“Wir müssen bestimmte Projekte durchboxen können,” sagt der Chef der Industriellenvereinigung Georg Kapsch ganz offen über das Standortgesetz im Standard-Interview – notfalls auch gegen den Umwelt- und Tierschutz. Großprojekte sollen künftig auch ohne Umweltprüfung genehmigt werden können, wenn die Bundesregierung das will. Das setzt nicht nur den Umweltschutz außer Kraft, sondern ist auch ein Einfallstor für Korruption.
Konkret geht es im Standortentwicklungsgesetz darum, dass Großprojekte nach einem Jahr automatisch genehmigt werden sollen – auch ohne positive Prüfung der Umweltverträglichkeit. Das gilt für alle “standortrelevanten Projekte”. Im schlimmsten Fall heißt das:
- Ein Investor will eine Fabrikanlage an einem umstrittenen Standort bauen.
- Die Behörde lässt den Antrag ein Jahr liegen oder der Investor verzögert das Verfahren durch schlechte Unterlagen.
- Der Bau wird nach 12 Monaten ohne weitere Prüfungen genehmigt.
- Beschwerde gegen die Genehmigung ist keine mehr möglich – außer es geht um grundsätzliche Rechtsfragen.
Einfallstor für Korruption
Welche “standortrelevanten Projekte” unter diese radikale Regelung fallen, wird von einem Beirat geprüft und dann im Ministerrat beschlossen. Für die Beiratsmitglieder fehlt “jegliche Qualifikationsvoraussetzungen”, wie die Universitätskonferenz in ihrer Stellungnahme kritisiert.
Genau hier liegt das Einfallstor für Korruption: Minister und Landeshauptleute können beim Wirtschaftsministerium einen Antrag stellen, um als standortrelevantes Projekt behandelt zu werden; entschieden wird das von der Regierung im Ministerrat. Das erinnert an die Verleihung von Promi-Staatsbürgerschaften: Auch hier entschied die Bundesregierung per Ministerratsbeschluss, welche Staatsbürgerschaften im besonderen Interesse Österreichs liegen – ohne die Kriterien transparent zu machen. Uwe Scheuch und Jörg Haider haben gezeigt, wie anfällig dieses System für Korruption und Bestechung ist. Ihnen wird vorgeworfen, russischen Investoren die Staatsbürgerschaft für Geld angeboten zu haben.
Umweltverfahren für Mülldeponien und Industrie abgeschafft
Die Reaktionen auf den Gesetzesentwurf sind heftig. Die Liste der Kritiker reicht von Umweltschützern, Verfassungsexperten bis zu den ÖVP-regierten Ländern Tirol und Vorarlberg. Dass überlange Genehmigungsverfahren dem Standort schaden, bestreitet dabei niemand. Dass die Lösung aber in einem Gesetz liegt, das “einseitig an Investoreninteressen ausgerichtet ist” und die Umweltprüfung außer Kraft setzt, bezweifeln aber fast alle.
Für Greenpeace schafft das Standortgesetz „de facto Umweltverfahren für Großprojekte wie Schnellstraßen, Mülldeponien oder Industrieanlagen ab“. WWF fürchtet mehr Umweltzerstörung in Österreich.
Würde die Regierung Verfahren beschleunigen wollen, ohne den Umweltschutz zu gefährden, könnte sie die Zahl der Prüfer aufstocken. Tatsächlich macht sie aber das Gegenteil und will nur jede dritte Stelle im öffentlichen Dienst nachbesetzen. Für die Industrie ist das kein Problem, ihr sind Kontrollen ohnehin lästig. Da ist eine automatische Genehmigung nach zwölf Monaten schon praktischer – unabhängig davon, ob es gravierende Bedenken gibt, Anrainer protestieren oder Umweltstandards nicht eingehalten werden.
Standortgesetz aus der Feder von Lobbyisten
Die Kritik am Standortgesetz “geht ins Grundsätzliche, es geht nicht um verfassungsrechtliche Bedenken gegen einzelne Bestimmungen oder bloß rechtspolitische Kritik. Es geht schlicht um die Aushebelung des Rechtsstaates und um eine massive Verletzung des europäischen Rechts”, sagt der Verfassungs- und Verwaltungsjurist Heinz Mayer. Umwelt- und Justizministerium haben ihre Kritik am Gesetz erst gar nicht veröffentlicht. „Das schreit ja danach, dass es hier einen politischen Maulkorb gab“, sagt der Politikwissenschafter Hubert Sickinger.
Der Ministerialentwurf f das “Standort-Entwicklungsgesetz” ist ein Zeitdokument, das man sich unbedingt rasch herunterladen u abspeichern muss, für den Fall, dass doch noch jemand bemerkt, was hier zur Begutachtung verschickt wurde u es zurückgezogen wird https://t.co/ZLA8Uu9Rzu
— hans peter lehofer (@hplehofer) 6. Juli 2018
Das Standortgesetz scheint direkt aus der Feder von Industrie und Lobbyisten zu stammen. Sie sind die Einzigen, die das Gesetz positiv bewerten und Experten halten den Entwurf für rechtlich kaum haltbar, denn die Mitarbeiter in den Ministerien würden wohl nicht so ahnungslos vorgehen.
Das Gesetz soll mit 1. Jänner des kommenden Jahres in Kraft treten.
Hier findest du alle Stellungnahmen auf der Website des Parlaments.
Nachdem die 3. Piste am Flughafen Schwechat – zumindest vorläufig – nicht gebaut wird, ist die S1 Süßenbrunn bis Schwechat (Vulgo Lobau-Autobahn) das klimaschädlichste Großprojekt von Österreich.
Dass sich Österreich zum Pariser Klimaschutzziel verpflichtet hat, wird bei der Planung völlig ignoriert. Die Asfinag hält unverändert an allen von ihr geplanten Autobahnprojekten fest. Sie will trotz Corona und Wirtschaftskrise jedes Jahr eine Milliarde für Autobahnen und Schnellstrassen ausgeben.
Das müssen wir jetzt erreichen.
Bevor es zu spät ist. Lobau-Autobahn und Co. verhindern und Klimaschützen macht Spaß – Sei dabei:
Am 3. Juni ist eine Fahrraddemo geplant (Start 14 Uhr Praterstern), am 11. Juni eine Demonstration. Infos unter http://www.lobau.org oder tagesaktuell auf der facebook Seite Stop Lobau-Autobahn.
Jutta Matysek ist Umwelt- und Friedensaktivistin und ehrenamtliche Radiomacherin bei Radio Orange 94,0 (Sendereihe “trotz allem”)
Ich seh schon kommende Verfassungsänderungen a la “Die Würde des Menschen ist von seinem Vermögen und/oder Einkommen abhängig”. Oder “Menschenrechte muss man sich leisten können” traue ich diesen Hilfskräften der Industrie auch zu. Das oberste Prinzip lautet: Profit um jeden Preis!
Wie lange lassen wir uns das noch gefallen, lassen uns von Milliardären und ihren Hilfskräften in Politik, Medien, Wissenschaft und Kultur ausrauben?
Diese Geldsäcke sind auch Drecksäcke, sie sollen an ihrem Geld und Dreck in Atemnot kommen!