Interesse der OMV an russischen Nachwuchskickern dürften mit den engen Verbindungen Seeles nach Russland und mit Beziehungspflege zur staatlichen Gazprom zu tun haben. Seele ist Träger des russischen Ordens der Freundschaft und seit 2012 Präsident der deutsch-russischen Auslandshandelskammer. Das war auch mit ein Grund für seine Bestellung zum OMV-Vorstand 2015. Seele nutzte seine Kontakte nach Russland wirklich, ob tatsächlich zum Vorteil für Österreich, ist mittlerweile fraglich: Er war einer der führenden Akteure, die Österreichs Gasversorgung in die Abhängigkeit Russlands trieb. Nach eineinhalb Jahren Seele stiegen die Gasimporte aus der Russischen Föderation um 50 Prozent. 2018 unterzeichneten Seele und Gazprom-Chef Alexej Miller im Beisein von Sebastian Kurz und Vladimir Putin einen Mega-Deal:
Die OMV sicherte zu, bis 2040 für die vereinbarten Liefermengen russisches Gas zu zahlen, auch wenn das Gas von Österreich doch nicht benötigt wird. Kostenpunkt: 6 Milliarden Euro.
OMV und Gazprom: Liebesg’schichten und Heiratssachen
Wladimir Putin, Gazprom-Chef Alexej Miller und OMV- CEO Rainer Seele nach einer Unterzeichnung von Memoranden am Dienstag, 5. Juni 2018, im Bundeskanzleramt in Wien pic.twitter.com/JwVHSRCwQ5— Klecksa (@Anpatzer) March 6, 2022
Es geht auch um Steuergeld
Doch gab es niemanden, der dem Manager auf die Finger schaute?
Die Weihnachtsfeiern für über eine Viertel Million, 400.000 Euro für Privatjets und 25 Millionen für eine russische Jugendmannschaft wurden ja indirekt auch aus Steuergeld gezahlt; schließlich ist mit 31,5 Prozent die Republik Österreich der größte Einzelaktionär.
Tatsächlich wurde 2020 vom Aufsichtsrat der Compliance Chef Robert Eichler mit einer Prüfung der Angelegenheiten beauftragt, wie Dossier berichtet. Eigentlich eine Angelegenheit, die Monate dauert, doch Eichler soll bereits nach zwei Wochen einen Bericht vorgelegt haben. Ergebnis: Alles sauber.
2 Mio. Euro Fallschirm für OMV-Chefkontrolleur
Als 2021 Rainer Seele seine Tätigkeit bei der OMV beendete und Alfred Stern als neuer CEO übernahm, wurde plötzlich eine interessante Zusatzvereinbarung im Vertrag des Compliance-Chefs Eichler öffentlich, wie Dossier berichtete. Stern wollte im Unternehmen aufräumen und Umstrukturierungen durchsetzen. Als er sich genauer mit Eichlers Posten beschäftigte, legte dieser einen Sideletter vor: Darin ist ein sogenannter goldener Fallschirm vereinbart. Das bedeutet, dass bei Entlassung Eichlers, dieser sein Gehalt bis Pensionsantritt weiter beziehen kann. Insgesamt geht es um zwei Millionen Euro. „Das ist selbst für großzügige OMV-Verhältnisse eine stolze Summe für einen Manager unterhalb der Vorstandsebene“, berichtet der Kurier.
Rainer Seele droht Verweigerung der Entlastung: Was macht die Republik?
Derjenige, der unter anderen Seeles Aktivitäten überwachen sollte, schloss also eine großzügige Sondervereinbarung mit Seele ab, die ihn selbst bei Kündigung, etwa durch einen neuen Vorstand, ein recht komfortables Salär zusicherte. Als die Tätigkeit des Managers geprüft wird, wird nach nur zwei Wochen ein entlastender Bericht angefertigt.
Das und die oben umrissenen Skandale führte nun zu einer seltenen Maßnahme seitens des Interessenverbandes für Anleger (IVA). Eigentlich sollte Seele bei der Hauptversammlung am 5. Juni entlastet und vom Unternehmen verabschiedet werden, doch das will der IVA verhindern. Der neue OMV-Chef Alfred Stern und der Aufsichtsrat sollen die Gelegenheit bekommen, die Ungereimtheiten der Seele-Ära aufzuklären, erklärt der IVA in einer Aussendung.
„Einige Seele-Aktionen waren in der roten Zone. Erst jetzt erkennt man ihre Tragweite. Hier muss für Transparenz gesorgt werden – wenn nötig mit einer Sonderprüfung oder einer Strafanzeige. Es gilt die Unschuldsvermutung“, sagt IVA-Vorstand Florian Beckermann.
Ob es der IVA gelingt, die Entlastung Seeles zu verhindern, hängt maßgeblich davon ab, wie sich die ÖBAG, die die Anteile der Republik Österreich an der OMV verwaltet, bei der Abstimmung verhält. Bei der Hauptversammlung soll auch deren Chefin Edith Hlawati in den Aufsichtsrat gewählt werden. Sie ist die Nachfolgerin des berühmten Thomas Schmid, der von 2019 bis 2021 eigentlich auch für die Kontrolle der OMV zuständig war.